Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hängnißvolle Beschluß vom 14. Juni ist der Krieg; wer den Krieg ankündigt,
kündigt den Zollverein auf.

Bayern lud darauf im Juni Zoll- und Steuerbeamte der im Rumpfbundes¬
tag vereinigten Zollvereinsregierungen zu einer Konferenz nach München ein,
damit diese Delegirten beriethen, was unter so bewandten Umständen zu thun
sei. Es war eine sehr rathlose Versammlung. Sie ging unverrichteter Dinge
nach Hause. Sie wußte nur, daß das sehr schlimm, aber nicht, wie zu helfen
sei. An den Zollverein, an das Wirtschaftsleben, daran, daß die Leute essen
und trinken, wohnen und sich kleiden wollen und deshalb auch arbeiten und
absetzen, importiren und exportiren müssen, scheinen die Staatsweisen der süd-
westdeutschen Gruppe gar nicht gedacht zu haben, als sie sich kopfüber in den
Krieg für Oestreich stürzten. "Ich habe kein Brod für mich und die Meinigen,"
klagte der Dorfschulmeister. "I. so essen Sie. doch Kuchen/' erwiderte der dicke
Consistorialrath. In dem vorliegenden Falle bleibt es indeß keineswegs bei
dem "?Iketuirtur ^clrivi", sondern die "Reges", d. b. die Regierungen bekom¬
men doch auch etwas dabei ab. Preußen hat. ausgehend von der richtigen
Voraussetzung, daß die Verträge durch den Krieg -- natürlich unbeschadet der
Möglichkeit, sie nach Beendigung des Krieges zu erneuern oder wieder aufzu¬
nehmen, was um so leichter sein wird, je schneller der Krieg zu-Ende geht --
vorerst aufgehoben sind, diejenigen Zahlungen, welche es aus der gemeinschaft¬
lichen Zvllkcisse an die Regierungen zu leisten hat, welche mit ihm im Kriege
sind, eingestellt. Dies trifft am härtesten Bayern, Würtemberg und Hessen-
Darmstadt, welche in die Zolllasse viel weniger einzahlen, als sie alljährlich
daraus erhalten. Nehmen wir als Beispiel das Jahr 1864. das so ziemlich
normale Verhältnisse zeigt. Für dieses Jahr sind von den Mehreinnahmen, die
durch Preußen, Sachsen. Braunschweig u. s. w. erzielt wurden, an die Süd¬
staaten herausbczahlt worden:

1. an Bayern 1,701.163 Thlr.
2. an Würtemberg 541.783 -
3. an Hessen-Darmstadt__ 5,570 -
2.248.616 Thlr.

Im Durchschnitt erhielten diese Regierungen nach den bisherigen Zoll¬
vereinsverträgen jährlich drei bis vier Millionen Gulden mehr, als ihnen nach
ihrer realen Consumtion und nach den Zöllen, die ihre eigenen Unterthanen
entrichten, zukam. Der Kopf der Bevölkerung in Nord- und Mitteldeutschland,
d. h. in den dort gelegenen Zollvcreinsländern zahlt durchschnittlich per Jahr
in die.Zollkasse 0.792 Thaler, der Kopf in den Südstaaten nur 0.456 Thaler.
Der Consum zollpflichtiger Gegenstände ist sonach im Norden 42 Procent stärker.
Obgleich also der Norden weit stärkere Laste'n trägt, nimmt der Süden in glei¬
chem Maße wie der Norden an den Einnahmen Theil. Auf den Kopf im


hängnißvolle Beschluß vom 14. Juni ist der Krieg; wer den Krieg ankündigt,
kündigt den Zollverein auf.

Bayern lud darauf im Juni Zoll- und Steuerbeamte der im Rumpfbundes¬
tag vereinigten Zollvereinsregierungen zu einer Konferenz nach München ein,
damit diese Delegirten beriethen, was unter so bewandten Umständen zu thun
sei. Es war eine sehr rathlose Versammlung. Sie ging unverrichteter Dinge
nach Hause. Sie wußte nur, daß das sehr schlimm, aber nicht, wie zu helfen
sei. An den Zollverein, an das Wirtschaftsleben, daran, daß die Leute essen
und trinken, wohnen und sich kleiden wollen und deshalb auch arbeiten und
absetzen, importiren und exportiren müssen, scheinen die Staatsweisen der süd-
westdeutschen Gruppe gar nicht gedacht zu haben, als sie sich kopfüber in den
Krieg für Oestreich stürzten. „Ich habe kein Brod für mich und die Meinigen,"
klagte der Dorfschulmeister. „I. so essen Sie. doch Kuchen/' erwiderte der dicke
Consistorialrath. In dem vorliegenden Falle bleibt es indeß keineswegs bei
dem „?Iketuirtur ^clrivi", sondern die „Reges", d. b. die Regierungen bekom¬
men doch auch etwas dabei ab. Preußen hat. ausgehend von der richtigen
Voraussetzung, daß die Verträge durch den Krieg — natürlich unbeschadet der
Möglichkeit, sie nach Beendigung des Krieges zu erneuern oder wieder aufzu¬
nehmen, was um so leichter sein wird, je schneller der Krieg zu-Ende geht —
vorerst aufgehoben sind, diejenigen Zahlungen, welche es aus der gemeinschaft¬
lichen Zvllkcisse an die Regierungen zu leisten hat, welche mit ihm im Kriege
sind, eingestellt. Dies trifft am härtesten Bayern, Würtemberg und Hessen-
Darmstadt, welche in die Zolllasse viel weniger einzahlen, als sie alljährlich
daraus erhalten. Nehmen wir als Beispiel das Jahr 1864. das so ziemlich
normale Verhältnisse zeigt. Für dieses Jahr sind von den Mehreinnahmen, die
durch Preußen, Sachsen. Braunschweig u. s. w. erzielt wurden, an die Süd¬
staaten herausbczahlt worden:

1. an Bayern 1,701.163 Thlr.
2. an Würtemberg 541.783 -
3. an Hessen-Darmstadt__ 5,570 -
2.248.616 Thlr.

Im Durchschnitt erhielten diese Regierungen nach den bisherigen Zoll¬
vereinsverträgen jährlich drei bis vier Millionen Gulden mehr, als ihnen nach
ihrer realen Consumtion und nach den Zöllen, die ihre eigenen Unterthanen
entrichten, zukam. Der Kopf der Bevölkerung in Nord- und Mitteldeutschland,
d. h. in den dort gelegenen Zollvcreinsländern zahlt durchschnittlich per Jahr
in die.Zollkasse 0.792 Thaler, der Kopf in den Südstaaten nur 0.456 Thaler.
Der Consum zollpflichtiger Gegenstände ist sonach im Norden 42 Procent stärker.
Obgleich also der Norden weit stärkere Laste'n trägt, nimmt der Süden in glei¬
chem Maße wie der Norden an den Einnahmen Theil. Auf den Kopf im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286116"/>
          <p xml:id="ID_1881" prev="#ID_1880"> hängnißvolle Beschluß vom 14. Juni ist der Krieg; wer den Krieg ankündigt,<lb/>
kündigt den Zollverein auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1882"> Bayern lud darauf im Juni Zoll- und Steuerbeamte der im Rumpfbundes¬<lb/>
tag vereinigten Zollvereinsregierungen zu einer Konferenz nach München ein,<lb/>
damit diese Delegirten beriethen, was unter so bewandten Umständen zu thun<lb/>
sei. Es war eine sehr rathlose Versammlung. Sie ging unverrichteter Dinge<lb/>
nach Hause. Sie wußte nur, daß das sehr schlimm, aber nicht, wie zu helfen<lb/>
sei. An den Zollverein, an das Wirtschaftsleben, daran, daß die Leute essen<lb/>
und trinken, wohnen und sich kleiden wollen und deshalb auch arbeiten und<lb/>
absetzen, importiren und exportiren müssen, scheinen die Staatsweisen der süd-<lb/>
westdeutschen Gruppe gar nicht gedacht zu haben, als sie sich kopfüber in den<lb/>
Krieg für Oestreich stürzten. &#x201E;Ich habe kein Brod für mich und die Meinigen,"<lb/>
klagte der Dorfschulmeister. &#x201E;I. so essen Sie. doch Kuchen/' erwiderte der dicke<lb/>
Consistorialrath. In dem vorliegenden Falle bleibt es indeß keineswegs bei<lb/>
dem &#x201E;?Iketuirtur ^clrivi", sondern die &#x201E;Reges", d. b. die Regierungen bekom¬<lb/>
men doch auch etwas dabei ab. Preußen hat. ausgehend von der richtigen<lb/>
Voraussetzung, daß die Verträge durch den Krieg &#x2014; natürlich unbeschadet der<lb/>
Möglichkeit, sie nach Beendigung des Krieges zu erneuern oder wieder aufzu¬<lb/>
nehmen, was um so leichter sein wird, je schneller der Krieg zu-Ende geht &#x2014;<lb/>
vorerst aufgehoben sind, diejenigen Zahlungen, welche es aus der gemeinschaft¬<lb/>
lichen Zvllkcisse an die Regierungen zu leisten hat, welche mit ihm im Kriege<lb/>
sind, eingestellt. Dies trifft am härtesten Bayern, Würtemberg und Hessen-<lb/>
Darmstadt, welche in die Zolllasse viel weniger einzahlen, als sie alljährlich<lb/>
daraus erhalten. Nehmen wir als Beispiel das Jahr 1864. das so ziemlich<lb/>
normale Verhältnisse zeigt. Für dieses Jahr sind von den Mehreinnahmen, die<lb/>
durch Preußen, Sachsen. Braunschweig u. s. w. erzielt wurden, an die Süd¬<lb/>
staaten herausbczahlt worden:</p><lb/>
          <list>
            <item> 1. an Bayern 1,701.163 Thlr.</item>
            <item> 2. an Würtemberg    541.783 -</item>
            <item> 3. an Hessen-Darmstadt__   5,570 -</item>
            <item> 2.248.616 Thlr.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1883" next="#ID_1884"> Im Durchschnitt erhielten diese Regierungen nach den bisherigen Zoll¬<lb/>
vereinsverträgen jährlich drei bis vier Millionen Gulden mehr, als ihnen nach<lb/>
ihrer realen Consumtion und nach den Zöllen, die ihre eigenen Unterthanen<lb/>
entrichten, zukam. Der Kopf der Bevölkerung in Nord- und Mitteldeutschland,<lb/>
d. h. in den dort gelegenen Zollvcreinsländern zahlt durchschnittlich per Jahr<lb/>
in die.Zollkasse 0.792 Thaler, der Kopf in den Südstaaten nur 0.456 Thaler.<lb/>
Der Consum zollpflichtiger Gegenstände ist sonach im Norden 42 Procent stärker.<lb/>
Obgleich also der Norden weit stärkere Laste'n trägt, nimmt der Süden in glei¬<lb/>
chem Maße wie der Norden an den Einnahmen Theil. Auf den Kopf im</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0528] hängnißvolle Beschluß vom 14. Juni ist der Krieg; wer den Krieg ankündigt, kündigt den Zollverein auf. Bayern lud darauf im Juni Zoll- und Steuerbeamte der im Rumpfbundes¬ tag vereinigten Zollvereinsregierungen zu einer Konferenz nach München ein, damit diese Delegirten beriethen, was unter so bewandten Umständen zu thun sei. Es war eine sehr rathlose Versammlung. Sie ging unverrichteter Dinge nach Hause. Sie wußte nur, daß das sehr schlimm, aber nicht, wie zu helfen sei. An den Zollverein, an das Wirtschaftsleben, daran, daß die Leute essen und trinken, wohnen und sich kleiden wollen und deshalb auch arbeiten und absetzen, importiren und exportiren müssen, scheinen die Staatsweisen der süd- westdeutschen Gruppe gar nicht gedacht zu haben, als sie sich kopfüber in den Krieg für Oestreich stürzten. „Ich habe kein Brod für mich und die Meinigen," klagte der Dorfschulmeister. „I. so essen Sie. doch Kuchen/' erwiderte der dicke Consistorialrath. In dem vorliegenden Falle bleibt es indeß keineswegs bei dem „?Iketuirtur ^clrivi", sondern die „Reges", d. b. die Regierungen bekom¬ men doch auch etwas dabei ab. Preußen hat. ausgehend von der richtigen Voraussetzung, daß die Verträge durch den Krieg — natürlich unbeschadet der Möglichkeit, sie nach Beendigung des Krieges zu erneuern oder wieder aufzu¬ nehmen, was um so leichter sein wird, je schneller der Krieg zu-Ende geht — vorerst aufgehoben sind, diejenigen Zahlungen, welche es aus der gemeinschaft¬ lichen Zvllkcisse an die Regierungen zu leisten hat, welche mit ihm im Kriege sind, eingestellt. Dies trifft am härtesten Bayern, Würtemberg und Hessen- Darmstadt, welche in die Zolllasse viel weniger einzahlen, als sie alljährlich daraus erhalten. Nehmen wir als Beispiel das Jahr 1864. das so ziemlich normale Verhältnisse zeigt. Für dieses Jahr sind von den Mehreinnahmen, die durch Preußen, Sachsen. Braunschweig u. s. w. erzielt wurden, an die Süd¬ staaten herausbczahlt worden: 1. an Bayern 1,701.163 Thlr. 2. an Würtemberg 541.783 - 3. an Hessen-Darmstadt__ 5,570 - 2.248.616 Thlr. Im Durchschnitt erhielten diese Regierungen nach den bisherigen Zoll¬ vereinsverträgen jährlich drei bis vier Millionen Gulden mehr, als ihnen nach ihrer realen Consumtion und nach den Zöllen, die ihre eigenen Unterthanen entrichten, zukam. Der Kopf der Bevölkerung in Nord- und Mitteldeutschland, d. h. in den dort gelegenen Zollvcreinsländern zahlt durchschnittlich per Jahr in die.Zollkasse 0.792 Thaler, der Kopf in den Südstaaten nur 0.456 Thaler. Der Consum zollpflichtiger Gegenstände ist sonach im Norden 42 Procent stärker. Obgleich also der Norden weit stärkere Laste'n trägt, nimmt der Süden in glei¬ chem Maße wie der Norden an den Einnahmen Theil. Auf den Kopf im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/528
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/528>, abgerufen am 22.07.2024.