Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.Lang mit bewaffneten Männern. Ein nassauischer Offizier eröffnete ihm, er sei Unterwegs insultirte man Herrn Lang, der ein wenig an Podagra leidet Lang mit bewaffneten Männern. Ein nassauischer Offizier eröffnete ihm, er sei Unterwegs insultirte man Herrn Lang, der ein wenig an Podagra leidet <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286031"/> <p xml:id="ID_1544" prev="#ID_1543"> Lang mit bewaffneten Männern. Ein nassauischer Offizier eröffnete ihm, er sei<lb/> „Kriegsgefangener". Gleichwohl war in Nassau weder Kriegs, noch Stand¬<lb/> recht verkündigt. Die ordentlichen Behörden, namentlich auch die Gerichte,<lb/> hatten keinen Augenblick aufgehört zu fungiren. Allein der verhaftende Offizier<lb/> ließ sich darauf nicht ein. Er mahnte zur Eile. Er ließ Herrn Lang nicht<lb/> einmal Zeit, sich mit einem Rock und einer Kopfbedeckung zu versehen. In<lb/> halbangekleidetem Zustande wurde er durch das Dunkel der Nacht nach der<lb/> „Schanze" geschleppt, einem einsamen Gehöfte auf der Spitze des Bergrückens.<lb/> Dort hatte der Gcneralbrigadier Noth sein Hauptquartier. Er ist einer von<lb/> unseren zehn nassauischen Generalen (auf 6,000 Mann) und neben dem Herrn<lb/> Werren und den Generalen v. Holbach und v. Ziemie^ky eine der Hauptstützen,<lb/> unserer klerikal-östreichischen Camarilla, Schwabe von Geburt und durch Em¬<lb/> pfehlung der verstorbenen Herzogin Pauline, einer würtembergischen Prinzessin<lb/> hierher importirt. , In seiner Jugend hatte er unter den Banden des Don<lb/> Karlos in Spanien gedient und von diesem Prätendenten, der reichlicher mit<lb/> Orden als mit Geld gesegnet war, so viel Decorationen erhalten, daß<lb/> seine Brust kaum noch Platz für Weiteres hatte; man traute ihm deshalb<lb/> eine außerordentliche Kriegserfahrung zu. Er erhielt jedoch spater, an der<lb/> Tauber und am Main, Gelegenheit, den Beweis zu führen, daß man sich<lb/> geirrt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1545"> Unterwegs insultirte man Herrn Lang, der ein wenig an Podagra leidet<lb/> und deshalb langsam ging, mit den Worten: „Dem muß man den Kolben in<lb/> die Seite stoßen, damit er schneller gehen lernt!" Auf der „Schanze" angelangt,<lb/> wurde er dem General Roth vorgeführt, der ihn mit spanischer Grandezza em¬<lb/> pfing. Lang war begierig, den Grund seiner Verhaftung zu hören. Denn daß<lb/> er der Bruder eines liberalen Abgeordneten und selber bei den ewigen Auf¬<lb/> lösungen und Neuwahlen des Landtags, welche die letzten, von Herrn Werren<lb/> inaugurirten Blätter der Geschichte des Herzogthums Nassau anfüllen, sehr<lb/> eifrig für die liberale und nationale Sache thätig war, das konnte, obwohl er<lb/> dadurch den Haß der klerikalen Camarille auf sich geladen, ihm doch nicht wohl<lb/> officiell als Haftursache bezeichnet werden. Er war sehr erstaunt, aus dem<lb/> Munde des Generals zu hören, er sei verhaftet unter der schweren Anschuldigung,<lb/> den preußischen Husaren eine Flasche Bier verabreicht und sich dadurch des<lb/> Verdachtes der Spionage verdächtig gemacht zu haben. Glücklicherweise ver¬<lb/> mochte Herr Lang sofort nachzuweisen, daß er zu der Zeit, als jene Husaren in<lb/> seinem Hause tranken, gar nicht daheim war; und da er auch nicht unterließ,<lb/> in sehr ernster und eindringlicher Weise den General an das „Noäis wilii,<lb/> «räh tibi" zu erinnern, so wurde ihm die Freiheit wiedergegeben, mit der Er¬<lb/> laubniß, durch das Dunkel der Nacht und der Wälder seinen Heimweg zu suchen.<lb/> Das geschah in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0443]
Lang mit bewaffneten Männern. Ein nassauischer Offizier eröffnete ihm, er sei
„Kriegsgefangener". Gleichwohl war in Nassau weder Kriegs, noch Stand¬
recht verkündigt. Die ordentlichen Behörden, namentlich auch die Gerichte,
hatten keinen Augenblick aufgehört zu fungiren. Allein der verhaftende Offizier
ließ sich darauf nicht ein. Er mahnte zur Eile. Er ließ Herrn Lang nicht
einmal Zeit, sich mit einem Rock und einer Kopfbedeckung zu versehen. In
halbangekleidetem Zustande wurde er durch das Dunkel der Nacht nach der
„Schanze" geschleppt, einem einsamen Gehöfte auf der Spitze des Bergrückens.
Dort hatte der Gcneralbrigadier Noth sein Hauptquartier. Er ist einer von
unseren zehn nassauischen Generalen (auf 6,000 Mann) und neben dem Herrn
Werren und den Generalen v. Holbach und v. Ziemie^ky eine der Hauptstützen,
unserer klerikal-östreichischen Camarilla, Schwabe von Geburt und durch Em¬
pfehlung der verstorbenen Herzogin Pauline, einer würtembergischen Prinzessin
hierher importirt. , In seiner Jugend hatte er unter den Banden des Don
Karlos in Spanien gedient und von diesem Prätendenten, der reichlicher mit
Orden als mit Geld gesegnet war, so viel Decorationen erhalten, daß
seine Brust kaum noch Platz für Weiteres hatte; man traute ihm deshalb
eine außerordentliche Kriegserfahrung zu. Er erhielt jedoch spater, an der
Tauber und am Main, Gelegenheit, den Beweis zu führen, daß man sich
geirrt habe.
Unterwegs insultirte man Herrn Lang, der ein wenig an Podagra leidet
und deshalb langsam ging, mit den Worten: „Dem muß man den Kolben in
die Seite stoßen, damit er schneller gehen lernt!" Auf der „Schanze" angelangt,
wurde er dem General Roth vorgeführt, der ihn mit spanischer Grandezza em¬
pfing. Lang war begierig, den Grund seiner Verhaftung zu hören. Denn daß
er der Bruder eines liberalen Abgeordneten und selber bei den ewigen Auf¬
lösungen und Neuwahlen des Landtags, welche die letzten, von Herrn Werren
inaugurirten Blätter der Geschichte des Herzogthums Nassau anfüllen, sehr
eifrig für die liberale und nationale Sache thätig war, das konnte, obwohl er
dadurch den Haß der klerikalen Camarille auf sich geladen, ihm doch nicht wohl
officiell als Haftursache bezeichnet werden. Er war sehr erstaunt, aus dem
Munde des Generals zu hören, er sei verhaftet unter der schweren Anschuldigung,
den preußischen Husaren eine Flasche Bier verabreicht und sich dadurch des
Verdachtes der Spionage verdächtig gemacht zu haben. Glücklicherweise ver¬
mochte Herr Lang sofort nachzuweisen, daß er zu der Zeit, als jene Husaren in
seinem Hause tranken, gar nicht daheim war; und da er auch nicht unterließ,
in sehr ernster und eindringlicher Weise den General an das „Noäis wilii,
«räh tibi" zu erinnern, so wurde ihm die Freiheit wiedergegeben, mit der Er¬
laubniß, durch das Dunkel der Nacht und der Wälder seinen Heimweg zu suchen.
Das geschah in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli.
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