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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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August habe ohne die Idee des lebendigen Gesetzes regiert, seine "stillstehenden
Tugenden" paßten nur für. eine kleine und schwunglost Zeit.*) Bei solcher
Bosheit ist es Erquickung, der patriotischen Demonstration zu gedenken, die
wir neulich hier gefeiert haben, trotz aller Unterdrückung. Der Wirth Von
Cosels Garten hatte zum 3. August, dem Namensscste unsres Königs, Illumi-
nation und Concert angezeigt. Die Polizei verbot natürlich alles Außergewöhn¬
liche. Aber die Getreuen ljeßen sich dadurch nicht abschrecken. "Kaum war
der Mondaufgang und der seiger neun durch die Stadtglocken erfolgt, so fiel
ein Pistolenschuß im Garten und bald darauf singen auf dem jenseitigen Elb-
ufer die vertheilten Landvatroncn an ihre Schläge hören zu lassen. Nun Jubel
und Hochrufe auf unsern König und die entfernten Lieblinge. Der General-
polizcidirector hielt für gut, sich mit dem Stadtpolizcipräsidenten wegzubegeben.
Ohne Störung, ohne Unglück, ohne bedenkliche Unruhe endete dieser schöne
Abend, der ein treues Bild sächsischer Treue, Beharrlichkeit. Ordnung und
Mäßigkeit darstellte." Es fehlt auch nicht an loyalen Stimmen. In seinem
Sendschreiben an den König von Sachsen (betitelt "Sachsens Wiedergeburt")
hat Grävell das rechte Losungswort ausgesprochen: "Wenn Vorwalten der
Vernunft vor allen Seelenkräflen und Achtung des Rechtes den deutschen Na¬
tionalcharakter von dem Geiste andrer Nationen vorzüglich unterscheidet, so sind
Eure Majestät der einzige deutsche Fürst in Deutschland."

6. 16. September 1814. Unser Gruß ist nicht mehr: wie gehts? -- sondern:
wann kommt Er? In Thüringen und den Lausitzer bereiten die Stände Sup-
pliken vor; sogar die Armee am Rhein ist zur Einsicht ihrer Verirrung gelangt.
Sie hat Versicherung ihrer unverbrüchlichen Treue und ihrer blos auf Friedrich
August gerichteten Wünsche gegeben. Hier trägt man Zierathen und Ringe in
Eisen mit dem Brustbilde des Königs. Die berliner (!) Eisengußfabrik macht
großen Absatz davon. Die erfreulichen Kundgebungen in der Tagesliteratur
mehren sich. Die "Apologie als ?r<Zä6rie ^ug." (von Arelim), die "Lottro
ä, un Laxon sur 1a rÄlitiZAiation as ig. 8axs" (von Legationsrath Bieder¬
mann), "der aufrichtige Sachse an seine deutschen Mitbrüder", "die Stimme
deutscher Patrioten für Sachsen" sind wahre Wohlthaten. Das Schriftchen
"Sachsen und Preußen" (von Arelim) weist die schamlosen Anmaßungen unsrer
Feinde treffend zurück. Tägliche Erfahrung prägt unsren Unterdrückern die
Wahrheit seines Cardinalsatzes ein: "Zwischen Preußen und Sachsen könnte
ebenso wenig gegenseitige Freundschaft und Zutrauen bestehen wie zwischen dem
Schlächter und Schlachtopfer." Solcher Zuspruch ist nöthig; denn um uns her
sieht es noch traurig genug aus. "Sogar ein untertäniges Promemoria an



') "Also fromme, redliche, milde, unschuldige, nicht durch Militärspielungcn verwöhnte
Prinzen gehören zu den mittelmäßigen! Nun dann wollen wir uns nur alle der Mittelmäßig¬
keit befleißen!" -- wird auf ähnliche Behauptungen eines andern Scribenten geantwortet.

August habe ohne die Idee des lebendigen Gesetzes regiert, seine „stillstehenden
Tugenden" paßten nur für. eine kleine und schwunglost Zeit.*) Bei solcher
Bosheit ist es Erquickung, der patriotischen Demonstration zu gedenken, die
wir neulich hier gefeiert haben, trotz aller Unterdrückung. Der Wirth Von
Cosels Garten hatte zum 3. August, dem Namensscste unsres Königs, Illumi-
nation und Concert angezeigt. Die Polizei verbot natürlich alles Außergewöhn¬
liche. Aber die Getreuen ljeßen sich dadurch nicht abschrecken. „Kaum war
der Mondaufgang und der seiger neun durch die Stadtglocken erfolgt, so fiel
ein Pistolenschuß im Garten und bald darauf singen auf dem jenseitigen Elb-
ufer die vertheilten Landvatroncn an ihre Schläge hören zu lassen. Nun Jubel
und Hochrufe auf unsern König und die entfernten Lieblinge. Der General-
polizcidirector hielt für gut, sich mit dem Stadtpolizcipräsidenten wegzubegeben.
Ohne Störung, ohne Unglück, ohne bedenkliche Unruhe endete dieser schöne
Abend, der ein treues Bild sächsischer Treue, Beharrlichkeit. Ordnung und
Mäßigkeit darstellte." Es fehlt auch nicht an loyalen Stimmen. In seinem
Sendschreiben an den König von Sachsen (betitelt „Sachsens Wiedergeburt")
hat Grävell das rechte Losungswort ausgesprochen: „Wenn Vorwalten der
Vernunft vor allen Seelenkräflen und Achtung des Rechtes den deutschen Na¬
tionalcharakter von dem Geiste andrer Nationen vorzüglich unterscheidet, so sind
Eure Majestät der einzige deutsche Fürst in Deutschland."

6. 16. September 1814. Unser Gruß ist nicht mehr: wie gehts? — sondern:
wann kommt Er? In Thüringen und den Lausitzer bereiten die Stände Sup-
pliken vor; sogar die Armee am Rhein ist zur Einsicht ihrer Verirrung gelangt.
Sie hat Versicherung ihrer unverbrüchlichen Treue und ihrer blos auf Friedrich
August gerichteten Wünsche gegeben. Hier trägt man Zierathen und Ringe in
Eisen mit dem Brustbilde des Königs. Die berliner (!) Eisengußfabrik macht
großen Absatz davon. Die erfreulichen Kundgebungen in der Tagesliteratur
mehren sich. Die „Apologie als ?r<Zä6rie ^ug." (von Arelim), die „Lottro
ä, un Laxon sur 1a rÄlitiZAiation as ig. 8axs" (von Legationsrath Bieder¬
mann), „der aufrichtige Sachse an seine deutschen Mitbrüder", „die Stimme
deutscher Patrioten für Sachsen" sind wahre Wohlthaten. Das Schriftchen
„Sachsen und Preußen" (von Arelim) weist die schamlosen Anmaßungen unsrer
Feinde treffend zurück. Tägliche Erfahrung prägt unsren Unterdrückern die
Wahrheit seines Cardinalsatzes ein: „Zwischen Preußen und Sachsen könnte
ebenso wenig gegenseitige Freundschaft und Zutrauen bestehen wie zwischen dem
Schlächter und Schlachtopfer." Solcher Zuspruch ist nöthig; denn um uns her
sieht es noch traurig genug aus. „Sogar ein untertäniges Promemoria an



') „Also fromme, redliche, milde, unschuldige, nicht durch Militärspielungcn verwöhnte
Prinzen gehören zu den mittelmäßigen! Nun dann wollen wir uns nur alle der Mittelmäßig¬
keit befleißen!" — wird auf ähnliche Behauptungen eines andern Scribenten geantwortet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/400>, abgerufen am 22.07.2024.