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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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rothe der Cadets gegen die blaue vertauscht, der Schweizergarde die Auflösung
angekündigt; ja sogar die Jagdreviere des Königs, bis auf die dresdner und
moritzer Haide verpachtet! Nur der Glaube an den Weltregierer, dem Friedrich
August seine selbst gestifteten Hausorden gewidmet hat, hilft trösten und tragen.
Im Naturaliencabinet trinken russische Soldaten den Spiritus aus den Gläsern,
in denen die Reptilien aufbewahrt sind!

<!. 14, April 1814. Osterbetrachtungen zu dem Motto: Der Frühling ist
da; aber kein königlich sächsischer! Was ist uns das Osterfest ohne den er¬
hebenden Anblick unsrer Königsfamilie, wie sie mit frommer Inbrunst die Ge¬
bräuche ihrer Kirche befolgt! Kein Freudenfest, worüber könnten wir uns freuen!
"Das Schicksal eines eroberten und als solches behandelten Landes lastet hart
auf jedem, welcher Gefühl und Dankbarkeit für die milde Negierung unsres
väterlichen Königs, und unbefangene Besonnenheit besitzt, um den allgemeinen
Jubelruf über das bessere Loos, >das Deutschland gefallen sein soll, mit unsern
Erfahrungen zu vergleichen." So haben die Franzosen nicht gewuthschaftet
wie dieses provisorische Gouvernement. Nicht Repnin ist anzuklagen; er ist nur
Statist, hinter welchem entweder die Rotte sächsischer Verschwörer oder aber
der Minister Stein arbeitet. -- Die Verbündeten sind in Paris eingezogen:
empörende Festlichkeiten müssen wir mit ansehen, bei dem trostlosen Zustande
des Landes! Und welche elende Schmeichelei gegen den russischen Statthalter.
Sogar das Crucifix auf der Elbbrücke, das wieder aufgerichtet ist, muß dem
Kaiser Alexander als Wiederherstellet lobhudeln.

ä. 13. Mai 1814. Bedrückungen, Absetzungen, Gehaltsverkürzungen, das
ist unsre Tagesordnung, und dazu alle Augenblicke Feuerwerk! Neue Monturen
für das Personal des Forst- und Jagdwesens; das Generaltriegsgerichtscollcgium
aufgehoben, statt dessen eine Kriegsverwaltungskammcr! Warum den Krieg
auch noch in Verwaltung geben; ist er nicht da. so kann er nicht verwaltet
werden; ist er aber da, dann laßt ihn uns lieber beenden! Aber endlich einmal
ein Lichtblick: man spricht von dem bevorstehenden Zusammentritt der Land-
stände in Leipzig, die bei den verbündeten Mächten um Rückkehr des Königs
bitten sollen.

ä. 10. Juni 1814. Wieder bittre Täuschung. Der Friede ist in Paris
geschlossen, aber unser Schicksal noch unbestimmt. Hat Frankreich uns vergessen?
So sind wir denn auf den Congreß verwiesen und bis dahin bleiben wir in
russischer Obhut. Der Gouverneur richtet sich auf einen langen Aufenthalt
ein. Er ist mit seinem Gefolge nach Pillnitz gezogen. Auf dem Schloßplatze
läßt er eine Freitreppe zum drusischen Garten hinauf bauen; auch andre Bauten
entstehen oben auf der Terrasse; "gleich als wenn Sachsen noch sein goldnes
Zeitalter hatte!" Im vorigen Monat wurde gedroht, wenn nicht binnen vier¬
undzwanzig Stunden 10,000 Thaler geschafft würden, sollte die seit einiger


rothe der Cadets gegen die blaue vertauscht, der Schweizergarde die Auflösung
angekündigt; ja sogar die Jagdreviere des Königs, bis auf die dresdner und
moritzer Haide verpachtet! Nur der Glaube an den Weltregierer, dem Friedrich
August seine selbst gestifteten Hausorden gewidmet hat, hilft trösten und tragen.
Im Naturaliencabinet trinken russische Soldaten den Spiritus aus den Gläsern,
in denen die Reptilien aufbewahrt sind!

<!. 14, April 1814. Osterbetrachtungen zu dem Motto: Der Frühling ist
da; aber kein königlich sächsischer! Was ist uns das Osterfest ohne den er¬
hebenden Anblick unsrer Königsfamilie, wie sie mit frommer Inbrunst die Ge¬
bräuche ihrer Kirche befolgt! Kein Freudenfest, worüber könnten wir uns freuen!
„Das Schicksal eines eroberten und als solches behandelten Landes lastet hart
auf jedem, welcher Gefühl und Dankbarkeit für die milde Negierung unsres
väterlichen Königs, und unbefangene Besonnenheit besitzt, um den allgemeinen
Jubelruf über das bessere Loos, >das Deutschland gefallen sein soll, mit unsern
Erfahrungen zu vergleichen." So haben die Franzosen nicht gewuthschaftet
wie dieses provisorische Gouvernement. Nicht Repnin ist anzuklagen; er ist nur
Statist, hinter welchem entweder die Rotte sächsischer Verschwörer oder aber
der Minister Stein arbeitet. — Die Verbündeten sind in Paris eingezogen:
empörende Festlichkeiten müssen wir mit ansehen, bei dem trostlosen Zustande
des Landes! Und welche elende Schmeichelei gegen den russischen Statthalter.
Sogar das Crucifix auf der Elbbrücke, das wieder aufgerichtet ist, muß dem
Kaiser Alexander als Wiederherstellet lobhudeln.

ä. 13. Mai 1814. Bedrückungen, Absetzungen, Gehaltsverkürzungen, das
ist unsre Tagesordnung, und dazu alle Augenblicke Feuerwerk! Neue Monturen
für das Personal des Forst- und Jagdwesens; das Generaltriegsgerichtscollcgium
aufgehoben, statt dessen eine Kriegsverwaltungskammcr! Warum den Krieg
auch noch in Verwaltung geben; ist er nicht da. so kann er nicht verwaltet
werden; ist er aber da, dann laßt ihn uns lieber beenden! Aber endlich einmal
ein Lichtblick: man spricht von dem bevorstehenden Zusammentritt der Land-
stände in Leipzig, die bei den verbündeten Mächten um Rückkehr des Königs
bitten sollen.

ä. 10. Juni 1814. Wieder bittre Täuschung. Der Friede ist in Paris
geschlossen, aber unser Schicksal noch unbestimmt. Hat Frankreich uns vergessen?
So sind wir denn auf den Congreß verwiesen und bis dahin bleiben wir in
russischer Obhut. Der Gouverneur richtet sich auf einen langen Aufenthalt
ein. Er ist mit seinem Gefolge nach Pillnitz gezogen. Auf dem Schloßplatze
läßt er eine Freitreppe zum drusischen Garten hinauf bauen; auch andre Bauten
entstehen oben auf der Terrasse; „gleich als wenn Sachsen noch sein goldnes
Zeitalter hatte!" Im vorigen Monat wurde gedroht, wenn nicht binnen vier¬
undzwanzig Stunden 10,000 Thaler geschafft würden, sollte die seit einiger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/398>, abgerufen am 22.07.2024.