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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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und befohlen wurde. Es wurden ganz übernatürliche Kapacitäten vorausgesetzt,
die das alles fassen und behalten sollten. So geschah es denn auch, daß eine
Menge Adjutanten, Ordonnanzen, Schreiber und andere höhere und niedere dienst¬
bare Geister in die verschiedenen Bureaux commandirt war, und es war ein
buntes Gewimmel in den Arbeitsräumen und Vorplätzen. -- Die Truppen hatten
anfangs starken Dienst und kamen wenig aus dem Geschirr. Mit den paar
Tausenden mußten, wenn auch nur spärlich, die Werke, Wachen und Posten be¬
setzt werden. Der Mangel an Cavalerie wurde besonders fühlbar, denn zum
Patrouilliren gebraucht der Infanterist selbstverständlich mehr Zeit als der Reiter.
So blieben denn zum Recognosciren ausgesendete Patrouillen gewöhnlich fünf
bis sechs Stunden aus. Die Patrouillen wurden natürlich zur Nachtzeit, bei
vermutheter Annäherung des Gegners, vermehrt und bis zu ihrer Rückkehr
blieben gewöhnlich sämmtliche Truppen in den Kasernen consignirt. Das währte
mitunter von Nachmittags bis gegen Morgen. Dazu kam noch, daß eine An¬
zahl Mannschaften von jedem Contingent zur Geschützbedienung herangezogen
und darin geübt wurde. Die Hand voll Artilleristen, welche vorhanden war,
reichte bei weitem nicht aus. Diese, sowie die Geniesoldaten hatten mit anderen
Dingen, namentlich Instandsetzung der Geschütze, den Erdarbeiten und anderem
vollauf zu thun. Zumal diese Mannschaften mußten tüchtig daran. Die kräf¬
tigen Bayern vor andern arbeiteten unverdrossen wie die Bären. Auch die
Offiziere traf der Dienst sehr, da bei manchen Kontingenten die Stellen bis¬
weilen nicht vollzählig besetzt waren, namentlich bei Bayern und Meiningern.
Außerdem waren noch mehre von ihren Truppentheilen zu anderen Zwecken
abcommandirt. In den bayerischen Bataillonen konnte man viele alte Kapitäne
und blutjunge Lieutenants bemerken, an denen noch die Eierschale des Cadetten-
hauses hing.

Eine wesentliche Erleichterung des Dienstes und mehr Sicherheit für das
Ganze trat mit der Ankunft der dessen-kasselschen Truppen ein, die in den letzten
Tagen des Juni in die Stadt einrückten. Wo kommen die her? fragte man all¬
gemein, denn man hatte ihre Ankunft gar nicht geahnt. Gott Lob! hieß es,
jetzt ist auch Cavalerie und Fcldartillerie da. -- Die Diviston, zwischen
11-12,000 Mann stark und in allem, bis auf die Gewehre, trefflich aus¬
gerüstet und geschult, Ivar ein Zuwachs, der auch sanguinische Erwartungen der
kleinen Besatzung überstieg. Es waren fünf Jnsantcriercgimenter, zwei Jäger¬
bataillone, zwei Regimenter Husaren, zwei Schwadronen Gardes du Corps, eine
Feldbatterie, ein Pontontrain u. s. w. Der Gouverneur und der Commandant
athmeten nun freier, denn wie ein Alp mußte der Gedanke bisher auf ihnen
lasten: wo Mannschaften hernehmen und nicht stehlen? Die kleineren Staaten
konnten nicht mehr über ihre Truppen verfügen, die Mittelstaaten wollten die
ihren nicht mehr zersplittern. Niemand war so gefällig, für die Bundesfestung


und befohlen wurde. Es wurden ganz übernatürliche Kapacitäten vorausgesetzt,
die das alles fassen und behalten sollten. So geschah es denn auch, daß eine
Menge Adjutanten, Ordonnanzen, Schreiber und andere höhere und niedere dienst¬
bare Geister in die verschiedenen Bureaux commandirt war, und es war ein
buntes Gewimmel in den Arbeitsräumen und Vorplätzen. — Die Truppen hatten
anfangs starken Dienst und kamen wenig aus dem Geschirr. Mit den paar
Tausenden mußten, wenn auch nur spärlich, die Werke, Wachen und Posten be¬
setzt werden. Der Mangel an Cavalerie wurde besonders fühlbar, denn zum
Patrouilliren gebraucht der Infanterist selbstverständlich mehr Zeit als der Reiter.
So blieben denn zum Recognosciren ausgesendete Patrouillen gewöhnlich fünf
bis sechs Stunden aus. Die Patrouillen wurden natürlich zur Nachtzeit, bei
vermutheter Annäherung des Gegners, vermehrt und bis zu ihrer Rückkehr
blieben gewöhnlich sämmtliche Truppen in den Kasernen consignirt. Das währte
mitunter von Nachmittags bis gegen Morgen. Dazu kam noch, daß eine An¬
zahl Mannschaften von jedem Contingent zur Geschützbedienung herangezogen
und darin geübt wurde. Die Hand voll Artilleristen, welche vorhanden war,
reichte bei weitem nicht aus. Diese, sowie die Geniesoldaten hatten mit anderen
Dingen, namentlich Instandsetzung der Geschütze, den Erdarbeiten und anderem
vollauf zu thun. Zumal diese Mannschaften mußten tüchtig daran. Die kräf¬
tigen Bayern vor andern arbeiteten unverdrossen wie die Bären. Auch die
Offiziere traf der Dienst sehr, da bei manchen Kontingenten die Stellen bis¬
weilen nicht vollzählig besetzt waren, namentlich bei Bayern und Meiningern.
Außerdem waren noch mehre von ihren Truppentheilen zu anderen Zwecken
abcommandirt. In den bayerischen Bataillonen konnte man viele alte Kapitäne
und blutjunge Lieutenants bemerken, an denen noch die Eierschale des Cadetten-
hauses hing.

Eine wesentliche Erleichterung des Dienstes und mehr Sicherheit für das
Ganze trat mit der Ankunft der dessen-kasselschen Truppen ein, die in den letzten
Tagen des Juni in die Stadt einrückten. Wo kommen die her? fragte man all¬
gemein, denn man hatte ihre Ankunft gar nicht geahnt. Gott Lob! hieß es,
jetzt ist auch Cavalerie und Fcldartillerie da. — Die Diviston, zwischen
11-12,000 Mann stark und in allem, bis auf die Gewehre, trefflich aus¬
gerüstet und geschult, Ivar ein Zuwachs, der auch sanguinische Erwartungen der
kleinen Besatzung überstieg. Es waren fünf Jnsantcriercgimenter, zwei Jäger¬
bataillone, zwei Regimenter Husaren, zwei Schwadronen Gardes du Corps, eine
Feldbatterie, ein Pontontrain u. s. w. Der Gouverneur und der Commandant
athmeten nun freier, denn wie ein Alp mußte der Gedanke bisher auf ihnen
lasten: wo Mannschaften hernehmen und nicht stehlen? Die kleineren Staaten
konnten nicht mehr über ihre Truppen verfügen, die Mittelstaaten wollten die
ihren nicht mehr zersplittern. Niemand war so gefällig, für die Bundesfestung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/370>, abgerufen am 22.07.2024.