Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Konnten es nicht ebenso gut Preußen sein, von denen eine Ueberrumpelung
damals leicht zu erwarten war? Es wurde also vom nächsten Tage an eine
Wache auf dem Bahnhof aufgestellt und die Thore geschlossen. Da letzteres
lange nicht geschehen war, so soll man hier und da auf nicht unerhebliche
Schwierigkeiten gestoßen sein, indem wegen verrosteter Angeln und Schlösser.
Senkungen und so weiter, nichts recht klappen wollte und Stunden sollen darüber
hingegangen sein.

Dem bisherigen Gouverneur und Commandanten wurde bei ihrem Abgange
alle Ehre erwiesen und sämmtliche Offiziercorps fanden sich dazu auf dem Bahn¬
höfe ein. Besonders herzlich war der Abschied vom Prinzen von Holstein, der
einige Tage früher abreiste. Auch viel Mainzer Herren und Damen hatten sich
dazu eingefunden. Als der Prinz bereits im Waggon saß, kletterten noch
mehre östreichische Offiziere zu ihm hinein und schüttelten ihm die Hand.

Am 22. Juni hielt der neue Gouverneur eine Revue über sämmtliche Trup¬
pen ab. Es waren zwei Bataillone Bayern, drei Bataillone Weimaraner, zwei
Bataillone Meininger, zwei Compagnien bückeburger Jäger und noch eine baye¬
rische Festungsartillerie- und Geniecompagnie. Die Truppen waren ziemlich ge¬
drängt auf dem schönen Schloßplatz aufgestellt mit Musik und Fahnen im
Paradeanzuge. Der Festungscommandant, Oberst v. Buch, commandirte das
Ganze. Es ging alles ziemlich rasch vorüber, was vielleicht zum Theil dem
Pferde des Gouverneurs zugeschrieben werden mag, das, solcher Schauspiele noch
ungewohnt, sehr verdächtige Bewegungen und Sätze machte. Schließlich defiiir-
ten die Truppen.

In den Bureaux des Gouverneurs wie des Commandanten hatten wahr¬
scheinlich die Vorgänger gut aufgeräumt. Verwundert klagte Graf Rechberg,
daß er keinen Plan, keine Karte, kein Reglement, kein Buch vorgefunden habe.
Alles sei in den Repofitorien seines Arbeitseabinetes wie ausgeblasen. Ein
Offizier erbat sich vom Commandanten ein Festungsreglement, um sich für den
Dienst instruiren zu können. Mit Achselzucken gestand der Ersuchte, daß er selbst
nur über ein Exemplar verfügen könne, solches aber nöthig gebrauche; doch
wolle er es auf einige Stunden ablassen. Es ist aber nicht dazu gekommen.
Es sollte ein neues Reglement gedruckt, vorher aber zur Prüfung eine Com¬
mission niedergesetzt werden. Auch darüber ist weiter nichts vernommen worden.
Statt dessen regnete es von Seiten der Kommandantur, des Festungs- und
Platzcommandos, der anderen Commandeure Befehle und bogenlange Instruktio¬
nen in Fülle, nicht selten wurde das, was Tags vorher befohlen war, wieder
aufgehoben oder verändert, natürlich ebenfalls schwarz auf weiß. Da sich nun
aber wegen des häufigen Wechselns der Truppen die Zahl derselben, das Unter¬
bringen in den Räumen, die Besetzung der Werke und Posten und anderes
immer wieder änderte, so kann man ungefähr ermessen, was alles geschrieben


Konnten es nicht ebenso gut Preußen sein, von denen eine Ueberrumpelung
damals leicht zu erwarten war? Es wurde also vom nächsten Tage an eine
Wache auf dem Bahnhof aufgestellt und die Thore geschlossen. Da letzteres
lange nicht geschehen war, so soll man hier und da auf nicht unerhebliche
Schwierigkeiten gestoßen sein, indem wegen verrosteter Angeln und Schlösser.
Senkungen und so weiter, nichts recht klappen wollte und Stunden sollen darüber
hingegangen sein.

Dem bisherigen Gouverneur und Commandanten wurde bei ihrem Abgange
alle Ehre erwiesen und sämmtliche Offiziercorps fanden sich dazu auf dem Bahn¬
höfe ein. Besonders herzlich war der Abschied vom Prinzen von Holstein, der
einige Tage früher abreiste. Auch viel Mainzer Herren und Damen hatten sich
dazu eingefunden. Als der Prinz bereits im Waggon saß, kletterten noch
mehre östreichische Offiziere zu ihm hinein und schüttelten ihm die Hand.

Am 22. Juni hielt der neue Gouverneur eine Revue über sämmtliche Trup¬
pen ab. Es waren zwei Bataillone Bayern, drei Bataillone Weimaraner, zwei
Bataillone Meininger, zwei Compagnien bückeburger Jäger und noch eine baye¬
rische Festungsartillerie- und Geniecompagnie. Die Truppen waren ziemlich ge¬
drängt auf dem schönen Schloßplatz aufgestellt mit Musik und Fahnen im
Paradeanzuge. Der Festungscommandant, Oberst v. Buch, commandirte das
Ganze. Es ging alles ziemlich rasch vorüber, was vielleicht zum Theil dem
Pferde des Gouverneurs zugeschrieben werden mag, das, solcher Schauspiele noch
ungewohnt, sehr verdächtige Bewegungen und Sätze machte. Schließlich defiiir-
ten die Truppen.

In den Bureaux des Gouverneurs wie des Commandanten hatten wahr¬
scheinlich die Vorgänger gut aufgeräumt. Verwundert klagte Graf Rechberg,
daß er keinen Plan, keine Karte, kein Reglement, kein Buch vorgefunden habe.
Alles sei in den Repofitorien seines Arbeitseabinetes wie ausgeblasen. Ein
Offizier erbat sich vom Commandanten ein Festungsreglement, um sich für den
Dienst instruiren zu können. Mit Achselzucken gestand der Ersuchte, daß er selbst
nur über ein Exemplar verfügen könne, solches aber nöthig gebrauche; doch
wolle er es auf einige Stunden ablassen. Es ist aber nicht dazu gekommen.
Es sollte ein neues Reglement gedruckt, vorher aber zur Prüfung eine Com¬
mission niedergesetzt werden. Auch darüber ist weiter nichts vernommen worden.
Statt dessen regnete es von Seiten der Kommandantur, des Festungs- und
Platzcommandos, der anderen Commandeure Befehle und bogenlange Instruktio¬
nen in Fülle, nicht selten wurde das, was Tags vorher befohlen war, wieder
aufgehoben oder verändert, natürlich ebenfalls schwarz auf weiß. Da sich nun
aber wegen des häufigen Wechselns der Truppen die Zahl derselben, das Unter¬
bringen in den Räumen, die Besetzung der Werke und Posten und anderes
immer wieder änderte, so kann man ungefähr ermessen, was alles geschrieben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285957"/>
          <p xml:id="ID_1105" prev="#ID_1104"> Konnten es nicht ebenso gut Preußen sein, von denen eine Ueberrumpelung<lb/>
damals leicht zu erwarten war? Es wurde also vom nächsten Tage an eine<lb/>
Wache auf dem Bahnhof aufgestellt und die Thore geschlossen. Da letzteres<lb/>
lange nicht geschehen war, so soll man hier und da auf nicht unerhebliche<lb/>
Schwierigkeiten gestoßen sein, indem wegen verrosteter Angeln und Schlösser.<lb/>
Senkungen und so weiter, nichts recht klappen wollte und Stunden sollen darüber<lb/>
hingegangen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1106"> Dem bisherigen Gouverneur und Commandanten wurde bei ihrem Abgange<lb/>
alle Ehre erwiesen und sämmtliche Offiziercorps fanden sich dazu auf dem Bahn¬<lb/>
höfe ein. Besonders herzlich war der Abschied vom Prinzen von Holstein, der<lb/>
einige Tage früher abreiste. Auch viel Mainzer Herren und Damen hatten sich<lb/>
dazu eingefunden. Als der Prinz bereits im Waggon saß, kletterten noch<lb/>
mehre östreichische Offiziere zu ihm hinein und schüttelten ihm die Hand.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1107"> Am 22. Juni hielt der neue Gouverneur eine Revue über sämmtliche Trup¬<lb/>
pen ab. Es waren zwei Bataillone Bayern, drei Bataillone Weimaraner, zwei<lb/>
Bataillone Meininger, zwei Compagnien bückeburger Jäger und noch eine baye¬<lb/>
rische Festungsartillerie- und Geniecompagnie. Die Truppen waren ziemlich ge¬<lb/>
drängt auf dem schönen Schloßplatz aufgestellt mit Musik und Fahnen im<lb/>
Paradeanzuge. Der Festungscommandant, Oberst v. Buch, commandirte das<lb/>
Ganze. Es ging alles ziemlich rasch vorüber, was vielleicht zum Theil dem<lb/>
Pferde des Gouverneurs zugeschrieben werden mag, das, solcher Schauspiele noch<lb/>
ungewohnt, sehr verdächtige Bewegungen und Sätze machte. Schließlich defiiir-<lb/>
ten die Truppen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1108" next="#ID_1109"> In den Bureaux des Gouverneurs wie des Commandanten hatten wahr¬<lb/>
scheinlich die Vorgänger gut aufgeräumt. Verwundert klagte Graf Rechberg,<lb/>
daß er keinen Plan, keine Karte, kein Reglement, kein Buch vorgefunden habe.<lb/>
Alles sei in den Repofitorien seines Arbeitseabinetes wie ausgeblasen. Ein<lb/>
Offizier erbat sich vom Commandanten ein Festungsreglement, um sich für den<lb/>
Dienst instruiren zu können. Mit Achselzucken gestand der Ersuchte, daß er selbst<lb/>
nur über ein Exemplar verfügen könne, solches aber nöthig gebrauche; doch<lb/>
wolle er es auf einige Stunden ablassen. Es ist aber nicht dazu gekommen.<lb/>
Es sollte ein neues Reglement gedruckt, vorher aber zur Prüfung eine Com¬<lb/>
mission niedergesetzt werden. Auch darüber ist weiter nichts vernommen worden.<lb/>
Statt dessen regnete es von Seiten der Kommandantur, des Festungs- und<lb/>
Platzcommandos, der anderen Commandeure Befehle und bogenlange Instruktio¬<lb/>
nen in Fülle, nicht selten wurde das, was Tags vorher befohlen war, wieder<lb/>
aufgehoben oder verändert, natürlich ebenfalls schwarz auf weiß. Da sich nun<lb/>
aber wegen des häufigen Wechselns der Truppen die Zahl derselben, das Unter¬<lb/>
bringen in den Räumen, die Besetzung der Werke und Posten und anderes<lb/>
immer wieder änderte, so kann man ungefähr ermessen, was alles geschrieben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] Konnten es nicht ebenso gut Preußen sein, von denen eine Ueberrumpelung damals leicht zu erwarten war? Es wurde also vom nächsten Tage an eine Wache auf dem Bahnhof aufgestellt und die Thore geschlossen. Da letzteres lange nicht geschehen war, so soll man hier und da auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten gestoßen sein, indem wegen verrosteter Angeln und Schlösser. Senkungen und so weiter, nichts recht klappen wollte und Stunden sollen darüber hingegangen sein. Dem bisherigen Gouverneur und Commandanten wurde bei ihrem Abgange alle Ehre erwiesen und sämmtliche Offiziercorps fanden sich dazu auf dem Bahn¬ höfe ein. Besonders herzlich war der Abschied vom Prinzen von Holstein, der einige Tage früher abreiste. Auch viel Mainzer Herren und Damen hatten sich dazu eingefunden. Als der Prinz bereits im Waggon saß, kletterten noch mehre östreichische Offiziere zu ihm hinein und schüttelten ihm die Hand. Am 22. Juni hielt der neue Gouverneur eine Revue über sämmtliche Trup¬ pen ab. Es waren zwei Bataillone Bayern, drei Bataillone Weimaraner, zwei Bataillone Meininger, zwei Compagnien bückeburger Jäger und noch eine baye¬ rische Festungsartillerie- und Geniecompagnie. Die Truppen waren ziemlich ge¬ drängt auf dem schönen Schloßplatz aufgestellt mit Musik und Fahnen im Paradeanzuge. Der Festungscommandant, Oberst v. Buch, commandirte das Ganze. Es ging alles ziemlich rasch vorüber, was vielleicht zum Theil dem Pferde des Gouverneurs zugeschrieben werden mag, das, solcher Schauspiele noch ungewohnt, sehr verdächtige Bewegungen und Sätze machte. Schließlich defiiir- ten die Truppen. In den Bureaux des Gouverneurs wie des Commandanten hatten wahr¬ scheinlich die Vorgänger gut aufgeräumt. Verwundert klagte Graf Rechberg, daß er keinen Plan, keine Karte, kein Reglement, kein Buch vorgefunden habe. Alles sei in den Repofitorien seines Arbeitseabinetes wie ausgeblasen. Ein Offizier erbat sich vom Commandanten ein Festungsreglement, um sich für den Dienst instruiren zu können. Mit Achselzucken gestand der Ersuchte, daß er selbst nur über ein Exemplar verfügen könne, solches aber nöthig gebrauche; doch wolle er es auf einige Stunden ablassen. Es ist aber nicht dazu gekommen. Es sollte ein neues Reglement gedruckt, vorher aber zur Prüfung eine Com¬ mission niedergesetzt werden. Auch darüber ist weiter nichts vernommen worden. Statt dessen regnete es von Seiten der Kommandantur, des Festungs- und Platzcommandos, der anderen Commandeure Befehle und bogenlange Instruktio¬ nen in Fülle, nicht selten wurde das, was Tags vorher befohlen war, wieder aufgehoben oder verändert, natürlich ebenfalls schwarz auf weiß. Da sich nun aber wegen des häufigen Wechselns der Truppen die Zahl derselben, das Unter¬ bringen in den Räumen, die Besetzung der Werke und Posten und anderes immer wieder änderte, so kann man ungefähr ermessen, was alles geschrieben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/369>, abgerufen am 25.08.2024.