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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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verbündete Regierungen unter dem Schutze Frankreichs seine Unabhängigkeit
wieder erlangen werde.

Das Ministerium Wellington und das Ministerium Polignac befreiten
Metternich wieder von seinen Sorgen. Auf die italienischen Regierungen hatten
ohnedies solche diplomatische Schachzüge der großen Mächte keinen Einfluß.
Piemont hielt treu an Oestreichs Seite aus, und Metternich konnte im April
1829 dem sardinischen Gesandten seine Zufriedenheit mit den Worten ausdrücken:
"Ich bin vollständig von der Regierung Ihres Königs befriedigt, unter welchem
das Uebel nicht zunehmen kann, da grade sein Arm es niederhält. Von Seite
der sardinischen Staaten leben wir also in vollkommener Ruhe. Unsere Regie¬
rungen beruhen auf denselben Grundsätzen und haben dieselben Ziele im Auge,
die Erhaltung der bestehenden Ordnung ist der Hauptgegenstand ihrer An¬
strengungen." --

So kläglich auch die Früchte dieser unseligen Vergesellschaftung mit Oest¬
reich für Piemont zunächst waren, einen Vortheil haben sie doch gehabt: man
wußte genau, wem man das Messer in die Brust stieß, als man durch den na¬
tionalen Gedanken emporgezogen den Kampf auf Tod und Leben anfing.

Bianchis Documentensammlung, auf welcher diese wie die vorhergehenden
Darstellungen der Politik Piemonts seit den wiener Verträgen beruhen, schließt
vorerst hier mit dem Zeitpunkte der tiefsten Erniedrigung Sardiniens ab. In
den folgenden Bänden werden die Epochen zur Schilderung kommen, in denen
der piemontesische Staat sich auf sich selbst besann und sein Stern je höher
W. Lang. desto schneller wieder aufstieg.




Zwei Monate Kriegszeit in der Bnndesfestnng Mainz.

Der altehrwürdigen Festung Mainz hat in ihrem zweitausendjährigen Leben
manch harter Kampf um die Mauern und innerhalb der Thore getobt, anderes
steht ihr vielleicht in naher Zeit bevor. Sie gilt jetzt für eins der Hauptboll¬
werke auf dem europäischen Continent und für die stärkste Reichsveste gegen unsere
unruhigsten Nachbarn, ihr war die wichtigste Rolle bei einer Invasion vom
Westen zugetheilt. Aber in den letzten Monaten waren ihre Feuerschlünde auf
Deutsche, nicht auf einen fremden Feind gerichtet.


verbündete Regierungen unter dem Schutze Frankreichs seine Unabhängigkeit
wieder erlangen werde.

Das Ministerium Wellington und das Ministerium Polignac befreiten
Metternich wieder von seinen Sorgen. Auf die italienischen Regierungen hatten
ohnedies solche diplomatische Schachzüge der großen Mächte keinen Einfluß.
Piemont hielt treu an Oestreichs Seite aus, und Metternich konnte im April
1829 dem sardinischen Gesandten seine Zufriedenheit mit den Worten ausdrücken:
„Ich bin vollständig von der Regierung Ihres Königs befriedigt, unter welchem
das Uebel nicht zunehmen kann, da grade sein Arm es niederhält. Von Seite
der sardinischen Staaten leben wir also in vollkommener Ruhe. Unsere Regie¬
rungen beruhen auf denselben Grundsätzen und haben dieselben Ziele im Auge,
die Erhaltung der bestehenden Ordnung ist der Hauptgegenstand ihrer An¬
strengungen." —

So kläglich auch die Früchte dieser unseligen Vergesellschaftung mit Oest¬
reich für Piemont zunächst waren, einen Vortheil haben sie doch gehabt: man
wußte genau, wem man das Messer in die Brust stieß, als man durch den na¬
tionalen Gedanken emporgezogen den Kampf auf Tod und Leben anfing.

Bianchis Documentensammlung, auf welcher diese wie die vorhergehenden
Darstellungen der Politik Piemonts seit den wiener Verträgen beruhen, schließt
vorerst hier mit dem Zeitpunkte der tiefsten Erniedrigung Sardiniens ab. In
den folgenden Bänden werden die Epochen zur Schilderung kommen, in denen
der piemontesische Staat sich auf sich selbst besann und sein Stern je höher
W. Lang. desto schneller wieder aufstieg.




Zwei Monate Kriegszeit in der Bnndesfestnng Mainz.

Der altehrwürdigen Festung Mainz hat in ihrem zweitausendjährigen Leben
manch harter Kampf um die Mauern und innerhalb der Thore getobt, anderes
steht ihr vielleicht in naher Zeit bevor. Sie gilt jetzt für eins der Hauptboll¬
werke auf dem europäischen Continent und für die stärkste Reichsveste gegen unsere
unruhigsten Nachbarn, ihr war die wichtigste Rolle bei einer Invasion vom
Westen zugetheilt. Aber in den letzten Monaten waren ihre Feuerschlünde auf
Deutsche, nicht auf einen fremden Feind gerichtet.


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[0364] verbündete Regierungen unter dem Schutze Frankreichs seine Unabhängigkeit wieder erlangen werde. Das Ministerium Wellington und das Ministerium Polignac befreiten Metternich wieder von seinen Sorgen. Auf die italienischen Regierungen hatten ohnedies solche diplomatische Schachzüge der großen Mächte keinen Einfluß. Piemont hielt treu an Oestreichs Seite aus, und Metternich konnte im April 1829 dem sardinischen Gesandten seine Zufriedenheit mit den Worten ausdrücken: „Ich bin vollständig von der Regierung Ihres Königs befriedigt, unter welchem das Uebel nicht zunehmen kann, da grade sein Arm es niederhält. Von Seite der sardinischen Staaten leben wir also in vollkommener Ruhe. Unsere Regie¬ rungen beruhen auf denselben Grundsätzen und haben dieselben Ziele im Auge, die Erhaltung der bestehenden Ordnung ist der Hauptgegenstand ihrer An¬ strengungen." — So kläglich auch die Früchte dieser unseligen Vergesellschaftung mit Oest¬ reich für Piemont zunächst waren, einen Vortheil haben sie doch gehabt: man wußte genau, wem man das Messer in die Brust stieß, als man durch den na¬ tionalen Gedanken emporgezogen den Kampf auf Tod und Leben anfing. Bianchis Documentensammlung, auf welcher diese wie die vorhergehenden Darstellungen der Politik Piemonts seit den wiener Verträgen beruhen, schließt vorerst hier mit dem Zeitpunkte der tiefsten Erniedrigung Sardiniens ab. In den folgenden Bänden werden die Epochen zur Schilderung kommen, in denen der piemontesische Staat sich auf sich selbst besann und sein Stern je höher W. Lang. desto schneller wieder aufstieg. Zwei Monate Kriegszeit in der Bnndesfestnng Mainz. Der altehrwürdigen Festung Mainz hat in ihrem zweitausendjährigen Leben manch harter Kampf um die Mauern und innerhalb der Thore getobt, anderes steht ihr vielleicht in naher Zeit bevor. Sie gilt jetzt für eins der Hauptboll¬ werke auf dem europäischen Continent und für die stärkste Reichsveste gegen unsere unruhigsten Nachbarn, ihr war die wichtigste Rolle bei einer Invasion vom Westen zugetheilt. Aber in den letzten Monaten waren ihre Feuerschlünde auf Deutsche, nicht auf einen fremden Feind gerichtet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/364>, abgerufen am 22.07.2024.