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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Gelegenheit sich zu eröffnen schien. Schon für den Congreß von Aachen hatte
es von Einwohnern Monacos eine Adresse besorgen lassen, worin um Einver¬
leibung in den sardinischen Staat gebeten wurde. Aber der Congreß antwortete
auf diesen Schmerzensschrei nur mit einer Vermahnung an den Herzog von
Valentinois zu besserer Negierung. Eine Verhandlung mit dem Herzog, der im
Jahr 1826 Schulden halber Monaco zu verkaufen bereit war, scheiterte an der
enormen Summe, die jener verlangte. Ebenso wenig glückte es im Jahr 1829,
die griechische Frage dazu zu benutzen, um Lucca oder Modena zu gewinnen.
Zu diesem Zweck hatte della Torre in einer Denkschrift an den französischen
Hof alte Rechte des savoyischen Hauses auf Achaja und Morea hervorgesucht,
für die sich eine passende Entschädigung fände, wenn entweder der Herzog von
Lucca oder der Herzog von Modena den hellenischen Thron bestiege, eine Com¬
bination, die schon daran scheiterte, daß der eine als bourbonischer, der andre
als östreichischer Prinz durch das londoner Protokoll von der Kandidatur aus¬
geschlossen war.

Recht froh konnte jedoch Oestreich seiner Herrschaft in Italien nicht werden.
Die Wendung, welche mit Castlereaghs Tod in der britischen Politik eintrat,
erfüllte Metternich, wie aus Aeußerungen von ihm an den Grafen Bombclles
hervorgeht, mit ernster Besorgniß. Canning ließ im September 1823 in Wien
erklären, die britische Regierung könne die bewaffnete Einmischung der Gro߬
mächte in die innern Angelegenheiten der kleineren Staaten nicht für berechtigt
anerkennen, dieselbe beeinträchtige eine der wichtigsten Grundlagen der Unab¬
hängigkeit der Völker. Das wiener Cabinet erhebe ungerechtfertigte Ansprüche
und zeige ein auffallendes Verkennen der Verpflichtungen, Interessen und Ge¬
fühle Englands, wenn es erkläre, daß dieses infolge seiner eingegangenen Ver¬
bindlichkeiten einer solchen Einmischung sich nicht widersetzen dürfe. Freilich
hatten solche Vorstellungen zunächst keine andere Wirkung, als daß Metternich
sich der italienischen Höfe um so fester versicherte.

Vom Jahr 1826 an sehen wir auch Frankreich ernstlich bemüht, wieder
Einfluß in Italien zu gewinnen und die dortigen Regierungen allmälig von
der östreichischen Politik abzuziehen. Die französischen Diplomaten suchten ins¬
besondere dem turiner Hof begreiflich zu machen, daß sein Interesse nicht auf
Seite Oestreichs stehe, dessen Herrschaft in Italien immer drückender werde, son-.
dern auf Seite Frankreichs, das keine Herrschaft mehr in Italien ausüben könne
und das durch sein eigenes Interesse getrieben werde, die Vergrößerung des
Territorialbesitzes des Hauses Savoyen zu wünschen. Metternich wollte in dieser
Zeit durch seine Agenten auch in Erfahrung gebracht haben, daß Frankreich mit
den wieder kühner auftretenden Liberalen in Italien unter einer Decke stecke
und ihnen vorspiegle, der Augenblick sei nahe, wo Italien durch constituiionelle


Grenzboten III. 18l>ö. 43

Gelegenheit sich zu eröffnen schien. Schon für den Congreß von Aachen hatte
es von Einwohnern Monacos eine Adresse besorgen lassen, worin um Einver¬
leibung in den sardinischen Staat gebeten wurde. Aber der Congreß antwortete
auf diesen Schmerzensschrei nur mit einer Vermahnung an den Herzog von
Valentinois zu besserer Negierung. Eine Verhandlung mit dem Herzog, der im
Jahr 1826 Schulden halber Monaco zu verkaufen bereit war, scheiterte an der
enormen Summe, die jener verlangte. Ebenso wenig glückte es im Jahr 1829,
die griechische Frage dazu zu benutzen, um Lucca oder Modena zu gewinnen.
Zu diesem Zweck hatte della Torre in einer Denkschrift an den französischen
Hof alte Rechte des savoyischen Hauses auf Achaja und Morea hervorgesucht,
für die sich eine passende Entschädigung fände, wenn entweder der Herzog von
Lucca oder der Herzog von Modena den hellenischen Thron bestiege, eine Com¬
bination, die schon daran scheiterte, daß der eine als bourbonischer, der andre
als östreichischer Prinz durch das londoner Protokoll von der Kandidatur aus¬
geschlossen war.

Recht froh konnte jedoch Oestreich seiner Herrschaft in Italien nicht werden.
Die Wendung, welche mit Castlereaghs Tod in der britischen Politik eintrat,
erfüllte Metternich, wie aus Aeußerungen von ihm an den Grafen Bombclles
hervorgeht, mit ernster Besorgniß. Canning ließ im September 1823 in Wien
erklären, die britische Regierung könne die bewaffnete Einmischung der Gro߬
mächte in die innern Angelegenheiten der kleineren Staaten nicht für berechtigt
anerkennen, dieselbe beeinträchtige eine der wichtigsten Grundlagen der Unab¬
hängigkeit der Völker. Das wiener Cabinet erhebe ungerechtfertigte Ansprüche
und zeige ein auffallendes Verkennen der Verpflichtungen, Interessen und Ge¬
fühle Englands, wenn es erkläre, daß dieses infolge seiner eingegangenen Ver¬
bindlichkeiten einer solchen Einmischung sich nicht widersetzen dürfe. Freilich
hatten solche Vorstellungen zunächst keine andere Wirkung, als daß Metternich
sich der italienischen Höfe um so fester versicherte.

Vom Jahr 1826 an sehen wir auch Frankreich ernstlich bemüht, wieder
Einfluß in Italien zu gewinnen und die dortigen Regierungen allmälig von
der östreichischen Politik abzuziehen. Die französischen Diplomaten suchten ins¬
besondere dem turiner Hof begreiflich zu machen, daß sein Interesse nicht auf
Seite Oestreichs stehe, dessen Herrschaft in Italien immer drückender werde, son-.
dern auf Seite Frankreichs, das keine Herrschaft mehr in Italien ausüben könne
und das durch sein eigenes Interesse getrieben werde, die Vergrößerung des
Territorialbesitzes des Hauses Savoyen zu wünschen. Metternich wollte in dieser
Zeit durch seine Agenten auch in Erfahrung gebracht haben, daß Frankreich mit
den wieder kühner auftretenden Liberalen in Italien unter einer Decke stecke
und ihnen vorspiegle, der Augenblick sei nahe, wo Italien durch constituiionelle


Grenzboten III. 18l>ö. 43
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[0363] Gelegenheit sich zu eröffnen schien. Schon für den Congreß von Aachen hatte es von Einwohnern Monacos eine Adresse besorgen lassen, worin um Einver¬ leibung in den sardinischen Staat gebeten wurde. Aber der Congreß antwortete auf diesen Schmerzensschrei nur mit einer Vermahnung an den Herzog von Valentinois zu besserer Negierung. Eine Verhandlung mit dem Herzog, der im Jahr 1826 Schulden halber Monaco zu verkaufen bereit war, scheiterte an der enormen Summe, die jener verlangte. Ebenso wenig glückte es im Jahr 1829, die griechische Frage dazu zu benutzen, um Lucca oder Modena zu gewinnen. Zu diesem Zweck hatte della Torre in einer Denkschrift an den französischen Hof alte Rechte des savoyischen Hauses auf Achaja und Morea hervorgesucht, für die sich eine passende Entschädigung fände, wenn entweder der Herzog von Lucca oder der Herzog von Modena den hellenischen Thron bestiege, eine Com¬ bination, die schon daran scheiterte, daß der eine als bourbonischer, der andre als östreichischer Prinz durch das londoner Protokoll von der Kandidatur aus¬ geschlossen war. Recht froh konnte jedoch Oestreich seiner Herrschaft in Italien nicht werden. Die Wendung, welche mit Castlereaghs Tod in der britischen Politik eintrat, erfüllte Metternich, wie aus Aeußerungen von ihm an den Grafen Bombclles hervorgeht, mit ernster Besorgniß. Canning ließ im September 1823 in Wien erklären, die britische Regierung könne die bewaffnete Einmischung der Gro߬ mächte in die innern Angelegenheiten der kleineren Staaten nicht für berechtigt anerkennen, dieselbe beeinträchtige eine der wichtigsten Grundlagen der Unab¬ hängigkeit der Völker. Das wiener Cabinet erhebe ungerechtfertigte Ansprüche und zeige ein auffallendes Verkennen der Verpflichtungen, Interessen und Ge¬ fühle Englands, wenn es erkläre, daß dieses infolge seiner eingegangenen Ver¬ bindlichkeiten einer solchen Einmischung sich nicht widersetzen dürfe. Freilich hatten solche Vorstellungen zunächst keine andere Wirkung, als daß Metternich sich der italienischen Höfe um so fester versicherte. Vom Jahr 1826 an sehen wir auch Frankreich ernstlich bemüht, wieder Einfluß in Italien zu gewinnen und die dortigen Regierungen allmälig von der östreichischen Politik abzuziehen. Die französischen Diplomaten suchten ins¬ besondere dem turiner Hof begreiflich zu machen, daß sein Interesse nicht auf Seite Oestreichs stehe, dessen Herrschaft in Italien immer drückender werde, son-. dern auf Seite Frankreichs, das keine Herrschaft mehr in Italien ausüben könne und das durch sein eigenes Interesse getrieben werde, die Vergrößerung des Territorialbesitzes des Hauses Savoyen zu wünschen. Metternich wollte in dieser Zeit durch seine Agenten auch in Erfahrung gebracht haben, daß Frankreich mit den wieder kühner auftretenden Liberalen in Italien unter einer Decke stecke und ihnen vorspiegle, der Augenblick sei nahe, wo Italien durch constituiionelle Grenzboten III. 18l>ö. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/363>, abgerufen am 22.07.2024.