Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

östreichischen Truppen in Italien, der aber eine abschlägige Antwort ertheilte,
worauf der König aufs neue an San Marzano schrieb: Verlangen Sie vor allem
die Räumung; wir wollen uns der Herrschaft der Oestreicher entziehen und
bei Eröffnung des Congresses wünschen wir frei von jeder gezwungenen Ab¬
hängigkeit zu erscheinen. Aber die wiederholten dringenden Vorstellungen San
Marzanos blieben erfolglos. Fürst Metternich erwiederte stets ausweichend.
Oestreich war fest entschlossen, während der Dauer des Congresses den Daumen
auf ganz Italien zu halten.

Victor Emanuel war über diese Hartnäckigkeit Oestreichs im höchsten Grade
erbost. Insbesondere in den vertraulichen Briefen, die er mit Karl Felix wech¬
selte, ließen die königlichen Brüder sich freimüthig über die östreichischen Nach¬
stellungen aus. So schrieb Karl Felix schon im Juli aus Cagliari, wo er sich
damals aufhielt: Mit größtem Mißfallen höre ich, daß die Oestreicher sich wei¬
gern Alessandria zu räumen. Sie sind wie Pech, von dem man den Finger,
der es einmal berührt hat, gar nicht wieder rein bekommen kann. Ich wollte,
die Russen hätten Piemont besetzt, dann würde es uns jetzt ganz gehören.. Da
dieser Brief mit einer sichern Gelegenheit geht, so kann ich wohl beifügen, daß,
wenn die Gefräßigkeit des wiener Cabinets nicht wäre, jetzt ganz Europa in
Ruhe wäre. Im November schrieb Victor Emanuel an San Marzano: Unsere
gegenwärtige Lage macht uns die größte Pein, und wir empfinden den lebhaf¬
testen Schmerz, daß wir durch die Rücksichten, die wir dem wiener Hof schul¬
den, gezwungen sind, in unseren Staaten eine fremde Macht zu dulden, die,
wenn auch nur gering an Zahl, doch umso unangenehmer für uns ist, als sie
einer angrenzenden Macht gehört, die selten ihre Versprechungen hält. Damals
war eben die novaresische Frage wieder dringlich geworden, und der König
wies San Marzano an, zu erklären, daß Verhandlungen in jedem Falle erst
dann statthaben könnten, wenn Piemont gänzlich von den östreichischen
Truppen geräumt wäre: Stellen Sie dies als eonäitio hoc pus. von auf,
denn es ist ein anerkannter Grundsatz, daß man frei sein müsse, um zu ver¬
handeln. Wir ziehen lieber ein wenig Aerger von Seiten Oestreichs vor, als
uns gewaltsam gezwungen zu sehen, schmachvoll das Gesetz uns dictiren zu
lassen. Fürst Metternich versuchte es jetzt in Güte. In einer Unterredung mit
dem sardinischen Bevollmächtigten (Januar 181S) sagte er: Graf San Mar¬
zano, Sie könnten der guten Sache einen ausgezeichneten Dienst leisten, wenn
Sie Ihren Herrn flehentlich bitten möchten, auch im Namen unseres Kaisers,
sich mit dem Aufenthalt unserer Truppen in seinen Staaten bis zum Ende
des Congresses zu gedulden. ES ist wahr, wir sind in freundschaftlichen Be¬
ziehungen mit Frankreich, gleichwohl ist es nothwendig, daß dasselbe keinen
Strahl von Hoffnung besitze, in Italien irgendeinen Einfluß auszuüben. Und
dazu dient die fortdauernde Anwesenheit unserer Truppen in den sardinischen


östreichischen Truppen in Italien, der aber eine abschlägige Antwort ertheilte,
worauf der König aufs neue an San Marzano schrieb: Verlangen Sie vor allem
die Räumung; wir wollen uns der Herrschaft der Oestreicher entziehen und
bei Eröffnung des Congresses wünschen wir frei von jeder gezwungenen Ab¬
hängigkeit zu erscheinen. Aber die wiederholten dringenden Vorstellungen San
Marzanos blieben erfolglos. Fürst Metternich erwiederte stets ausweichend.
Oestreich war fest entschlossen, während der Dauer des Congresses den Daumen
auf ganz Italien zu halten.

Victor Emanuel war über diese Hartnäckigkeit Oestreichs im höchsten Grade
erbost. Insbesondere in den vertraulichen Briefen, die er mit Karl Felix wech¬
selte, ließen die königlichen Brüder sich freimüthig über die östreichischen Nach¬
stellungen aus. So schrieb Karl Felix schon im Juli aus Cagliari, wo er sich
damals aufhielt: Mit größtem Mißfallen höre ich, daß die Oestreicher sich wei¬
gern Alessandria zu räumen. Sie sind wie Pech, von dem man den Finger,
der es einmal berührt hat, gar nicht wieder rein bekommen kann. Ich wollte,
die Russen hätten Piemont besetzt, dann würde es uns jetzt ganz gehören.. Da
dieser Brief mit einer sichern Gelegenheit geht, so kann ich wohl beifügen, daß,
wenn die Gefräßigkeit des wiener Cabinets nicht wäre, jetzt ganz Europa in
Ruhe wäre. Im November schrieb Victor Emanuel an San Marzano: Unsere
gegenwärtige Lage macht uns die größte Pein, und wir empfinden den lebhaf¬
testen Schmerz, daß wir durch die Rücksichten, die wir dem wiener Hof schul¬
den, gezwungen sind, in unseren Staaten eine fremde Macht zu dulden, die,
wenn auch nur gering an Zahl, doch umso unangenehmer für uns ist, als sie
einer angrenzenden Macht gehört, die selten ihre Versprechungen hält. Damals
war eben die novaresische Frage wieder dringlich geworden, und der König
wies San Marzano an, zu erklären, daß Verhandlungen in jedem Falle erst
dann statthaben könnten, wenn Piemont gänzlich von den östreichischen
Truppen geräumt wäre: Stellen Sie dies als eonäitio hoc pus. von auf,
denn es ist ein anerkannter Grundsatz, daß man frei sein müsse, um zu ver¬
handeln. Wir ziehen lieber ein wenig Aerger von Seiten Oestreichs vor, als
uns gewaltsam gezwungen zu sehen, schmachvoll das Gesetz uns dictiren zu
lassen. Fürst Metternich versuchte es jetzt in Güte. In einer Unterredung mit
dem sardinischen Bevollmächtigten (Januar 181S) sagte er: Graf San Mar¬
zano, Sie könnten der guten Sache einen ausgezeichneten Dienst leisten, wenn
Sie Ihren Herrn flehentlich bitten möchten, auch im Namen unseres Kaisers,
sich mit dem Aufenthalt unserer Truppen in seinen Staaten bis zum Ende
des Congresses zu gedulden. ES ist wahr, wir sind in freundschaftlichen Be¬
ziehungen mit Frankreich, gleichwohl ist es nothwendig, daß dasselbe keinen
Strahl von Hoffnung besitze, in Italien irgendeinen Einfluß auszuüben. Und
dazu dient die fortdauernde Anwesenheit unserer Truppen in den sardinischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285618"/>
          <p xml:id="ID_64" prev="#ID_63"> östreichischen Truppen in Italien, der aber eine abschlägige Antwort ertheilte,<lb/>
worauf der König aufs neue an San Marzano schrieb: Verlangen Sie vor allem<lb/>
die Räumung; wir wollen uns der Herrschaft der Oestreicher entziehen und<lb/>
bei Eröffnung des Congresses wünschen wir frei von jeder gezwungenen Ab¬<lb/>
hängigkeit zu erscheinen. Aber die wiederholten dringenden Vorstellungen San<lb/>
Marzanos blieben erfolglos. Fürst Metternich erwiederte stets ausweichend.<lb/>
Oestreich war fest entschlossen, während der Dauer des Congresses den Daumen<lb/>
auf ganz Italien zu halten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_65" next="#ID_66"> Victor Emanuel war über diese Hartnäckigkeit Oestreichs im höchsten Grade<lb/>
erbost. Insbesondere in den vertraulichen Briefen, die er mit Karl Felix wech¬<lb/>
selte, ließen die königlichen Brüder sich freimüthig über die östreichischen Nach¬<lb/>
stellungen aus. So schrieb Karl Felix schon im Juli aus Cagliari, wo er sich<lb/>
damals aufhielt: Mit größtem Mißfallen höre ich, daß die Oestreicher sich wei¬<lb/>
gern Alessandria zu räumen. Sie sind wie Pech, von dem man den Finger,<lb/>
der es einmal berührt hat, gar nicht wieder rein bekommen kann. Ich wollte,<lb/>
die Russen hätten Piemont besetzt, dann würde es uns jetzt ganz gehören.. Da<lb/>
dieser Brief mit einer sichern Gelegenheit geht, so kann ich wohl beifügen, daß,<lb/>
wenn die Gefräßigkeit des wiener Cabinets nicht wäre, jetzt ganz Europa in<lb/>
Ruhe wäre. Im November schrieb Victor Emanuel an San Marzano: Unsere<lb/>
gegenwärtige Lage macht uns die größte Pein, und wir empfinden den lebhaf¬<lb/>
testen Schmerz, daß wir durch die Rücksichten, die wir dem wiener Hof schul¬<lb/>
den, gezwungen sind, in unseren Staaten eine fremde Macht zu dulden, die,<lb/>
wenn auch nur gering an Zahl, doch umso unangenehmer für uns ist, als sie<lb/>
einer angrenzenden Macht gehört, die selten ihre Versprechungen hält. Damals<lb/>
war eben die novaresische Frage wieder dringlich geworden, und der König<lb/>
wies San Marzano an, zu erklären, daß Verhandlungen in jedem Falle erst<lb/>
dann statthaben könnten, wenn Piemont gänzlich von den östreichischen<lb/>
Truppen geräumt wäre: Stellen Sie dies als eonäitio hoc pus. von auf,<lb/>
denn es ist ein anerkannter Grundsatz, daß man frei sein müsse, um zu ver¬<lb/>
handeln. Wir ziehen lieber ein wenig Aerger von Seiten Oestreichs vor, als<lb/>
uns gewaltsam gezwungen zu sehen, schmachvoll das Gesetz uns dictiren zu<lb/>
lassen. Fürst Metternich versuchte es jetzt in Güte. In einer Unterredung mit<lb/>
dem sardinischen Bevollmächtigten (Januar 181S) sagte er: Graf San Mar¬<lb/>
zano, Sie könnten der guten Sache einen ausgezeichneten Dienst leisten, wenn<lb/>
Sie Ihren Herrn flehentlich bitten möchten, auch im Namen unseres Kaisers,<lb/>
sich mit dem Aufenthalt unserer Truppen in seinen Staaten bis zum Ende<lb/>
des Congresses zu gedulden. ES ist wahr, wir sind in freundschaftlichen Be¬<lb/>
ziehungen mit Frankreich, gleichwohl ist es nothwendig, daß dasselbe keinen<lb/>
Strahl von Hoffnung besitze, in Italien irgendeinen Einfluß auszuüben. Und<lb/>
dazu dient die fortdauernde Anwesenheit unserer Truppen in den sardinischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] östreichischen Truppen in Italien, der aber eine abschlägige Antwort ertheilte, worauf der König aufs neue an San Marzano schrieb: Verlangen Sie vor allem die Räumung; wir wollen uns der Herrschaft der Oestreicher entziehen und bei Eröffnung des Congresses wünschen wir frei von jeder gezwungenen Ab¬ hängigkeit zu erscheinen. Aber die wiederholten dringenden Vorstellungen San Marzanos blieben erfolglos. Fürst Metternich erwiederte stets ausweichend. Oestreich war fest entschlossen, während der Dauer des Congresses den Daumen auf ganz Italien zu halten. Victor Emanuel war über diese Hartnäckigkeit Oestreichs im höchsten Grade erbost. Insbesondere in den vertraulichen Briefen, die er mit Karl Felix wech¬ selte, ließen die königlichen Brüder sich freimüthig über die östreichischen Nach¬ stellungen aus. So schrieb Karl Felix schon im Juli aus Cagliari, wo er sich damals aufhielt: Mit größtem Mißfallen höre ich, daß die Oestreicher sich wei¬ gern Alessandria zu räumen. Sie sind wie Pech, von dem man den Finger, der es einmal berührt hat, gar nicht wieder rein bekommen kann. Ich wollte, die Russen hätten Piemont besetzt, dann würde es uns jetzt ganz gehören.. Da dieser Brief mit einer sichern Gelegenheit geht, so kann ich wohl beifügen, daß, wenn die Gefräßigkeit des wiener Cabinets nicht wäre, jetzt ganz Europa in Ruhe wäre. Im November schrieb Victor Emanuel an San Marzano: Unsere gegenwärtige Lage macht uns die größte Pein, und wir empfinden den lebhaf¬ testen Schmerz, daß wir durch die Rücksichten, die wir dem wiener Hof schul¬ den, gezwungen sind, in unseren Staaten eine fremde Macht zu dulden, die, wenn auch nur gering an Zahl, doch umso unangenehmer für uns ist, als sie einer angrenzenden Macht gehört, die selten ihre Versprechungen hält. Damals war eben die novaresische Frage wieder dringlich geworden, und der König wies San Marzano an, zu erklären, daß Verhandlungen in jedem Falle erst dann statthaben könnten, wenn Piemont gänzlich von den östreichischen Truppen geräumt wäre: Stellen Sie dies als eonäitio hoc pus. von auf, denn es ist ein anerkannter Grundsatz, daß man frei sein müsse, um zu ver¬ handeln. Wir ziehen lieber ein wenig Aerger von Seiten Oestreichs vor, als uns gewaltsam gezwungen zu sehen, schmachvoll das Gesetz uns dictiren zu lassen. Fürst Metternich versuchte es jetzt in Güte. In einer Unterredung mit dem sardinischen Bevollmächtigten (Januar 181S) sagte er: Graf San Mar¬ zano, Sie könnten der guten Sache einen ausgezeichneten Dienst leisten, wenn Sie Ihren Herrn flehentlich bitten möchten, auch im Namen unseres Kaisers, sich mit dem Aufenthalt unserer Truppen in seinen Staaten bis zum Ende des Congresses zu gedulden. ES ist wahr, wir sind in freundschaftlichen Be¬ ziehungen mit Frankreich, gleichwohl ist es nothwendig, daß dasselbe keinen Strahl von Hoffnung besitze, in Italien irgendeinen Einfluß auszuüben. Und dazu dient die fortdauernde Anwesenheit unserer Truppen in den sardinischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/30
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/30>, abgerufen am 25.08.2024.