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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Günstiger war die Stimmung des berliner Hoff. Der Marchese Castel-
lofer berichtete am 18. Januar 1816 nach Turin: Fürst Hardenberg hat mich
gestern Abend von neuem versichert, daß der König von Sardinien mit Festig¬
keit den Vorschlag Oestreichs zurückweisen und- auf die Unterstützung des Königs
von Preußen zählen kann, welcher, nachdem er die Integrität der sardinischen
Staaten garantirt. unwandelbar entschlossen ist. die eingegangene Verpflichtung
aufrecht zu halten, ohne Rücksicht auf die persönliche Freundschaft oder die
Allianz mit Oestreich zu nehmen. Auch in Se. Petersburg hatte de Maistre
mit Erfolg das Recht seines Souveräns geltend gemacht. Kaiser Alexander
schrieb eigenhändig an Victor Emanuel. um ihn zu beruhigen, und wies gleich¬
zeitig seinen Gesandten in Wien an. dem Fürsten Metternich zu erklären. er
täusche sich, wenn er meine, daß Rußland die Abtrennung des oberen Nova-
rese von den Staaten des Königs von Sardinien ruhig geschehen lassen werde.
Angesichts dieser Hindernisse sah sich Oestreich endlich genöthigt, definitiv auf
ein Project zu verzichten, mit dem es in zwei Jahren viermal hervorgetre¬
ten war.




Eine weitere Chikane Oestreichs, die in Turin große Bekümmerniß ver-
ursachte, war. daß eS Alessandria nicht räumen wollte. Schon in den ver¬
traulichen Jnstructionen, welche Victor Emanuel im Juni eigenhändig für San
Marzano aussetzte, schrieb er: Ich empfehle Ihnen, auf die Räumung Alessan¬
drias zu dringen. Geben Sie dem Fürsten Metternich zu verstehen, daß das
Wort, das mir der Kaiser gegeben, seine Truppen zurückzurufen sobald ich es
wünsche, jetzt compromittirt ist. Sagen Sie ihm, daß die Anwesenheit der
Oestreicher in Piemont eine für die Franzosen günstige Stimmung erhält. Ich
kann überdies schon um deswillen nicht unterlassen, auf diesem Punkt zu be¬
stehen, weil die Fortdauer der Occupation unsere Finanzen ruinirt. Geben
Sie zu bedenken, daß es nicht die kaiserlichen Truppen wären, welche eine In¬
vasion der Franzosen in Piemont hindern könnten: ich allein bin dies zu thun
im Stande. Erklären Sie endlich, daß ich die Permanenz der östreichischen
Truppen in unseren Staaten nur als einen Act unverdienten Mißtrauens be¬
trachten könnte. In den officiellen Jnstructionen des Ministers Valesia an San
Marzano war diesem überdies aufgetragen, daraus zu dringen, daß Gras Buona
sofort aus Turin abberufen werde, da er sich insolent und selbst gegen die
Person des Königs respectwidrig betrage. Als San Marzano von der
ungünstigen Lage nach Turin Herichtete, in welcher sich überhaupt die kleineren
Staaten gegenüber den großen Mächten befänden, wandte sich Victor Emanuel
im August direct an den Marschall Bellegarde, den , Obercommandanten der


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Günstiger war die Stimmung des berliner Hoff. Der Marchese Castel-
lofer berichtete am 18. Januar 1816 nach Turin: Fürst Hardenberg hat mich
gestern Abend von neuem versichert, daß der König von Sardinien mit Festig¬
keit den Vorschlag Oestreichs zurückweisen und- auf die Unterstützung des Königs
von Preußen zählen kann, welcher, nachdem er die Integrität der sardinischen
Staaten garantirt. unwandelbar entschlossen ist. die eingegangene Verpflichtung
aufrecht zu halten, ohne Rücksicht auf die persönliche Freundschaft oder die
Allianz mit Oestreich zu nehmen. Auch in Se. Petersburg hatte de Maistre
mit Erfolg das Recht seines Souveräns geltend gemacht. Kaiser Alexander
schrieb eigenhändig an Victor Emanuel. um ihn zu beruhigen, und wies gleich¬
zeitig seinen Gesandten in Wien an. dem Fürsten Metternich zu erklären. er
täusche sich, wenn er meine, daß Rußland die Abtrennung des oberen Nova-
rese von den Staaten des Königs von Sardinien ruhig geschehen lassen werde.
Angesichts dieser Hindernisse sah sich Oestreich endlich genöthigt, definitiv auf
ein Project zu verzichten, mit dem es in zwei Jahren viermal hervorgetre¬
ten war.




Eine weitere Chikane Oestreichs, die in Turin große Bekümmerniß ver-
ursachte, war. daß eS Alessandria nicht räumen wollte. Schon in den ver¬
traulichen Jnstructionen, welche Victor Emanuel im Juni eigenhändig für San
Marzano aussetzte, schrieb er: Ich empfehle Ihnen, auf die Räumung Alessan¬
drias zu dringen. Geben Sie dem Fürsten Metternich zu verstehen, daß das
Wort, das mir der Kaiser gegeben, seine Truppen zurückzurufen sobald ich es
wünsche, jetzt compromittirt ist. Sagen Sie ihm, daß die Anwesenheit der
Oestreicher in Piemont eine für die Franzosen günstige Stimmung erhält. Ich
kann überdies schon um deswillen nicht unterlassen, auf diesem Punkt zu be¬
stehen, weil die Fortdauer der Occupation unsere Finanzen ruinirt. Geben
Sie zu bedenken, daß es nicht die kaiserlichen Truppen wären, welche eine In¬
vasion der Franzosen in Piemont hindern könnten: ich allein bin dies zu thun
im Stande. Erklären Sie endlich, daß ich die Permanenz der östreichischen
Truppen in unseren Staaten nur als einen Act unverdienten Mißtrauens be¬
trachten könnte. In den officiellen Jnstructionen des Ministers Valesia an San
Marzano war diesem überdies aufgetragen, daraus zu dringen, daß Gras Buona
sofort aus Turin abberufen werde, da er sich insolent und selbst gegen die
Person des Königs respectwidrig betrage. Als San Marzano von der
ungünstigen Lage nach Turin Herichtete, in welcher sich überhaupt die kleineren
Staaten gegenüber den großen Mächten befänden, wandte sich Victor Emanuel
im August direct an den Marschall Bellegarde, den , Obercommandanten der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/29>, abgerufen am 22.07.2024.