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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Staaten wunderbar. Ueberdies hilft sie dazu, die erhitzten Köpfe, die bei der
geringen Solidität der bourbonischen Regierung in Frankreich immer auf
Veränderungen hoffen, im Zaum zu halten. Von dieser Unterredung in
Kenntniß gesetzt schrieb Vaiesia im Februar 'an San Marzano: Stellen
Sie dem Fürsten Metternich vor. daß die Haltung des Königs, die Rück¬
sichten gegen seine unabhängige souveränes, Rücksichten, welche man fort¬
während außer Acht läßt, sich zu den Bedürfnissen der Finanzen gesellen,
um . zu verbieten, daß man die fremde Besetzung bis zum Ende des Kon¬
gresses fortdauern lasse. Das Argument des Fürsten Metternich dürfte, um
stichhaltig zu sein, nicht vom Mißbrauch der Gewalt begleitet werden. Denn wo
Gewalt ist, giebt es keine Freunde und Alliirte. Der finanzielle Grund, der
in Turin besonders betont wurde, war kein bloßer Borwand. Das Königreich
war schwer belastet durch die 300,000 Fras.. weiche jeden Monat die Unter¬
haltung der Oestreicher kostete, und dazu häuften sich die Klagen über die Arro¬
ganz der östreichischen Generale.

Der Wiederausbruch des Krieges nach Napoleons Rückkehr von' Elba gab
den Oestreichern neuen Vorwand, im Lande zu bleiben. Der König von Sar¬
dinien war der einzige der restaurirten italienischen Fürsten, der sofort zu den
Waffen griff und seine Theilnahme am Kriege erklärte, zum großen Aerger
Oestreichs, das Sardinien gern neutral gesehen hätte, um bei den neuen Frie¬
densverhandlungen aller"Rückstchten überhoben zu sein. Inzwischen that es
alles, die kriegerische Action Sardiniens zu behindern, während es gleich¬
zeitig den turiner Hof bei den Verbündeten anklagte, die Vertheidigungsma߬
regeln in Italien verzögert zu haben. Die Oestreicher, schrieb Valesia im April
an San Marzano, haben es offenbar darauf abgesehen, uns gänzlich im Stich
zu lassen. Ich bin überzeugt, daß sie so handeln, um uns zu zwingen, ihre
Hilfe für einen furchtbaren Preis zu erkaufen. Der König hat alle Gründe,
ihnen zu mißtrauen. Sie verlangen von uns alle Kanonen, die zur Verthei¬
digung Alessandrias nothwendig sind, um sie nach Piacenza zu führen. Ja
Graf Bubna verlangt die Abtragung eines Theiles der Befestigungen der Stadt
Alessandria unter dem Vorwand, daß sie der Vertheidigung der Citadelle hin¬
derlich seien.

Bei dem zweiten pariser Frieden, welcher dem kurzen Feldzug folgte, war
der sardinische Bevollmächtigte, Graf Thaon de Revel, angewiesen, einer Zer¬
stückelung Frankreichs sich zu widersetzen, da diese nur Italien zum Vortheil ge¬
reichen und das Gegengewicht gegen die Uebermacht Oestreichs zerstören würde.
Die Zurückerstattung Savoyens wurde natürlich dankbar angenommen, und
wenn man einen kleinen Theil davon an den neuen Schweizercanton Genf ab¬
treten mußte, so war dafür die Ausdehnung des schweizerischen Neutralitäts¬
systems auf den größten Theil von Savoyen ein entschiedener Nachtheil für die


Staaten wunderbar. Ueberdies hilft sie dazu, die erhitzten Köpfe, die bei der
geringen Solidität der bourbonischen Regierung in Frankreich immer auf
Veränderungen hoffen, im Zaum zu halten. Von dieser Unterredung in
Kenntniß gesetzt schrieb Vaiesia im Februar 'an San Marzano: Stellen
Sie dem Fürsten Metternich vor. daß die Haltung des Königs, die Rück¬
sichten gegen seine unabhängige souveränes, Rücksichten, welche man fort¬
während außer Acht läßt, sich zu den Bedürfnissen der Finanzen gesellen,
um . zu verbieten, daß man die fremde Besetzung bis zum Ende des Kon¬
gresses fortdauern lasse. Das Argument des Fürsten Metternich dürfte, um
stichhaltig zu sein, nicht vom Mißbrauch der Gewalt begleitet werden. Denn wo
Gewalt ist, giebt es keine Freunde und Alliirte. Der finanzielle Grund, der
in Turin besonders betont wurde, war kein bloßer Borwand. Das Königreich
war schwer belastet durch die 300,000 Fras.. weiche jeden Monat die Unter¬
haltung der Oestreicher kostete, und dazu häuften sich die Klagen über die Arro¬
ganz der östreichischen Generale.

Der Wiederausbruch des Krieges nach Napoleons Rückkehr von' Elba gab
den Oestreichern neuen Vorwand, im Lande zu bleiben. Der König von Sar¬
dinien war der einzige der restaurirten italienischen Fürsten, der sofort zu den
Waffen griff und seine Theilnahme am Kriege erklärte, zum großen Aerger
Oestreichs, das Sardinien gern neutral gesehen hätte, um bei den neuen Frie¬
densverhandlungen aller»Rückstchten überhoben zu sein. Inzwischen that es
alles, die kriegerische Action Sardiniens zu behindern, während es gleich¬
zeitig den turiner Hof bei den Verbündeten anklagte, die Vertheidigungsma߬
regeln in Italien verzögert zu haben. Die Oestreicher, schrieb Valesia im April
an San Marzano, haben es offenbar darauf abgesehen, uns gänzlich im Stich
zu lassen. Ich bin überzeugt, daß sie so handeln, um uns zu zwingen, ihre
Hilfe für einen furchtbaren Preis zu erkaufen. Der König hat alle Gründe,
ihnen zu mißtrauen. Sie verlangen von uns alle Kanonen, die zur Verthei¬
digung Alessandrias nothwendig sind, um sie nach Piacenza zu führen. Ja
Graf Bubna verlangt die Abtragung eines Theiles der Befestigungen der Stadt
Alessandria unter dem Vorwand, daß sie der Vertheidigung der Citadelle hin¬
derlich seien.

Bei dem zweiten pariser Frieden, welcher dem kurzen Feldzug folgte, war
der sardinische Bevollmächtigte, Graf Thaon de Revel, angewiesen, einer Zer¬
stückelung Frankreichs sich zu widersetzen, da diese nur Italien zum Vortheil ge¬
reichen und das Gegengewicht gegen die Uebermacht Oestreichs zerstören würde.
Die Zurückerstattung Savoyens wurde natürlich dankbar angenommen, und
wenn man einen kleinen Theil davon an den neuen Schweizercanton Genf ab¬
treten mußte, so war dafür die Ausdehnung des schweizerischen Neutralitäts¬
systems auf den größten Theil von Savoyen ein entschiedener Nachtheil für die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/31>, abgerufen am 22.07.2024.