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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Hals werfen. Nur wenige wagten es. den süddeutschen Sonderbund zu befür"
Worten; aber, so hieß es, man habe keinen Grund sich auszusprechen, so lange
die Präliminarien nicht veröffentlicht seien, man dürfe nicht störend in die Ver¬
handlungen eingreifen u. s. w. Der eigentliche Grund war: die Abgeordneten
wollten der Kriegspolitik, die sie selbst so warm vertreten hatten als das Mi-
nisterium, nicht selbst ein Dementi gebM; diese Politik hatte Fiasco gemacht,
aber man durste es nicht eingestehen.

Inzwischen wogt in der Presse heftige Fehde, die dadurch nicht an Urbanität
gewonnen hat, daß Stuttgart das wenig beneidenswerthe Hauptquartier der radi¬
kalen Utopisten aus aller deutschen Herren Ländern geworden ist. Ueber die wahre
Meinung des Landes kann kein Zweifel sein. So tief noch der Haß gegen
Preußen sitzt, so wünscht doch niemand die politische und volkswirthschaftliche
Trennung vom Norden. Die Versammlung der Volkspartei am 28. Juli, die
für den Sonderbund sich erklärte, ist spurlos vorübergegangen und ohne Echo
aus dem Lande geblieben. Die gebildeten Classen sind durchweg für den An¬
schluß an das unter Preußen geeinigte Norddeutschland, mit allen seinen Con-
sequenzen. Die, Beamten machen keine Ausnahme. Schon lange sind die Be¬
amten überhaupt und speciell die protestantischen Geistlichen vom Beobachter
und selbst vom Staatsanzeiger als Preußenfreunde denuncirt wordenwenn
diese es bezeugen, muß ja wohl etwas Wahres daran sein. Daß der Handels¬
und Gewerbestand auf dieser Seite steht, ist selbstverständlich. In diesen Kreisen
hat auch die erwähnte Adresse an den König am meisten Zustimmung gefunden.
Wenn gleichwohl die von unsern Freunden eingeleitete Bewegung noch des
wünschenswerthen Nachdrucks entbehrt und , nicht im Stand gewesen ist, den
Sturz eines Ministers zu beschleunigen, dessen berühmtes vao piceis allein ihn
unmöglich machen sollte, so erklärt sich dies weit weniger aus der Stärke der
entgegenstehenden politischen Meinung, als vielmehr aus den bureaukratischen
Gewohnheiten unsres wohldisciplinirten Landes, die es mit sich bringen, daß
Z. B. der Beamte sich durchweg der öffentlichen Betheiligung an einer politischen
Kundgebung enthält, und daß selbst die Gemeindebehörden -- voran , diejenige
der Residenzstadt -- erst dann zu Kundgebungen sich entschließen können, wenn
'sie sicher sind bei ihren Oberen nicht allzu sehr anzustoßen. Soll es aber Ernst
Werden mit der Trennung, zumal mit der volkswirthschaftlichen, so wird es auch
mit dem Widerspruch Ernst werden. Denn darüber giebt sich kein Verständiger
einer Täuschung hin, daß die volkswirthschaftliche Jsolirung von Würtemberg
Und Bayern -- Baden würde einfach den Freihandel proclamiren -- den Ruin
des Landes bedeutete. Was die politische Einsicht nicht vermag, würde die
Schädigung der Interessen vermögen. Es ist aber überhaupt ganz unmöglich,
sich die eigenthümliche Organisation der südlichen - Consöveration vorzustellen.
Die Kriegführung des siebenten und achten Armeecorps ist ein sprechendes Vor-


Hals werfen. Nur wenige wagten es. den süddeutschen Sonderbund zu befür«
Worten; aber, so hieß es, man habe keinen Grund sich auszusprechen, so lange
die Präliminarien nicht veröffentlicht seien, man dürfe nicht störend in die Ver¬
handlungen eingreifen u. s. w. Der eigentliche Grund war: die Abgeordneten
wollten der Kriegspolitik, die sie selbst so warm vertreten hatten als das Mi-
nisterium, nicht selbst ein Dementi gebM; diese Politik hatte Fiasco gemacht,
aber man durste es nicht eingestehen.

Inzwischen wogt in der Presse heftige Fehde, die dadurch nicht an Urbanität
gewonnen hat, daß Stuttgart das wenig beneidenswerthe Hauptquartier der radi¬
kalen Utopisten aus aller deutschen Herren Ländern geworden ist. Ueber die wahre
Meinung des Landes kann kein Zweifel sein. So tief noch der Haß gegen
Preußen sitzt, so wünscht doch niemand die politische und volkswirthschaftliche
Trennung vom Norden. Die Versammlung der Volkspartei am 28. Juli, die
für den Sonderbund sich erklärte, ist spurlos vorübergegangen und ohne Echo
aus dem Lande geblieben. Die gebildeten Classen sind durchweg für den An¬
schluß an das unter Preußen geeinigte Norddeutschland, mit allen seinen Con-
sequenzen. Die, Beamten machen keine Ausnahme. Schon lange sind die Be¬
amten überhaupt und speciell die protestantischen Geistlichen vom Beobachter
und selbst vom Staatsanzeiger als Preußenfreunde denuncirt wordenwenn
diese es bezeugen, muß ja wohl etwas Wahres daran sein. Daß der Handels¬
und Gewerbestand auf dieser Seite steht, ist selbstverständlich. In diesen Kreisen
hat auch die erwähnte Adresse an den König am meisten Zustimmung gefunden.
Wenn gleichwohl die von unsern Freunden eingeleitete Bewegung noch des
wünschenswerthen Nachdrucks entbehrt und , nicht im Stand gewesen ist, den
Sturz eines Ministers zu beschleunigen, dessen berühmtes vao piceis allein ihn
unmöglich machen sollte, so erklärt sich dies weit weniger aus der Stärke der
entgegenstehenden politischen Meinung, als vielmehr aus den bureaukratischen
Gewohnheiten unsres wohldisciplinirten Landes, die es mit sich bringen, daß
Z. B. der Beamte sich durchweg der öffentlichen Betheiligung an einer politischen
Kundgebung enthält, und daß selbst die Gemeindebehörden — voran , diejenige
der Residenzstadt — erst dann zu Kundgebungen sich entschließen können, wenn
'sie sicher sind bei ihren Oberen nicht allzu sehr anzustoßen. Soll es aber Ernst
Werden mit der Trennung, zumal mit der volkswirthschaftlichen, so wird es auch
mit dem Widerspruch Ernst werden. Denn darüber giebt sich kein Verständiger
einer Täuschung hin, daß die volkswirthschaftliche Jsolirung von Würtemberg
Und Bayern — Baden würde einfach den Freihandel proclamiren — den Ruin
des Landes bedeutete. Was die politische Einsicht nicht vermag, würde die
Schädigung der Interessen vermögen. Es ist aber überhaupt ganz unmöglich,
sich die eigenthümliche Organisation der südlichen - Consöveration vorzustellen.
Die Kriegführung des siebenten und achten Armeecorps ist ein sprechendes Vor-


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[0293] Hals werfen. Nur wenige wagten es. den süddeutschen Sonderbund zu befür« Worten; aber, so hieß es, man habe keinen Grund sich auszusprechen, so lange die Präliminarien nicht veröffentlicht seien, man dürfe nicht störend in die Ver¬ handlungen eingreifen u. s. w. Der eigentliche Grund war: die Abgeordneten wollten der Kriegspolitik, die sie selbst so warm vertreten hatten als das Mi- nisterium, nicht selbst ein Dementi gebM; diese Politik hatte Fiasco gemacht, aber man durste es nicht eingestehen. Inzwischen wogt in der Presse heftige Fehde, die dadurch nicht an Urbanität gewonnen hat, daß Stuttgart das wenig beneidenswerthe Hauptquartier der radi¬ kalen Utopisten aus aller deutschen Herren Ländern geworden ist. Ueber die wahre Meinung des Landes kann kein Zweifel sein. So tief noch der Haß gegen Preußen sitzt, so wünscht doch niemand die politische und volkswirthschaftliche Trennung vom Norden. Die Versammlung der Volkspartei am 28. Juli, die für den Sonderbund sich erklärte, ist spurlos vorübergegangen und ohne Echo aus dem Lande geblieben. Die gebildeten Classen sind durchweg für den An¬ schluß an das unter Preußen geeinigte Norddeutschland, mit allen seinen Con- sequenzen. Die, Beamten machen keine Ausnahme. Schon lange sind die Be¬ amten überhaupt und speciell die protestantischen Geistlichen vom Beobachter und selbst vom Staatsanzeiger als Preußenfreunde denuncirt wordenwenn diese es bezeugen, muß ja wohl etwas Wahres daran sein. Daß der Handels¬ und Gewerbestand auf dieser Seite steht, ist selbstverständlich. In diesen Kreisen hat auch die erwähnte Adresse an den König am meisten Zustimmung gefunden. Wenn gleichwohl die von unsern Freunden eingeleitete Bewegung noch des wünschenswerthen Nachdrucks entbehrt und , nicht im Stand gewesen ist, den Sturz eines Ministers zu beschleunigen, dessen berühmtes vao piceis allein ihn unmöglich machen sollte, so erklärt sich dies weit weniger aus der Stärke der entgegenstehenden politischen Meinung, als vielmehr aus den bureaukratischen Gewohnheiten unsres wohldisciplinirten Landes, die es mit sich bringen, daß Z. B. der Beamte sich durchweg der öffentlichen Betheiligung an einer politischen Kundgebung enthält, und daß selbst die Gemeindebehörden — voran , diejenige der Residenzstadt — erst dann zu Kundgebungen sich entschließen können, wenn 'sie sicher sind bei ihren Oberen nicht allzu sehr anzustoßen. Soll es aber Ernst Werden mit der Trennung, zumal mit der volkswirthschaftlichen, so wird es auch mit dem Widerspruch Ernst werden. Denn darüber giebt sich kein Verständiger einer Täuschung hin, daß die volkswirthschaftliche Jsolirung von Würtemberg Und Bayern — Baden würde einfach den Freihandel proclamiren — den Ruin des Landes bedeutete. Was die politische Einsicht nicht vermag, würde die Schädigung der Interessen vermögen. Es ist aber überhaupt ganz unmöglich, sich die eigenthümliche Organisation der südlichen - Consöveration vorzustellen. Die Kriegführung des siebenten und achten Armeecorps ist ein sprechendes Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/293>, abgerufen am 03.07.2024.