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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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dem deutschen Norden angewiesen sind; aber der richtige Schwabe wird sich
vor jedem Schritt scheuen, der wie ein Entgegenkommen gedeutet werden könnte;
er ist überzeugt, daß das übrige Deutschland seine Provinz ungleich'nöthiger
hat als umgekehrt, und er wartet lieber, bis man ihn zwingt, damit er nicht
das süße Recht verliert, über Vergewaltigung seine entrüstete Stimme zu
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So nur läßt sich die eigenthümliche Haltung unsrer Abgeordneten erklären,
bis am 26. Juli zu einer (privaten) Besprechung der Lage zusammentraten.
Seit der Stuttgarter Versammlung vom 12. Juli war die Bewegung zu Gunsten
des Friedens und für Aufrechthaltung der politischen Verbindung mit dem
Norden unverkennbar immer stärker und allgemeiner geworden. Die Veranstalter
jener Versammlung hatten am 20. ein kurzes Programm in diesem Sinn ent¬
worfen und ein Comite niedergesetzt, das weiter für dieses Programm wirken
sollte. Eine Adresse an den König wurde in Umlauf gesetzt, ein Flugblatt
suchte über die Bedeutung des preußischen Bundesreformprojects aufzuklären,
die Nachrichten aus dem Land bezeugten, daß trotz dem vereinigten Entgegen¬
wirken der Radicalen und der Regierungspartei, das während des Kriegs in
höchst seltsamen Symptomen zu Tage getreten war, diese Bewegung an Boden
gewann. Es konnte ja bei d?" Nachrichten vom Kriegsschauplatz auch gar nicht
anders sein, obwohl man sich auch bei uns die undankbare Mühe gab. anfäng¬
lich Siege auszuposaunen. Diese Bewegung hätte natürlich eine bedeutende
Verstärkung erhalten, wenn die Abgeordneten sich ihr angeschlossen hätten, Und,
so' wie die Dinge lagen, mußte man es fast für selbstverstän-dlich halten, daß
Ac>' Landesvertreter gleichfalls für den Frieden und gegen die Mainlinie sich
aussprachen. Aber weit gefehlt. Der Gedanke der Abgeordnetenversammlung
war von solchen Mitgliedern ausgegangen, welche damit eine Demonstration
g ege n die Friedensbewegung beabsichtigten, und sie erreichten ihren Zweck.
In dreimaliger, zum Theil höchst tumultuarischer Berathung, worin die Ab¬
geordneten Römer, Hölder, Wächter vergebens die deutsch nationalen Gesichts¬
punkte verfochten, wurden die Anträge auf eine Erklärung für den Frieden und
gegen eine politische Trennung des Südens vom Norden mit großer Mehrheit
abgeworfen und wiederholt der Beschluß gefaßt, -- nichts zu beschließen, die
Abgeordneten erklärten sich somit sür incompetent in der wichtigsten Sache, die
je einer Particularvertretung vorlag. Sie stärkten durch ein Vertrauensvotum, --
denn dies war die eigentliche Bedeutung ihres Beschlusses -- ein Ministerium,
dessen Politik das Land in die jetzige Lage versetzt hatte, und dessen Fortexistenz
diese Lage schwerlich verbessern konnte. Natürlich wünschte niemand die Fort¬
setzung des Kriegs, aber man müsse, sagten die Redner der Mehrheit, einer
Kundgebung sich enthalten, so lange unsre Truppen noch dem Feind gegenüber"
stehen; man dürfe, sagten andere, nicht'den siegreichen Preußen sich an den


dem deutschen Norden angewiesen sind; aber der richtige Schwabe wird sich
vor jedem Schritt scheuen, der wie ein Entgegenkommen gedeutet werden könnte;
er ist überzeugt, daß das übrige Deutschland seine Provinz ungleich'nöthiger
hat als umgekehrt, und er wartet lieber, bis man ihn zwingt, damit er nicht
das süße Recht verliert, über Vergewaltigung seine entrüstete Stimme zu
WhlsherM sloz . intchoii^ zuo^i^lZ 05-in zjunus SilZs K^it? .us

So nur läßt sich die eigenthümliche Haltung unsrer Abgeordneten erklären,
bis am 26. Juli zu einer (privaten) Besprechung der Lage zusammentraten.
Seit der Stuttgarter Versammlung vom 12. Juli war die Bewegung zu Gunsten
des Friedens und für Aufrechthaltung der politischen Verbindung mit dem
Norden unverkennbar immer stärker und allgemeiner geworden. Die Veranstalter
jener Versammlung hatten am 20. ein kurzes Programm in diesem Sinn ent¬
worfen und ein Comite niedergesetzt, das weiter für dieses Programm wirken
sollte. Eine Adresse an den König wurde in Umlauf gesetzt, ein Flugblatt
suchte über die Bedeutung des preußischen Bundesreformprojects aufzuklären,
die Nachrichten aus dem Land bezeugten, daß trotz dem vereinigten Entgegen¬
wirken der Radicalen und der Regierungspartei, das während des Kriegs in
höchst seltsamen Symptomen zu Tage getreten war, diese Bewegung an Boden
gewann. Es konnte ja bei d?» Nachrichten vom Kriegsschauplatz auch gar nicht
anders sein, obwohl man sich auch bei uns die undankbare Mühe gab. anfäng¬
lich Siege auszuposaunen. Diese Bewegung hätte natürlich eine bedeutende
Verstärkung erhalten, wenn die Abgeordneten sich ihr angeschlossen hätten, Und,
so' wie die Dinge lagen, mußte man es fast für selbstverstän-dlich halten, daß
Ac>' Landesvertreter gleichfalls für den Frieden und gegen die Mainlinie sich
aussprachen. Aber weit gefehlt. Der Gedanke der Abgeordnetenversammlung
war von solchen Mitgliedern ausgegangen, welche damit eine Demonstration
g ege n die Friedensbewegung beabsichtigten, und sie erreichten ihren Zweck.
In dreimaliger, zum Theil höchst tumultuarischer Berathung, worin die Ab¬
geordneten Römer, Hölder, Wächter vergebens die deutsch nationalen Gesichts¬
punkte verfochten, wurden die Anträge auf eine Erklärung für den Frieden und
gegen eine politische Trennung des Südens vom Norden mit großer Mehrheit
abgeworfen und wiederholt der Beschluß gefaßt, — nichts zu beschließen, die
Abgeordneten erklärten sich somit sür incompetent in der wichtigsten Sache, die
je einer Particularvertretung vorlag. Sie stärkten durch ein Vertrauensvotum, —
denn dies war die eigentliche Bedeutung ihres Beschlusses — ein Ministerium,
dessen Politik das Land in die jetzige Lage versetzt hatte, und dessen Fortexistenz
diese Lage schwerlich verbessern konnte. Natürlich wünschte niemand die Fort¬
setzung des Kriegs, aber man müsse, sagten die Redner der Mehrheit, einer
Kundgebung sich enthalten, so lange unsre Truppen noch dem Feind gegenüber«
stehen; man dürfe, sagten andere, nicht'den siegreichen Preußen sich an den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/292>, abgerufen am 03.07.2024.