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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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genügenden Zustand zu, versöhnen. Es fehlt dem Lande micht ^an politischer
Intelligenz, aber?sie ist , gänzlich ungeschult, denn für sie-w"r,. in der Regel in
der Kammer kein Raum. Die Rechtsbeständigkeit des Wahlgesetzes von. 1848
gilt in "Sachsen für zweifellos, dasselbe ist höchst populär, es würde die , aus
Grund desselben berufenen Vertreter gänzlich von dem System des Herrn
v, Beust scheiden. Wenn nach diesem Wahlgesetz die Vertreter des, sächsischen
Volkes zusammengerufen würden, unter der Alternative: Restauration der Sou-
Veränetät und Ausschluß aus dem Zollverein, oder Einfügung in den Bundes¬
staat, so ist nicht der mindeste Zweifel, daß sie entschieden das Letztere wählen
würden. Die preußischeRegierung wird auch den Schein vermeiden, daß sie unloyal
gegen die Friedensbedingungen handle; wenn aber das deutsche Parlament auf
ejner solchen Berufung des sächsischen Volkes bestände, würde Preußen) sich
Nicht wohl einer nationalen Forderung verschließen können. In diesem Falle
Würde die sächsische Frage, deren Behandlung jetzt in dem Stadium, der. diplo¬
matischen Verhandlungen schwebt, zu einer Frage werden, bei welcher jeder Ein¬
zelne in Sachsen seiM.Ueberzeugung männlich geltend.machen,kann.,

, Gegenwärtig aber, wären die öffentlichen Kundgebungen einzelner Sachsen
für Anschluß oder Einverleibung in den Bund und Preußen deshalb ohne
Vortheil,, weil sie auf der Stelle lärmende Gegendemonstrationen hervorrufen
würden. Noch ist dem Volte nichl klar geworden, wie gefährlich seine Lage
durch den Frieden geworden ist, wie grausam die Alternative, vor welcher es
steht, und wie kläglich die Rolle, welche ihm gegenwärtig bei der Entscheidung
über seine höchsten Interessen zugetheilt ist. Nun die Angst steigt unheimlich
auf,, und dk Zahl derer wächst, welche ahnen, daß die großen Siege Preu¬
ßens .und. der Friede vielleicht allen Staaten im Norden des Main Entschei¬
dung ihres Schicksals gebracht haben., nnr dem Königreich Sachsen, nicht; und
dqß. für dieses Land die Entscheidung über Wohl und Wehe in ganz anderer
Weise, von per, Haltung des sächsischen Volkes abhängt, als bei jedem anderen
Territorium des neuen Bundesstaats. ,

Diese Einsicht braucht, Zeit, bevor sich zu festem Willen erhärtet.


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genügenden Zustand zu, versöhnen. Es fehlt dem Lande micht ^an politischer
Intelligenz, aber?sie ist , gänzlich ungeschult, denn für sie-w«r,. in der Regel in
der Kammer kein Raum. Die Rechtsbeständigkeit des Wahlgesetzes von. 1848
gilt in «Sachsen für zweifellos, dasselbe ist höchst populär, es würde die , aus
Grund desselben berufenen Vertreter gänzlich von dem System des Herrn
v, Beust scheiden. Wenn nach diesem Wahlgesetz die Vertreter des, sächsischen
Volkes zusammengerufen würden, unter der Alternative: Restauration der Sou-
Veränetät und Ausschluß aus dem Zollverein, oder Einfügung in den Bundes¬
staat, so ist nicht der mindeste Zweifel, daß sie entschieden das Letztere wählen
würden. Die preußischeRegierung wird auch den Schein vermeiden, daß sie unloyal
gegen die Friedensbedingungen handle; wenn aber das deutsche Parlament auf
ejner solchen Berufung des sächsischen Volkes bestände, würde Preußen) sich
Nicht wohl einer nationalen Forderung verschließen können. In diesem Falle
Würde die sächsische Frage, deren Behandlung jetzt in dem Stadium, der. diplo¬
matischen Verhandlungen schwebt, zu einer Frage werden, bei welcher jeder Ein¬
zelne in Sachsen seiM.Ueberzeugung männlich geltend.machen,kann.,

, Gegenwärtig aber, wären die öffentlichen Kundgebungen einzelner Sachsen
für Anschluß oder Einverleibung in den Bund und Preußen deshalb ohne
Vortheil,, weil sie auf der Stelle lärmende Gegendemonstrationen hervorrufen
würden. Noch ist dem Volte nichl klar geworden, wie gefährlich seine Lage
durch den Frieden geworden ist, wie grausam die Alternative, vor welcher es
steht, und wie kläglich die Rolle, welche ihm gegenwärtig bei der Entscheidung
über seine höchsten Interessen zugetheilt ist. Nun die Angst steigt unheimlich
auf,, und dk Zahl derer wächst, welche ahnen, daß die großen Siege Preu¬
ßens .und. der Friede vielleicht allen Staaten im Norden des Main Entschei¬
dung ihres Schicksals gebracht haben., nnr dem Königreich Sachsen, nicht; und
dqß. für dieses Land die Entscheidung über Wohl und Wehe in ganz anderer
Weise, von per, Haltung des sächsischen Volkes abhängt, als bei jedem anderen
Territorium des neuen Bundesstaats. ,

Diese Einsicht braucht, Zeit, bevor sich zu festem Willen erhärtet.


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[0270] genügenden Zustand zu, versöhnen. Es fehlt dem Lande micht ^an politischer Intelligenz, aber?sie ist , gänzlich ungeschult, denn für sie-w«r,. in der Regel in der Kammer kein Raum. Die Rechtsbeständigkeit des Wahlgesetzes von. 1848 gilt in «Sachsen für zweifellos, dasselbe ist höchst populär, es würde die , aus Grund desselben berufenen Vertreter gänzlich von dem System des Herrn v, Beust scheiden. Wenn nach diesem Wahlgesetz die Vertreter des, sächsischen Volkes zusammengerufen würden, unter der Alternative: Restauration der Sou- Veränetät und Ausschluß aus dem Zollverein, oder Einfügung in den Bundes¬ staat, so ist nicht der mindeste Zweifel, daß sie entschieden das Letztere wählen würden. Die preußischeRegierung wird auch den Schein vermeiden, daß sie unloyal gegen die Friedensbedingungen handle; wenn aber das deutsche Parlament auf ejner solchen Berufung des sächsischen Volkes bestände, würde Preußen) sich Nicht wohl einer nationalen Forderung verschließen können. In diesem Falle Würde die sächsische Frage, deren Behandlung jetzt in dem Stadium, der. diplo¬ matischen Verhandlungen schwebt, zu einer Frage werden, bei welcher jeder Ein¬ zelne in Sachsen seiM.Ueberzeugung männlich geltend.machen,kann., , Gegenwärtig aber, wären die öffentlichen Kundgebungen einzelner Sachsen für Anschluß oder Einverleibung in den Bund und Preußen deshalb ohne Vortheil,, weil sie auf der Stelle lärmende Gegendemonstrationen hervorrufen würden. Noch ist dem Volte nichl klar geworden, wie gefährlich seine Lage durch den Frieden geworden ist, wie grausam die Alternative, vor welcher es steht, und wie kläglich die Rolle, welche ihm gegenwärtig bei der Entscheidung über seine höchsten Interessen zugetheilt ist. Nun die Angst steigt unheimlich auf,, und dk Zahl derer wächst, welche ahnen, daß die großen Siege Preu¬ ßens .und. der Friede vielleicht allen Staaten im Norden des Main Entschei¬ dung ihres Schicksals gebracht haben., nnr dem Königreich Sachsen, nicht; und dqß. für dieses Land die Entscheidung über Wohl und Wehe in ganz anderer Weise, von per, Haltung des sächsischen Volkes abhängt, als bei jedem anderen Territorium des neuen Bundesstaats. , Diese Einsicht braucht, Zeit, bevor sich zu festem Willen erhärtet. F/l

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/270>, abgerufen am 22.07.2024.