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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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ein Jast erträglich ? Kein Zweifel. eS ist unthunlich geworden, "aß ein M"at
Mitglied des neuen Zollvereins werde, wenn er nicht zugleich Theil des Bundes,
stsiites ist. Ordnet Sachsen sich nicht dem Bundesstaate ein, so muß es aus
dem Zollverein ausscheiden, und die Grundlagen^ auf welchen seit mehr ni"
dreißig Jahren sein Wohlstand aufgeblüht ist, werden hinfällig! Der Staat
Sachsen kann dann über die Zollhäuser hinüber, welche sich wieder an seinen
Grenzen erheben, mit dem neuen Bundesstaat Verträge schließen, wie Oestreich,
wie Frankreich, aber -aus der Vttkehrseinheit Deutschland wild er ausgeschieden:

Aber Pteußen kann nicht zugeben, daß Sachsen aus dem Zollverein scheide,
auch seine eigenen Verkehrsinteressen fordern gebieterisch, daß Sachsen dem BUUdt
bewahrt bleib", und ebenso fordert sein militärisches Interesse, daß eS seinen Fuß in
die Elbpässe stemme. Das ist unzweifelhaft; ebenso sicher aber, daß für Preußett
nur möglich ist, den König von Sachsen mit seinem Lande in den Bund ztt
nöthigen, oder Sachsen, wenn eS sein Königshaus zurückerhSlt, aus dem Bund
und Zollverein auszuschließen. Wenn dein König ülsb nicht unter den Bedingung""
eintreten will, welche die Wohlfahrt des Bundes nöthig macht, so wird Preußen
mit derselben Entschiedenheit, Mit welcher seine Heere aus Wien gerückt sind,
seine Zollbeamten gegen die sächsische Grenze schicken und das Land de" HertN
v. Reuse absperren. Was sollte es sonst thun ? Die NestaUVatibN der ttttig-
Uchen Familie ist eine Bedingung des Friedens, welcher sich der König von
Preußen gefügt hat. Soll Preußen den neuen Frieden auf der Stelle brechet^
Und um Sachsen einen zweiten Krieg mit dem erschöpften Oestreich uW dem
eifersüchtigen Frankreich führen^ vielleicht auch noch mit Rußland? Das steht
gänzlich außer Frage. Es ist also für die preußische Regierung trotz den Nach¬
theilen, welche auch ihre Handels" und Militärinteressen treffen" kaun, eine an¬
dere und erfolgreichere Politik geboten, als mit kalter Ruhe das "dgeneigtt
Sachsen sich selbst, die Bürger Sachsens der größten Gefahr Und Verzweiflung
zu überlassen. DaS ist eine fürchterliche Aussicht, sie ist keirlt kelte Drohung,
und Sachsen muß sich auf ihre Realisirung gefaßt Machen.

Doch ein Ausweg bliebe übrig, aber sein Erfolg steht nicht in Preußen"
Hand., Und es ist wahrscheinlich, daß das neue Parlament deS Bundes nach
allen Kräften drängen wird, ihn zu beschielten.

Ueber der milden und volkstümlichen Regierung deS Königs Johann lag
ein dunkler Schatten: sein Land hatte keine Verfassung, die diesen Namen ver¬
diente. Durch königliche Verordnung ist im Jahre 18S0 das Wahlgesetz von
^848 einseitig aufgehoben und eine Scheinvertretung des Volke" geschaffen
worden, welche in der Abnormität ihrer Zusammensetzung sich nur mit der
Mecklenburgischen vergleichen läßt. Dadurch ist die politische Thatkraft des Vol¬
kes gebrochen, die Theilnahme am Staat eine sehr geringe geworden. Durch
sorgliche Förderung der realen Interessen suchte die Regierung mit dem un-


ein Jast erträglich ? Kein Zweifel. eS ist unthunlich geworden, »aß ein M»at
Mitglied des neuen Zollvereins werde, wenn er nicht zugleich Theil des Bundes,
stsiites ist. Ordnet Sachsen sich nicht dem Bundesstaate ein, so muß es aus
dem Zollverein ausscheiden, und die Grundlagen^ auf welchen seit mehr ni»
dreißig Jahren sein Wohlstand aufgeblüht ist, werden hinfällig! Der Staat
Sachsen kann dann über die Zollhäuser hinüber, welche sich wieder an seinen
Grenzen erheben, mit dem neuen Bundesstaat Verträge schließen, wie Oestreich,
wie Frankreich, aber -aus der Vttkehrseinheit Deutschland wild er ausgeschieden:

Aber Pteußen kann nicht zugeben, daß Sachsen aus dem Zollverein scheide,
auch seine eigenen Verkehrsinteressen fordern gebieterisch, daß Sachsen dem BUUdt
bewahrt bleib«, und ebenso fordert sein militärisches Interesse, daß eS seinen Fuß in
die Elbpässe stemme. Das ist unzweifelhaft; ebenso sicher aber, daß für Preußett
nur möglich ist, den König von Sachsen mit seinem Lande in den Bund ztt
nöthigen, oder Sachsen, wenn eS sein Königshaus zurückerhSlt, aus dem Bund
und Zollverein auszuschließen. Wenn dein König ülsb nicht unter den Bedingung««
eintreten will, welche die Wohlfahrt des Bundes nöthig macht, so wird Preußen
mit derselben Entschiedenheit, Mit welcher seine Heere aus Wien gerückt sind,
seine Zollbeamten gegen die sächsische Grenze schicken und das Land de» HertN
v. Reuse absperren. Was sollte es sonst thun ? Die NestaUVatibN der ttttig-
Uchen Familie ist eine Bedingung des Friedens, welcher sich der König von
Preußen gefügt hat. Soll Preußen den neuen Frieden auf der Stelle brechet^
Und um Sachsen einen zweiten Krieg mit dem erschöpften Oestreich uW dem
eifersüchtigen Frankreich führen^ vielleicht auch noch mit Rußland? Das steht
gänzlich außer Frage. Es ist also für die preußische Regierung trotz den Nach¬
theilen, welche auch ihre Handels» und Militärinteressen treffen» kaun, eine an¬
dere und erfolgreichere Politik geboten, als mit kalter Ruhe das «dgeneigtt
Sachsen sich selbst, die Bürger Sachsens der größten Gefahr Und Verzweiflung
zu überlassen. DaS ist eine fürchterliche Aussicht, sie ist keirlt kelte Drohung,
und Sachsen muß sich auf ihre Realisirung gefaßt Machen.

Doch ein Ausweg bliebe übrig, aber sein Erfolg steht nicht in Preußen»
Hand., Und es ist wahrscheinlich, daß das neue Parlament deS Bundes nach
allen Kräften drängen wird, ihn zu beschielten.

Ueber der milden und volkstümlichen Regierung deS Königs Johann lag
ein dunkler Schatten: sein Land hatte keine Verfassung, die diesen Namen ver¬
diente. Durch königliche Verordnung ist im Jahre 18S0 das Wahlgesetz von
^848 einseitig aufgehoben und eine Scheinvertretung des Volke« geschaffen
worden, welche in der Abnormität ihrer Zusammensetzung sich nur mit der
Mecklenburgischen vergleichen läßt. Dadurch ist die politische Thatkraft des Vol¬
kes gebrochen, die Theilnahme am Staat eine sehr geringe geworden. Durch
sorgliche Förderung der realen Interessen suchte die Regierung mit dem un-


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[0269] ein Jast erträglich ? Kein Zweifel. eS ist unthunlich geworden, »aß ein M»at Mitglied des neuen Zollvereins werde, wenn er nicht zugleich Theil des Bundes, stsiites ist. Ordnet Sachsen sich nicht dem Bundesstaate ein, so muß es aus dem Zollverein ausscheiden, und die Grundlagen^ auf welchen seit mehr ni» dreißig Jahren sein Wohlstand aufgeblüht ist, werden hinfällig! Der Staat Sachsen kann dann über die Zollhäuser hinüber, welche sich wieder an seinen Grenzen erheben, mit dem neuen Bundesstaat Verträge schließen, wie Oestreich, wie Frankreich, aber -aus der Vttkehrseinheit Deutschland wild er ausgeschieden: Aber Pteußen kann nicht zugeben, daß Sachsen aus dem Zollverein scheide, auch seine eigenen Verkehrsinteressen fordern gebieterisch, daß Sachsen dem BUUdt bewahrt bleib«, und ebenso fordert sein militärisches Interesse, daß eS seinen Fuß in die Elbpässe stemme. Das ist unzweifelhaft; ebenso sicher aber, daß für Preußett nur möglich ist, den König von Sachsen mit seinem Lande in den Bund ztt nöthigen, oder Sachsen, wenn eS sein Königshaus zurückerhSlt, aus dem Bund und Zollverein auszuschließen. Wenn dein König ülsb nicht unter den Bedingung«« eintreten will, welche die Wohlfahrt des Bundes nöthig macht, so wird Preußen mit derselben Entschiedenheit, Mit welcher seine Heere aus Wien gerückt sind, seine Zollbeamten gegen die sächsische Grenze schicken und das Land de» HertN v. Reuse absperren. Was sollte es sonst thun ? Die NestaUVatibN der ttttig- Uchen Familie ist eine Bedingung des Friedens, welcher sich der König von Preußen gefügt hat. Soll Preußen den neuen Frieden auf der Stelle brechet^ Und um Sachsen einen zweiten Krieg mit dem erschöpften Oestreich uW dem eifersüchtigen Frankreich führen^ vielleicht auch noch mit Rußland? Das steht gänzlich außer Frage. Es ist also für die preußische Regierung trotz den Nach¬ theilen, welche auch ihre Handels» und Militärinteressen treffen» kaun, eine an¬ dere und erfolgreichere Politik geboten, als mit kalter Ruhe das «dgeneigtt Sachsen sich selbst, die Bürger Sachsens der größten Gefahr Und Verzweiflung zu überlassen. DaS ist eine fürchterliche Aussicht, sie ist keirlt kelte Drohung, und Sachsen muß sich auf ihre Realisirung gefaßt Machen. Doch ein Ausweg bliebe übrig, aber sein Erfolg steht nicht in Preußen» Hand., Und es ist wahrscheinlich, daß das neue Parlament deS Bundes nach allen Kräften drängen wird, ihn zu beschielten. Ueber der milden und volkstümlichen Regierung deS Königs Johann lag ein dunkler Schatten: sein Land hatte keine Verfassung, die diesen Namen ver¬ diente. Durch königliche Verordnung ist im Jahre 18S0 das Wahlgesetz von ^848 einseitig aufgehoben und eine Scheinvertretung des Volke« geschaffen worden, welche in der Abnormität ihrer Zusammensetzung sich nur mit der Mecklenburgischen vergleichen läßt. Dadurch ist die politische Thatkraft des Vol¬ kes gebrochen, die Theilnahme am Staat eine sehr geringe geworden. Durch sorgliche Förderung der realen Interessen suchte die Regierung mit dem un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/269>, abgerufen am 22.07.2024.