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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Phrase, Preußen wolle die Ketzerei mit Feuer und Schwert predigen, denselben
Werth hat, wie das Axiom der Kroaten, daß die Preußen das östreichische
Silber gestohlen hätten, und die Kroaten es aus Berlin zurückholen müßten.
-- Dies weiß freilich auch sehr wohl die Partei der ultramontanen Reaction, --
nur will sie es nicht wissen, und grade die jesuitische Art und Weise, wie sie
derartige Befürchtungen eines gegen den Katholicismus gerichteten Religions¬
kriegs hervorzurufen und zu verbreiten sucht, indem sie denselben zu wider¬
sprechen scheint, ist für das schlechte Gewissen bezeichnend.

Diese Partei umfaßt zunächst einen Theil des katholischen Adels, der häufig
seine Söhne in der östreichischen Armee dienen läßt, der seine Gelder in Me-
talliques anlegt, und befangen in den Vorurtheilen des Mittelalters eine Re¬
stauration der Herrschaft der Nitterbürtigen nur von der Herrschaft der öst¬
reichischen Restaurationspolilik erwartet. Derselben schließt sich eine Phalanx
ultramontan gesinnter Beamten, Aerzte, Lehrer?c. an, welche die Ideologen
der Partei bilden, und darum am starrköpfigsten und verbissensten sind. Die
eigentliche Führung aber liegt in den Händen der jüngeren katholischen Geist¬
lichkeit, welche namentlich seitdem die Briefe des Bischofs von Paderborn an
die Protestanten seiner Diöcese eine tactlose und oberflächliche confessionelle
Polemik hervorgerufen haben, sich in Verbindung mit verschiedenen geistlichen
Cvngregationen durch einen fanatischen Eifer auszeichnet, und zu den oft ge¬
hörten Klagen über die "Kaplanwirthschaft" gegründeten Anlaß gegeben hat.
Die Organe dieser Partei sind die mit Geschick und Vorsicht redigirten "Köl¬
nischen Blätter" und der "Westfälische Mercur" in Münster, namentlich aber
eine Anzahl westfälischer Winkelblätter, in denen dann und wann ein Miaut
terribls der Partei die Maske etwas mehr lüftet, als letztere es wünschen
mag. So lange der Krieg noch nicht erklärt war, verschwand diese Fraction
unter der großen Zahl der Friedensfreunde, erkennbar nur durch die pathetische
Betonung der Bundestreue des friedliebenden Oestreich und die maßlosesten
Ausfälle gegen Victor Emanuel, der die Stelle eines Prügelknaben versehen
mußte. -- Als die Mobilmachung der Armee in immer größerem Umfange ein¬
trat, versuchte diese Partei, welche mit der werrenschen Clique in Nassau und
den vom Bischof von Mainz influirten klerikalen Anhängern des Ministeriums
Dalwigk am liebsten Hand in Hand'gegangen wäre, nicht nur durch die prah¬
lerische Schilderung von der Unwiderstehlichkeit der kampfgewohnten östreichischen
Soldaten und von der unübertrefflichen Schlauheit ihrer Führer die Besorgnisse
eines unglücklichen Ausgangs des Krieges möglichst zu steigern, sondern sie ver¬
weilte mit Vorliebe auf der Darstellung der Zerrüttung aller bürgerlichen Ver¬
hältnisse, welche die Einziehung der großentheils verheirateten Reservisten und
Landwehrmänner, die infolge der Kriegsbefürchtungen eintretende Stockung
aller industriellen Unternehmungen, der Mangel an baarem Geld u. s. w. mit


Phrase, Preußen wolle die Ketzerei mit Feuer und Schwert predigen, denselben
Werth hat, wie das Axiom der Kroaten, daß die Preußen das östreichische
Silber gestohlen hätten, und die Kroaten es aus Berlin zurückholen müßten.
— Dies weiß freilich auch sehr wohl die Partei der ultramontanen Reaction, —
nur will sie es nicht wissen, und grade die jesuitische Art und Weise, wie sie
derartige Befürchtungen eines gegen den Katholicismus gerichteten Religions¬
kriegs hervorzurufen und zu verbreiten sucht, indem sie denselben zu wider¬
sprechen scheint, ist für das schlechte Gewissen bezeichnend.

Diese Partei umfaßt zunächst einen Theil des katholischen Adels, der häufig
seine Söhne in der östreichischen Armee dienen läßt, der seine Gelder in Me-
talliques anlegt, und befangen in den Vorurtheilen des Mittelalters eine Re¬
stauration der Herrschaft der Nitterbürtigen nur von der Herrschaft der öst¬
reichischen Restaurationspolilik erwartet. Derselben schließt sich eine Phalanx
ultramontan gesinnter Beamten, Aerzte, Lehrer?c. an, welche die Ideologen
der Partei bilden, und darum am starrköpfigsten und verbissensten sind. Die
eigentliche Führung aber liegt in den Händen der jüngeren katholischen Geist¬
lichkeit, welche namentlich seitdem die Briefe des Bischofs von Paderborn an
die Protestanten seiner Diöcese eine tactlose und oberflächliche confessionelle
Polemik hervorgerufen haben, sich in Verbindung mit verschiedenen geistlichen
Cvngregationen durch einen fanatischen Eifer auszeichnet, und zu den oft ge¬
hörten Klagen über die „Kaplanwirthschaft" gegründeten Anlaß gegeben hat.
Die Organe dieser Partei sind die mit Geschick und Vorsicht redigirten „Köl¬
nischen Blätter" und der „Westfälische Mercur" in Münster, namentlich aber
eine Anzahl westfälischer Winkelblätter, in denen dann und wann ein Miaut
terribls der Partei die Maske etwas mehr lüftet, als letztere es wünschen
mag. So lange der Krieg noch nicht erklärt war, verschwand diese Fraction
unter der großen Zahl der Friedensfreunde, erkennbar nur durch die pathetische
Betonung der Bundestreue des friedliebenden Oestreich und die maßlosesten
Ausfälle gegen Victor Emanuel, der die Stelle eines Prügelknaben versehen
mußte. — Als die Mobilmachung der Armee in immer größerem Umfange ein¬
trat, versuchte diese Partei, welche mit der werrenschen Clique in Nassau und
den vom Bischof von Mainz influirten klerikalen Anhängern des Ministeriums
Dalwigk am liebsten Hand in Hand'gegangen wäre, nicht nur durch die prah¬
lerische Schilderung von der Unwiderstehlichkeit der kampfgewohnten östreichischen
Soldaten und von der unübertrefflichen Schlauheit ihrer Führer die Besorgnisse
eines unglücklichen Ausgangs des Krieges möglichst zu steigern, sondern sie ver¬
weilte mit Vorliebe auf der Darstellung der Zerrüttung aller bürgerlichen Ver¬
hältnisse, welche die Einziehung der großentheils verheirateten Reservisten und
Landwehrmänner, die infolge der Kriegsbefürchtungen eintretende Stockung
aller industriellen Unternehmungen, der Mangel an baarem Geld u. s. w. mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/241>, abgerufen am 22.07.2024.