Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.Magistratur zukommen solle. Der Senat, bestehend aus dreißig der angesehensten Aber schon Lord Castlereagh schüttelte zu diesem Entwurf den Kopf. Was Magistratur zukommen solle. Der Senat, bestehend aus dreißig der angesehensten Aber schon Lord Castlereagh schüttelte zu diesem Entwurf den Kopf. Was <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285612"/> <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> Magistratur zukommen solle. Der Senat, bestehend aus dreißig der angesehensten<lb/> Bürger, die aus den dreißig Bezirken Liguriens zu wählen, solle über der Er-<lb/> Haltung der Verfassung wachen, die gesetzgeberischen Vorlagen berathen und mit<lb/> dem Beschwerderecht ausgestattet eine Controle über die Negierung ausüben.<lb/> Bei den Souveränen, welche sich für gewissenhafte Haltung des Vertrags von<lb/> Seite des Königs von Sardinien verbürgt, solle der Senat eigene Gesandte<lb/> unterhalten. Würde der König nicht selbst in Genua dauernden Wohnsitz nehmen,<lb/> solle er einen Vicekönig daselbst einsetzen, dem königlichen Hause angehörig und<lb/> umgeben von Ministern und einem Staatsrath, die blos aus Ligurern beständen.<lb/> Das jährliche Budget für das Königreich Ligurien und die Vertheilung der<lb/> Steuern sollte zuvor vom Senat genehmigt sein. Ligurien sollte von der Aus¬<lb/> hebung befreit sein, die ligurischen Truppen durch Werbung beschafft werden,<lb/> nur geborene und domicilirte Ligurer zu den öffentlichen Aemtern zugelassen<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_50" next="#ID_51"> Aber schon Lord Castlereagh schüttelte zu diesem Entwurf den Kopf. Was<lb/> mich betrifft, sagte er zu Brignole, so muß ich Ihnen wirklich rathen, von jedem<lb/> Verlangen konstitutioneller Garantien abzustehen und sich mit vollem Ver¬<lb/> trauen dem edelmüthigen Herzen des Königs von Sardinien zu unterwerfen.<lb/> Aber wenn Sie es wünschen, werde ich Ihren Entwurf dem Comite vorlegen,<lb/> das die endliche Beilegung der genueser Angelegenheit zu besorgen hat. An-<lb/> statt sein Wort zu halten, rief Castlereagh sogleich den Grafen San Marzano<lb/> zu sich, übergab ihm den Entwurf und erbat sich diesen wieder mit den Bemer¬<lb/> kungen des sardinischen Gesandten zurück. Die Erwiederung San Marzanos<lb/> war natürlich ablehnend. Sie enthielt theils gegründete, theils sehr sophistische<lb/> Einwendungen, welche die reactionäre Gesinnung der sardinischen Staatsmänner<lb/> schlecht verhüllten. San Marzano führte aus, wenn eine Verfassung, ähnlich<lb/> der französischen, in Ligurien eingeführt werde, so werde Frankreich hier seinen<lb/> Einfluß ausüben und die Oppositionspartei unterstützen, so daß das Land,<lb/> anstatt die Macht Sardiniens gegen Frankreich zu verstärken, vielmehr ein be¬<lb/> ständiger Herd von Anhängern Frankreichs sein werde. Uebrigens würde der<lb/> Entwurf Brignoles eher ein aristokratisches Regime «Is eine wirklich constitu-<lb/> tionelle Monarchie begründen. Nicht blos für die anderen Staaten des Königs,<lb/> sondern für ganz Italien wäre eine solche Verfassung von den größten Gefah¬<lb/> ren. Bedenke man die Aufregung, welche die gestürzte Ordnung der Dinge<lb/> zurückgelassen, so könne man nicht verkennen, wie unklug es wäre, öffentlichen<lb/> politischen Discussionen ein freies Feld zu gewähren, grade in dem Theil Ita¬<lb/> liens, wo die Opposition gegen die Regierung um so ungescheuter auftreten werde,<lb/> als sie von der genuesischen Aristokratie unterhalten sein werde, welche der Staats-<lb/> souveränetät beraubt, naturgemäß dem Gang der Negierung Hindernisse zu be¬<lb/> reiten suchen werde. Nichts könne aus die Einbildungskraft der Mailänder, der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Magistratur zukommen solle. Der Senat, bestehend aus dreißig der angesehensten
Bürger, die aus den dreißig Bezirken Liguriens zu wählen, solle über der Er-
Haltung der Verfassung wachen, die gesetzgeberischen Vorlagen berathen und mit
dem Beschwerderecht ausgestattet eine Controle über die Negierung ausüben.
Bei den Souveränen, welche sich für gewissenhafte Haltung des Vertrags von
Seite des Königs von Sardinien verbürgt, solle der Senat eigene Gesandte
unterhalten. Würde der König nicht selbst in Genua dauernden Wohnsitz nehmen,
solle er einen Vicekönig daselbst einsetzen, dem königlichen Hause angehörig und
umgeben von Ministern und einem Staatsrath, die blos aus Ligurern beständen.
Das jährliche Budget für das Königreich Ligurien und die Vertheilung der
Steuern sollte zuvor vom Senat genehmigt sein. Ligurien sollte von der Aus¬
hebung befreit sein, die ligurischen Truppen durch Werbung beschafft werden,
nur geborene und domicilirte Ligurer zu den öffentlichen Aemtern zugelassen
werden.
Aber schon Lord Castlereagh schüttelte zu diesem Entwurf den Kopf. Was
mich betrifft, sagte er zu Brignole, so muß ich Ihnen wirklich rathen, von jedem
Verlangen konstitutioneller Garantien abzustehen und sich mit vollem Ver¬
trauen dem edelmüthigen Herzen des Königs von Sardinien zu unterwerfen.
Aber wenn Sie es wünschen, werde ich Ihren Entwurf dem Comite vorlegen,
das die endliche Beilegung der genueser Angelegenheit zu besorgen hat. An-
statt sein Wort zu halten, rief Castlereagh sogleich den Grafen San Marzano
zu sich, übergab ihm den Entwurf und erbat sich diesen wieder mit den Bemer¬
kungen des sardinischen Gesandten zurück. Die Erwiederung San Marzanos
war natürlich ablehnend. Sie enthielt theils gegründete, theils sehr sophistische
Einwendungen, welche die reactionäre Gesinnung der sardinischen Staatsmänner
schlecht verhüllten. San Marzano führte aus, wenn eine Verfassung, ähnlich
der französischen, in Ligurien eingeführt werde, so werde Frankreich hier seinen
Einfluß ausüben und die Oppositionspartei unterstützen, so daß das Land,
anstatt die Macht Sardiniens gegen Frankreich zu verstärken, vielmehr ein be¬
ständiger Herd von Anhängern Frankreichs sein werde. Uebrigens würde der
Entwurf Brignoles eher ein aristokratisches Regime «Is eine wirklich constitu-
tionelle Monarchie begründen. Nicht blos für die anderen Staaten des Königs,
sondern für ganz Italien wäre eine solche Verfassung von den größten Gefah¬
ren. Bedenke man die Aufregung, welche die gestürzte Ordnung der Dinge
zurückgelassen, so könne man nicht verkennen, wie unklug es wäre, öffentlichen
politischen Discussionen ein freies Feld zu gewähren, grade in dem Theil Ita¬
liens, wo die Opposition gegen die Regierung um so ungescheuter auftreten werde,
als sie von der genuesischen Aristokratie unterhalten sein werde, welche der Staats-
souveränetät beraubt, naturgemäß dem Gang der Negierung Hindernisse zu be¬
reiten suchen werde. Nichts könne aus die Einbildungskraft der Mailänder, der
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