Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Toscaner, der Römer stärker wirken. Der König von Sardinien selbst.könne
nicht auf die Ruhe seiner Völker zählen, denn das Glück, dessen sie sich unter
einer ausgezeichneten Verfassung erfreuen, könne durch die politischen Diskussio¬
nen der Nachbarn und neuen Mitbürger gestört werden. Die Verfassung Pie-
monts sei ausgezeichnet, denn sie vereinige die legislative mit der executiven
Gewalt, folglich könne man den Genuesen keine bessere Verfassung anbieten
als diejenige Piemonts. Diese fast unglaublichen Schlußsätze charakterisiren am
besten nicht blos die damalige Staatskunst Piemonts, sondern auch die Dispo-
sition der Mächte, welchen ein Gesandter solches bieten durfte.

San Marzano hatte sofort durch einen Courier Victor Emanuel von dem
Project Brignoles in Kenntniß gesetzt. Unverzüglich schrieb der König zurück:
Wenn wir genöthigt sind Opfer zu bringen, um die günstige Gelegenheit, un-
seren Staaten einen militärisch wichtigen Zuwachs zu verschaffen, nicht zu ver-
lieren und eine von unseren Nachbarn unabhängige politische Existenz zu er.
langen, so glauben wir uns gleichzeitig verpflichtet, die Ruhe unserer Völker
und unserer Nachfolger auf keine Weise zu gefährden. Auch den Grundsatz
zugelassen, daß dem ganzen genuesischen Staat Privilegien zuzugestehen seien,
so muß man diese doch auf das äußerste beschränken und diejenigen, die nicht
zu verweigern sind, so unschädlich als möglich machen. So weit ging die Ver¬
blendung Victor Emanuels. daß er hinzusetzte: Unterlassen Sie besonders nicht
von der Besorgniß zu Profitiren, welche Fürst Metternich vor der Aufrichtung
einer constitutionellen Regierung in unmittelbarer Nähe der hitzköpfigen Be¬
wohner des früheren Königreichs Italien empfinden muß. Wenn dieser Mini¬
ster die Italiener und die wahren Interessen seiner Negierung kennt, muß er
unter diesem Gesichtspunkt unser Bundesgenosse sein. Die piemontesische Poli¬
tik sah nicht ein. daß umgekehrt sie der beste Bundesgenosse Oestreichs war.

Der Entwurf Brignoles kam in einer Conferenz der Gesandten der Haupt¬
mächte zur Berathung. Castlereagh war der Erste, welcher erklärte, man könne
in keiner Weise daran denken, konstitutionelle Formen in Italien einzuführen.
Talleyrand, der Brignole seinen Beistand hatte zusagen lassen, schwieg. Metter-
nichs Vorschlag, den Entwurf für unannehmbar zu erklären, fand einstimmige
Annahme. Die Bevollmächtigten Binder, Elcmcarty und de Noailles sollten
mit San Marzano und Brignole gemeinsam die Grundlagen der Vereinigung
Genuas mit Piemont feststellen.

Nun setzte San Marzano einen Entwurf auf, der zunächst bestimmte, daß
die Genuesen ganz denselben Unterthanenverhältnissen unterworfen sein sollten,
wie die alten Staaten des Königs von Sardinien. In einem zweiten Theil
waren die Privilegien der Genuesen bezeichnet, deren wichtigste folgende waren:
Freihafen von Genua sollte mit seinen früheren Reglements wiederher¬
gestellt werden, die Negierung sollte für die Ausfuhr der Waaren aus dem


Toscaner, der Römer stärker wirken. Der König von Sardinien selbst.könne
nicht auf die Ruhe seiner Völker zählen, denn das Glück, dessen sie sich unter
einer ausgezeichneten Verfassung erfreuen, könne durch die politischen Diskussio¬
nen der Nachbarn und neuen Mitbürger gestört werden. Die Verfassung Pie-
monts sei ausgezeichnet, denn sie vereinige die legislative mit der executiven
Gewalt, folglich könne man den Genuesen keine bessere Verfassung anbieten
als diejenige Piemonts. Diese fast unglaublichen Schlußsätze charakterisiren am
besten nicht blos die damalige Staatskunst Piemonts, sondern auch die Dispo-
sition der Mächte, welchen ein Gesandter solches bieten durfte.

San Marzano hatte sofort durch einen Courier Victor Emanuel von dem
Project Brignoles in Kenntniß gesetzt. Unverzüglich schrieb der König zurück:
Wenn wir genöthigt sind Opfer zu bringen, um die günstige Gelegenheit, un-
seren Staaten einen militärisch wichtigen Zuwachs zu verschaffen, nicht zu ver-
lieren und eine von unseren Nachbarn unabhängige politische Existenz zu er.
langen, so glauben wir uns gleichzeitig verpflichtet, die Ruhe unserer Völker
und unserer Nachfolger auf keine Weise zu gefährden. Auch den Grundsatz
zugelassen, daß dem ganzen genuesischen Staat Privilegien zuzugestehen seien,
so muß man diese doch auf das äußerste beschränken und diejenigen, die nicht
zu verweigern sind, so unschädlich als möglich machen. So weit ging die Ver¬
blendung Victor Emanuels. daß er hinzusetzte: Unterlassen Sie besonders nicht
von der Besorgniß zu Profitiren, welche Fürst Metternich vor der Aufrichtung
einer constitutionellen Regierung in unmittelbarer Nähe der hitzköpfigen Be¬
wohner des früheren Königreichs Italien empfinden muß. Wenn dieser Mini¬
ster die Italiener und die wahren Interessen seiner Negierung kennt, muß er
unter diesem Gesichtspunkt unser Bundesgenosse sein. Die piemontesische Poli¬
tik sah nicht ein. daß umgekehrt sie der beste Bundesgenosse Oestreichs war.

Der Entwurf Brignoles kam in einer Conferenz der Gesandten der Haupt¬
mächte zur Berathung. Castlereagh war der Erste, welcher erklärte, man könne
in keiner Weise daran denken, konstitutionelle Formen in Italien einzuführen.
Talleyrand, der Brignole seinen Beistand hatte zusagen lassen, schwieg. Metter-
nichs Vorschlag, den Entwurf für unannehmbar zu erklären, fand einstimmige
Annahme. Die Bevollmächtigten Binder, Elcmcarty und de Noailles sollten
mit San Marzano und Brignole gemeinsam die Grundlagen der Vereinigung
Genuas mit Piemont feststellen.

Nun setzte San Marzano einen Entwurf auf, der zunächst bestimmte, daß
die Genuesen ganz denselben Unterthanenverhältnissen unterworfen sein sollten,
wie die alten Staaten des Königs von Sardinien. In einem zweiten Theil
waren die Privilegien der Genuesen bezeichnet, deren wichtigste folgende waren:
Freihafen von Genua sollte mit seinen früheren Reglements wiederher¬
gestellt werden, die Negierung sollte für die Ausfuhr der Waaren aus dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285613"/>
          <p xml:id="ID_51" prev="#ID_50"> Toscaner, der Römer stärker wirken. Der König von Sardinien selbst.könne<lb/>
nicht auf die Ruhe seiner Völker zählen, denn das Glück, dessen sie sich unter<lb/>
einer ausgezeichneten Verfassung erfreuen, könne durch die politischen Diskussio¬<lb/>
nen der Nachbarn und neuen Mitbürger gestört werden. Die Verfassung Pie-<lb/>
monts sei ausgezeichnet, denn sie vereinige die legislative mit der executiven<lb/>
Gewalt, folglich könne man den Genuesen keine bessere Verfassung anbieten<lb/>
als diejenige Piemonts. Diese fast unglaublichen Schlußsätze charakterisiren am<lb/>
besten nicht blos die damalige Staatskunst Piemonts, sondern auch die Dispo-<lb/>
sition der Mächte, welchen ein Gesandter solches bieten durfte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_52"> San Marzano hatte sofort durch einen Courier Victor Emanuel von dem<lb/>
Project Brignoles in Kenntniß gesetzt. Unverzüglich schrieb der König zurück:<lb/>
Wenn wir genöthigt sind Opfer zu bringen, um die günstige Gelegenheit, un-<lb/>
seren Staaten einen militärisch wichtigen Zuwachs zu verschaffen, nicht zu ver-<lb/>
lieren und eine von unseren Nachbarn unabhängige politische Existenz zu er.<lb/>
langen, so glauben wir uns gleichzeitig verpflichtet, die Ruhe unserer Völker<lb/>
und unserer Nachfolger auf keine Weise zu gefährden. Auch den Grundsatz<lb/>
zugelassen, daß dem ganzen genuesischen Staat Privilegien zuzugestehen seien,<lb/>
so muß man diese doch auf das äußerste beschränken und diejenigen, die nicht<lb/>
zu verweigern sind, so unschädlich als möglich machen. So weit ging die Ver¬<lb/>
blendung Victor Emanuels. daß er hinzusetzte: Unterlassen Sie besonders nicht<lb/>
von der Besorgniß zu Profitiren, welche Fürst Metternich vor der Aufrichtung<lb/>
einer constitutionellen Regierung in unmittelbarer Nähe der hitzköpfigen Be¬<lb/>
wohner des früheren Königreichs Italien empfinden muß.  Wenn dieser Mini¬<lb/>
ster die Italiener und die wahren Interessen seiner Negierung kennt, muß er<lb/>
unter diesem Gesichtspunkt unser Bundesgenosse sein. Die piemontesische Poli¬<lb/>
tik sah nicht ein. daß umgekehrt sie der beste Bundesgenosse Oestreichs war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_53"> Der Entwurf Brignoles kam in einer Conferenz der Gesandten der Haupt¬<lb/>
mächte zur Berathung. Castlereagh war der Erste, welcher erklärte, man könne<lb/>
in keiner Weise daran denken, konstitutionelle Formen in Italien einzuführen.<lb/>
Talleyrand, der Brignole seinen Beistand hatte zusagen lassen, schwieg. Metter-<lb/>
nichs Vorschlag, den Entwurf für unannehmbar zu erklären, fand einstimmige<lb/>
Annahme. Die Bevollmächtigten Binder, Elcmcarty und de Noailles sollten<lb/>
mit San Marzano und Brignole gemeinsam die Grundlagen der Vereinigung<lb/>
Genuas mit Piemont feststellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_54" next="#ID_55"> Nun setzte San Marzano einen Entwurf auf, der zunächst bestimmte, daß<lb/>
die Genuesen ganz denselben Unterthanenverhältnissen unterworfen sein sollten,<lb/>
wie die alten Staaten des Königs von Sardinien. In einem zweiten Theil<lb/>
waren die Privilegien der Genuesen bezeichnet, deren wichtigste folgende waren:<lb/>
Freihafen von Genua sollte mit seinen früheren Reglements wiederher¬<lb/>
gestellt werden, die Negierung sollte für die Ausfuhr der Waaren aus dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] Toscaner, der Römer stärker wirken. Der König von Sardinien selbst.könne nicht auf die Ruhe seiner Völker zählen, denn das Glück, dessen sie sich unter einer ausgezeichneten Verfassung erfreuen, könne durch die politischen Diskussio¬ nen der Nachbarn und neuen Mitbürger gestört werden. Die Verfassung Pie- monts sei ausgezeichnet, denn sie vereinige die legislative mit der executiven Gewalt, folglich könne man den Genuesen keine bessere Verfassung anbieten als diejenige Piemonts. Diese fast unglaublichen Schlußsätze charakterisiren am besten nicht blos die damalige Staatskunst Piemonts, sondern auch die Dispo- sition der Mächte, welchen ein Gesandter solches bieten durfte. San Marzano hatte sofort durch einen Courier Victor Emanuel von dem Project Brignoles in Kenntniß gesetzt. Unverzüglich schrieb der König zurück: Wenn wir genöthigt sind Opfer zu bringen, um die günstige Gelegenheit, un- seren Staaten einen militärisch wichtigen Zuwachs zu verschaffen, nicht zu ver- lieren und eine von unseren Nachbarn unabhängige politische Existenz zu er. langen, so glauben wir uns gleichzeitig verpflichtet, die Ruhe unserer Völker und unserer Nachfolger auf keine Weise zu gefährden. Auch den Grundsatz zugelassen, daß dem ganzen genuesischen Staat Privilegien zuzugestehen seien, so muß man diese doch auf das äußerste beschränken und diejenigen, die nicht zu verweigern sind, so unschädlich als möglich machen. So weit ging die Ver¬ blendung Victor Emanuels. daß er hinzusetzte: Unterlassen Sie besonders nicht von der Besorgniß zu Profitiren, welche Fürst Metternich vor der Aufrichtung einer constitutionellen Regierung in unmittelbarer Nähe der hitzköpfigen Be¬ wohner des früheren Königreichs Italien empfinden muß. Wenn dieser Mini¬ ster die Italiener und die wahren Interessen seiner Negierung kennt, muß er unter diesem Gesichtspunkt unser Bundesgenosse sein. Die piemontesische Poli¬ tik sah nicht ein. daß umgekehrt sie der beste Bundesgenosse Oestreichs war. Der Entwurf Brignoles kam in einer Conferenz der Gesandten der Haupt¬ mächte zur Berathung. Castlereagh war der Erste, welcher erklärte, man könne in keiner Weise daran denken, konstitutionelle Formen in Italien einzuführen. Talleyrand, der Brignole seinen Beistand hatte zusagen lassen, schwieg. Metter- nichs Vorschlag, den Entwurf für unannehmbar zu erklären, fand einstimmige Annahme. Die Bevollmächtigten Binder, Elcmcarty und de Noailles sollten mit San Marzano und Brignole gemeinsam die Grundlagen der Vereinigung Genuas mit Piemont feststellen. Nun setzte San Marzano einen Entwurf auf, der zunächst bestimmte, daß die Genuesen ganz denselben Unterthanenverhältnissen unterworfen sein sollten, wie die alten Staaten des Königs von Sardinien. In einem zweiten Theil waren die Privilegien der Genuesen bezeichnet, deren wichtigste folgende waren: Freihafen von Genua sollte mit seinen früheren Reglements wiederher¬ gestellt werden, die Negierung sollte für die Ausfuhr der Waaren aus dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/25
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/25>, abgerufen am 25.08.2024.