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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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welchem die Zukunft der Deutschen wogt, wenigstens so weit erhellt, daß wir
den Körper des neuen Bundesstaates zu erkennen vermögen.

Die Vorsicht, welche durch die officiellen Blätter gegen Süddeutschland
empfohlen wurde, ist leicht begreiflich, auch über die letzten Wünsche der preu¬
ßischen Regierung wird man nicht im Zweifel sein. Für uns, die wir nicht
diplomatische Verpflichtungen haben, und nicht vermeiden dürfen, einer allgemei¬
nen Forderung Ausdruck zu geben, steht diese große Angelegenheit doch so, daß
wir ruhig abwarten müssen, was die Süddeutschen selbst thun. Sie haben die
Initiative zu ergreifen, sie zuerst mögen ihre Regierungen und sich selbst be¬
rathen. In Bayern, in Würtemberg, selbst in Baden hat das Volk in einer
Weise, welche zu vergessen schwer wird, den Krieg gegen Preußen gefordert, es
war bei diesem Kriegsgeschrei eine Ueberschätzung der eigenen Kraft, ein Ver¬
kennen der eigenen Interessen und trotz aller Versicherungen vom Gegentheil
ein Mangel an deutschen Sinn, der uns jetzt eine vorsichtige Zurückhaltung auf¬
erlegt. Es ist wahr, die Kriegführung hat ihnen die Unsicherheit ihrer Herren
die Schwäche der militärischen Führung und die UnHaltbarkeit der alten For¬
men ihrer politischen Existenz sehr nahe gelegt, aber noch wissen wir nicht, wie
tief diese Erkenntniß gedrungen ist; wenn einzelne Volksversammlungen resig-
nirte Beschlüsse fassen, wenn verständige Correspondenten der besseren Blätter
jetzt in unserem Sinne schreiben, so giebt das keinen Maßstab für die Tem¬
peratur in der großen Masse des Volkes, noch weniger für die Fügsamkeit ihrer
Regierungen. Die ultramontane Partei ist rührig, Oestreich und.das Ausland
werden es nicht an stiller Gegenwirkung fehlen lassen; die herzliche Mahnung,
welche wir senden können, daß sie zu uns gehören, ist vor dem Kriege von
ihnen mit Zorn zurückgewiesen worden, sie wird auch jetzt nicht die öffentliche
Meinung richten. Nicht wir haben uns von ihnen geschieden, und nicht die
preußische Regierung hat dies jetzt unternommen, sie selbst haben sich das ge¬
fordert. ES ist nur billig, daß ihnen jetzt freigestellt wird, sich an Oestreich
anzuschließen oder mit einander eine dritte Großmacht zu bilden. Das war seit
Jahren ihr eifriger Wunsch, wir wollen doch zuwarten, bis die Gewährung
ihnen selbst fürchterlich erscheint. Es scheint, daß die Mittel, welche von anderer
Seite angewandt werden, ihnen ihre Gefahr fühlbar zu machen, weit wirksamer
sind. Die harte Behandlung Frankfurts, welche sich zuletzt wohl nur als eine
strenge Drohung erweisen wird, hat die Folge gehabt, daß die würtenbergische
Regierung sich beeilte, die ausgeleerten Räume in den preußischen Zeughäusern
der Hohenzollern still wieder zu füllen, und daß sämmtlichen Nachbarn im
Süden Ernst und Gefahr eines Krieges sehr eindringlich wurden. Die Er¬
richtung von Zollhäusern an der Mainlinie wird ein zweites Mittel sein.

Was soll die preußische Regierung sonst thun? Soll sie im Friedensschluß von
Bayern uird Würtemberg fordern, ihrer Militärhoheit zu entsagen? und wenn


welchem die Zukunft der Deutschen wogt, wenigstens so weit erhellt, daß wir
den Körper des neuen Bundesstaates zu erkennen vermögen.

Die Vorsicht, welche durch die officiellen Blätter gegen Süddeutschland
empfohlen wurde, ist leicht begreiflich, auch über die letzten Wünsche der preu¬
ßischen Regierung wird man nicht im Zweifel sein. Für uns, die wir nicht
diplomatische Verpflichtungen haben, und nicht vermeiden dürfen, einer allgemei¬
nen Forderung Ausdruck zu geben, steht diese große Angelegenheit doch so, daß
wir ruhig abwarten müssen, was die Süddeutschen selbst thun. Sie haben die
Initiative zu ergreifen, sie zuerst mögen ihre Regierungen und sich selbst be¬
rathen. In Bayern, in Würtemberg, selbst in Baden hat das Volk in einer
Weise, welche zu vergessen schwer wird, den Krieg gegen Preußen gefordert, es
war bei diesem Kriegsgeschrei eine Ueberschätzung der eigenen Kraft, ein Ver¬
kennen der eigenen Interessen und trotz aller Versicherungen vom Gegentheil
ein Mangel an deutschen Sinn, der uns jetzt eine vorsichtige Zurückhaltung auf¬
erlegt. Es ist wahr, die Kriegführung hat ihnen die Unsicherheit ihrer Herren
die Schwäche der militärischen Führung und die UnHaltbarkeit der alten For¬
men ihrer politischen Existenz sehr nahe gelegt, aber noch wissen wir nicht, wie
tief diese Erkenntniß gedrungen ist; wenn einzelne Volksversammlungen resig-
nirte Beschlüsse fassen, wenn verständige Correspondenten der besseren Blätter
jetzt in unserem Sinne schreiben, so giebt das keinen Maßstab für die Tem¬
peratur in der großen Masse des Volkes, noch weniger für die Fügsamkeit ihrer
Regierungen. Die ultramontane Partei ist rührig, Oestreich und.das Ausland
werden es nicht an stiller Gegenwirkung fehlen lassen; die herzliche Mahnung,
welche wir senden können, daß sie zu uns gehören, ist vor dem Kriege von
ihnen mit Zorn zurückgewiesen worden, sie wird auch jetzt nicht die öffentliche
Meinung richten. Nicht wir haben uns von ihnen geschieden, und nicht die
preußische Regierung hat dies jetzt unternommen, sie selbst haben sich das ge¬
fordert. ES ist nur billig, daß ihnen jetzt freigestellt wird, sich an Oestreich
anzuschließen oder mit einander eine dritte Großmacht zu bilden. Das war seit
Jahren ihr eifriger Wunsch, wir wollen doch zuwarten, bis die Gewährung
ihnen selbst fürchterlich erscheint. Es scheint, daß die Mittel, welche von anderer
Seite angewandt werden, ihnen ihre Gefahr fühlbar zu machen, weit wirksamer
sind. Die harte Behandlung Frankfurts, welche sich zuletzt wohl nur als eine
strenge Drohung erweisen wird, hat die Folge gehabt, daß die würtenbergische
Regierung sich beeilte, die ausgeleerten Räume in den preußischen Zeughäusern
der Hohenzollern still wieder zu füllen, und daß sämmtlichen Nachbarn im
Süden Ernst und Gefahr eines Krieges sehr eindringlich wurden. Die Er¬
richtung von Zollhäusern an der Mainlinie wird ein zweites Mittel sein.

Was soll die preußische Regierung sonst thun? Soll sie im Friedensschluß von
Bayern uird Würtemberg fordern, ihrer Militärhoheit zu entsagen? und wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/227>, abgerufen am 22.07.2024.