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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Salzburg mit Herrn von der Pfordten zusammentraf, soll er sich dahin ge¬
äußert haben, daß dieser Krieg nichts anders als ein Duell der Vormächte sein
werde. Damals schien es wirklich so; ja noch wenige Tage vor dem verhäng-
nißvollen 14. Juni konnte die Hoffnung genährt werden, daß es auch diesmal
so bleibe. Die Patrioten, die sich von der Integrität der dritten Gruppe heil¬
same Wirkung auf den Friedensschluß zwischen ihren hadernden Vormündern
versprachen, sind getäuscht worden. Statt des localisirten haben wir den deut¬
schen Krieg. Täuschen wir uns nicht darüber, daß das große Aergerniß der
Nation auch sehr Heilsames im Gefolge hat.

Wenn bisher in den Völkern der meisten Kleinstaaten die selbstverschuldete
Schwäche der Regierungen als unvermeidliche Folge der consequenten Brüs-
kirung angesehen worden ist, die ihnen von den Großstaaten -- von Oestreich
genau ebenso wie von Preußen -- zu Theil wurde, so lebte man der Zuver¬
sicht, daß die Tage der Abrechnung zwischen den beiden die Mündigkeit der ver¬
einten dritten bringen müsse. Indem sie sich neben den Kampf stellten, konnten
sie Gelegenheit gewinnen, ihn zu schlichten, und das Schiedsrecht mußte ihnen
Koordination bringen.

Was sich in den letzten Wochen in Norddeutschland und am Main ereignet
hat, mag den Stämmen, die es angeht, lehren, daß dies eher zu fürchten als
zu hoffen war. So schwer wir den Schmerz darüber mitempfinden, daß Blut
geflossen ist zwischen Brüdern, es ist besser so, als wenn noch einmal die wirk¬
liche Gestalt der Dinge verhüllt geblieben wäre. Alle Phrasen vom Recht der
dritten Gruppe und von ihrem deutscheren Beruf sind abgethan. Die That¬
sache der Liga mit Oestreich wirft diese ganze Politik zu den Todten -- nicht
factisch blos -- auch sei es ferne, den Tag vor dem Abend zu loben --, son¬
dern sittlich. Mag die Erfahrung noch so bitter sein, die Nation hat sich Glück
zu wünschen, daß sie sie jetzt gemacht hat. Nach dem, was an Hannover.
Bayern, Hessen erlebt worden ist -- Sachsens zu geschweige", dessen wackere
Soldaten etwas Besseres verdient hätten, denn als Hilfsvölker des Lothringers
vergeudet zu werden --, ist es klar, daß für den edlen Theil der Nation, den
die antipreußischen Staaten umschließen, die Neutralität im gegenwärtigen Kriege
nicht Wachsthum ihrer politischen Geltung, sondern vielmehr den Fluch ver¬
ewigter Neutralisirung bedeutet hätte. Zum Ekel oft haben wir diese Regie¬
rungen behaupten hören, daß sie zusammen eine gebieterische Macht seien:
Hie Rdoäus -- riefen die Ereignisse -- und die Misöre wurden offenbar. Mit
dem politischen Unsinn der Staatsnullitäten konnte auch der große Tag der
Noth, der sonst so oft Wunder gewirkt hat, nichts anfangen. Wieder hat
Preußen, wie 1813, durch die überwältigende Energie seiner Selbstaufopferung
die Hälfte der Nation vom politischen Untergange gerettet. Zum letzten Mal,
weil mit den letzten Gründen der Discussion über die Pflicht zum Vaterlande


Salzburg mit Herrn von der Pfordten zusammentraf, soll er sich dahin ge¬
äußert haben, daß dieser Krieg nichts anders als ein Duell der Vormächte sein
werde. Damals schien es wirklich so; ja noch wenige Tage vor dem verhäng-
nißvollen 14. Juni konnte die Hoffnung genährt werden, daß es auch diesmal
so bleibe. Die Patrioten, die sich von der Integrität der dritten Gruppe heil¬
same Wirkung auf den Friedensschluß zwischen ihren hadernden Vormündern
versprachen, sind getäuscht worden. Statt des localisirten haben wir den deut¬
schen Krieg. Täuschen wir uns nicht darüber, daß das große Aergerniß der
Nation auch sehr Heilsames im Gefolge hat.

Wenn bisher in den Völkern der meisten Kleinstaaten die selbstverschuldete
Schwäche der Regierungen als unvermeidliche Folge der consequenten Brüs-
kirung angesehen worden ist, die ihnen von den Großstaaten — von Oestreich
genau ebenso wie von Preußen — zu Theil wurde, so lebte man der Zuver¬
sicht, daß die Tage der Abrechnung zwischen den beiden die Mündigkeit der ver¬
einten dritten bringen müsse. Indem sie sich neben den Kampf stellten, konnten
sie Gelegenheit gewinnen, ihn zu schlichten, und das Schiedsrecht mußte ihnen
Koordination bringen.

Was sich in den letzten Wochen in Norddeutschland und am Main ereignet
hat, mag den Stämmen, die es angeht, lehren, daß dies eher zu fürchten als
zu hoffen war. So schwer wir den Schmerz darüber mitempfinden, daß Blut
geflossen ist zwischen Brüdern, es ist besser so, als wenn noch einmal die wirk¬
liche Gestalt der Dinge verhüllt geblieben wäre. Alle Phrasen vom Recht der
dritten Gruppe und von ihrem deutscheren Beruf sind abgethan. Die That¬
sache der Liga mit Oestreich wirft diese ganze Politik zu den Todten — nicht
factisch blos — auch sei es ferne, den Tag vor dem Abend zu loben —, son¬
dern sittlich. Mag die Erfahrung noch so bitter sein, die Nation hat sich Glück
zu wünschen, daß sie sie jetzt gemacht hat. Nach dem, was an Hannover.
Bayern, Hessen erlebt worden ist — Sachsens zu geschweige», dessen wackere
Soldaten etwas Besseres verdient hätten, denn als Hilfsvölker des Lothringers
vergeudet zu werden —, ist es klar, daß für den edlen Theil der Nation, den
die antipreußischen Staaten umschließen, die Neutralität im gegenwärtigen Kriege
nicht Wachsthum ihrer politischen Geltung, sondern vielmehr den Fluch ver¬
ewigter Neutralisirung bedeutet hätte. Zum Ekel oft haben wir diese Regie¬
rungen behaupten hören, daß sie zusammen eine gebieterische Macht seien:
Hie Rdoäus — riefen die Ereignisse — und die Misöre wurden offenbar. Mit
dem politischen Unsinn der Staatsnullitäten konnte auch der große Tag der
Noth, der sonst so oft Wunder gewirkt hat, nichts anfangen. Wieder hat
Preußen, wie 1813, durch die überwältigende Energie seiner Selbstaufopferung
die Hälfte der Nation vom politischen Untergange gerettet. Zum letzten Mal,
weil mit den letzten Gründen der Discussion über die Pflicht zum Vaterlande


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[0202] Salzburg mit Herrn von der Pfordten zusammentraf, soll er sich dahin ge¬ äußert haben, daß dieser Krieg nichts anders als ein Duell der Vormächte sein werde. Damals schien es wirklich so; ja noch wenige Tage vor dem verhäng- nißvollen 14. Juni konnte die Hoffnung genährt werden, daß es auch diesmal so bleibe. Die Patrioten, die sich von der Integrität der dritten Gruppe heil¬ same Wirkung auf den Friedensschluß zwischen ihren hadernden Vormündern versprachen, sind getäuscht worden. Statt des localisirten haben wir den deut¬ schen Krieg. Täuschen wir uns nicht darüber, daß das große Aergerniß der Nation auch sehr Heilsames im Gefolge hat. Wenn bisher in den Völkern der meisten Kleinstaaten die selbstverschuldete Schwäche der Regierungen als unvermeidliche Folge der consequenten Brüs- kirung angesehen worden ist, die ihnen von den Großstaaten — von Oestreich genau ebenso wie von Preußen — zu Theil wurde, so lebte man der Zuver¬ sicht, daß die Tage der Abrechnung zwischen den beiden die Mündigkeit der ver¬ einten dritten bringen müsse. Indem sie sich neben den Kampf stellten, konnten sie Gelegenheit gewinnen, ihn zu schlichten, und das Schiedsrecht mußte ihnen Koordination bringen. Was sich in den letzten Wochen in Norddeutschland und am Main ereignet hat, mag den Stämmen, die es angeht, lehren, daß dies eher zu fürchten als zu hoffen war. So schwer wir den Schmerz darüber mitempfinden, daß Blut geflossen ist zwischen Brüdern, es ist besser so, als wenn noch einmal die wirk¬ liche Gestalt der Dinge verhüllt geblieben wäre. Alle Phrasen vom Recht der dritten Gruppe und von ihrem deutscheren Beruf sind abgethan. Die That¬ sache der Liga mit Oestreich wirft diese ganze Politik zu den Todten — nicht factisch blos — auch sei es ferne, den Tag vor dem Abend zu loben —, son¬ dern sittlich. Mag die Erfahrung noch so bitter sein, die Nation hat sich Glück zu wünschen, daß sie sie jetzt gemacht hat. Nach dem, was an Hannover. Bayern, Hessen erlebt worden ist — Sachsens zu geschweige», dessen wackere Soldaten etwas Besseres verdient hätten, denn als Hilfsvölker des Lothringers vergeudet zu werden —, ist es klar, daß für den edlen Theil der Nation, den die antipreußischen Staaten umschließen, die Neutralität im gegenwärtigen Kriege nicht Wachsthum ihrer politischen Geltung, sondern vielmehr den Fluch ver¬ ewigter Neutralisirung bedeutet hätte. Zum Ekel oft haben wir diese Regie¬ rungen behaupten hören, daß sie zusammen eine gebieterische Macht seien: Hie Rdoäus — riefen die Ereignisse — und die Misöre wurden offenbar. Mit dem politischen Unsinn der Staatsnullitäten konnte auch der große Tag der Noth, der sonst so oft Wunder gewirkt hat, nichts anfangen. Wieder hat Preußen, wie 1813, durch die überwältigende Energie seiner Selbstaufopferung die Hälfte der Nation vom politischen Untergange gerettet. Zum letzten Mal, weil mit den letzten Gründen der Discussion über die Pflicht zum Vaterlande

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/202>, abgerufen am 22.07.2024.