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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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werden muß. Das Schicksal Oestreichs darf uns dabei weniger kümmern, als
das unserer süddeutschen Gegner. Denn wir lesen, daß auch in einzelnen
Kreisen Bayerns von Volksbewaffnung und Schützenfreischaaren die Rede ist.
Mögen unsere Landsleute deshalb das wohlmeinende Wort eines Bürgers aus
dem Reiche freundlich anhören.

Seit Franzosen, Spanier und Tiroler am Ende des vorigen Jahrhunderts
und im ersten Jahrzehnt des gegenwärtigen den regulären Heeren durch Volks¬
bewaffnung große Verlegenheiten bereiteten, wurde der bewaffnete Kampf der
Einwohner eines Landes gegen den eindringenden Feind längere Zeit in einem
romantischen Lichte angesehen. Noch bei der preußischen Erhebung gegen Na¬
poleon im Jahre 1813 projectirte man die Bildung eines Landsturms. Ader
es blieb schon damals aus gutem Grunde bei den ersten Ansängen dieser For¬
mation, obgleich auch ihr ein Charakter gegeben werden sollte, der sie dem
regulären Heer und dessen Kriegsbrauch unterordnete. Denn man erkannte,
daß der zu hoffende Nutzen nicht groß, die Gefahr solcher Maßregel unüber¬
sehbar sei.

Seitdem ist eine große Wandlung in der Methode, Krieg zu führen, ein¬
getreten. Die Entwickelung des bürgerlichen Wohlstands, der Civilisation und
Sittlichkeit hat sehr große Fortschritte gemacht. Der deutsche Krieg dieses Jahres
ist bis jetzt mit einer Humanität geführt worden, welche neben dem vielen
Schrecklichen, welches unvermeidlich durch ihn hervorgebracht wird, doch als ein
Glück moderner Cultur erfreuen muß. Der verwundete Feind wird von den
Preußen mit derselben liebevollen Sorgfalt behandelt, wie der Krieger des
eigenen Staates, Aerzte und Krankenpfleger, alle Diener der Barmherzigkeit
und des Mitgefühls werden nach internationalem Abkommen als bevorzugte
Neutrale betrachtet, die im besondern Schutz des Völkerrechts stehen, das Pnvat-
eigenthum auch in Feindesland bleibt unversehrt, sogar den feindlichen Staats¬
instituten, welche Kunst, Bildung und die Segnungen des Friedens verbreiten
sollen, wird der Schutz des Kriegsfeindes zu Theil, Person und Eigenthum
feindlicher Unterthanen ist sogar auf der Landstraße und dem Meere geschützt,
Sicherheit des Lebens und Eigenthums, der civilen Ordnung, der Rechtspflege
wird durch die Feinde -- wenigstens wenn diese Preußen sind -- in feindlichen
Städten gesichert; der einquartierte Soldat hat an seinen Quartiergeber be¬
stimmte Forderungen zu stellen, was er darüber begehrt, muß er von den Bürgern
des feindlichen Landes kaufen und vielleicht theurer bezahlen wie ein Andrer.
Das alles ist ein großer Fortschritt, für Millionen ein unermeßliches Glück.
Es beschränkt die Zerstörungen des Krieges aus das möglichst geringe Maß,
es giebt dem Volke die Möglichkeit, eine solche Krisis seines Lebens zu über¬
winden, ohne daß es entsittlicht und zerschlagen wird, ohne daß es verwildert
und verdirbt.


werden muß. Das Schicksal Oestreichs darf uns dabei weniger kümmern, als
das unserer süddeutschen Gegner. Denn wir lesen, daß auch in einzelnen
Kreisen Bayerns von Volksbewaffnung und Schützenfreischaaren die Rede ist.
Mögen unsere Landsleute deshalb das wohlmeinende Wort eines Bürgers aus
dem Reiche freundlich anhören.

Seit Franzosen, Spanier und Tiroler am Ende des vorigen Jahrhunderts
und im ersten Jahrzehnt des gegenwärtigen den regulären Heeren durch Volks¬
bewaffnung große Verlegenheiten bereiteten, wurde der bewaffnete Kampf der
Einwohner eines Landes gegen den eindringenden Feind längere Zeit in einem
romantischen Lichte angesehen. Noch bei der preußischen Erhebung gegen Na¬
poleon im Jahre 1813 projectirte man die Bildung eines Landsturms. Ader
es blieb schon damals aus gutem Grunde bei den ersten Ansängen dieser For¬
mation, obgleich auch ihr ein Charakter gegeben werden sollte, der sie dem
regulären Heer und dessen Kriegsbrauch unterordnete. Denn man erkannte,
daß der zu hoffende Nutzen nicht groß, die Gefahr solcher Maßregel unüber¬
sehbar sei.

Seitdem ist eine große Wandlung in der Methode, Krieg zu führen, ein¬
getreten. Die Entwickelung des bürgerlichen Wohlstands, der Civilisation und
Sittlichkeit hat sehr große Fortschritte gemacht. Der deutsche Krieg dieses Jahres
ist bis jetzt mit einer Humanität geführt worden, welche neben dem vielen
Schrecklichen, welches unvermeidlich durch ihn hervorgebracht wird, doch als ein
Glück moderner Cultur erfreuen muß. Der verwundete Feind wird von den
Preußen mit derselben liebevollen Sorgfalt behandelt, wie der Krieger des
eigenen Staates, Aerzte und Krankenpfleger, alle Diener der Barmherzigkeit
und des Mitgefühls werden nach internationalem Abkommen als bevorzugte
Neutrale betrachtet, die im besondern Schutz des Völkerrechts stehen, das Pnvat-
eigenthum auch in Feindesland bleibt unversehrt, sogar den feindlichen Staats¬
instituten, welche Kunst, Bildung und die Segnungen des Friedens verbreiten
sollen, wird der Schutz des Kriegsfeindes zu Theil, Person und Eigenthum
feindlicher Unterthanen ist sogar auf der Landstraße und dem Meere geschützt,
Sicherheit des Lebens und Eigenthums, der civilen Ordnung, der Rechtspflege
wird durch die Feinde — wenigstens wenn diese Preußen sind — in feindlichen
Städten gesichert; der einquartierte Soldat hat an seinen Quartiergeber be¬
stimmte Forderungen zu stellen, was er darüber begehrt, muß er von den Bürgern
des feindlichen Landes kaufen und vielleicht theurer bezahlen wie ein Andrer.
Das alles ist ein großer Fortschritt, für Millionen ein unermeßliches Glück.
Es beschränkt die Zerstörungen des Krieges aus das möglichst geringe Maß,
es giebt dem Volke die Möglichkeit, eine solche Krisis seines Lebens zu über¬
winden, ohne daß es entsittlicht und zerschlagen wird, ohne daß es verwildert
und verdirbt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/191>, abgerufen am 03.07.2024.