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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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bestechlichen" und als "Pfand deutscher Fürstenehre" feiert; wer derartig sich
wegwirft, hat das Recht verloren, sich liberal zu nennen.

Die meisten wiener Blätter wetteiferten an Gemeinheit, sehr viel leistete
darin die liberale "Presse"; und unter allem Empörenden, was sie schrieb,
war unserm Gefühl das Empörendste, als sie sagte: die italienischen Frei¬
willigen würden für die tiroler Schützen "willkommene Gegenstände eines
großen Festschießens" bilden. Solcher bestialische Uebermuth ist zur rechten
Stunde gezüchtigt worden. Und noch immer ist dieser hochfahrende Sinn nicht
gebrochen. Der eine Tag des Kleinmuths, als die Armee zertrümmert dalag,
ist vor der Glorie napoleonischer Hilfe in Vergessenheit gerathen. Aus dem
Arsenal ihrer Bilder wappnete sich die "Presse" täglich mit neuen Gleichnissen
und ließ die Feinde jetzt, da die "affenartige Beweglichkeit" und die "infusorien¬
artige Rührigkeit" abgenutzt sind, mit der "Geschwindigkeit einer Epidemie" sich
ausbreiten. Noch rief sie in gehobener Stimmung: "Venetien ist abgetreten,
Preußen wird niedergetreten", und druckt wörtlich: nicht die Preußen, sondern
"der Verrath" habe gesiegt. "Es ist ein Flecken auf dem Wappenschilde der
Germania, dieser preußische Verrath, und giebt es eine Nemesis, so muß Preußen
vertilgt werden!" Wobei aus dem Zusammenhang nicht ganz klar wird, ob
der Verfasser mit dem Verrath -- die Umgehung bei China oder das Zünd¬
nadelgewehr meint, welches letztere M "perfides Geschoß" ja auch von.der
"Ostdeutschen Post" für den "ehrlichen" Kampf verpönt wird. Es wird geraume
Zeit hingehen müssen, ehe wir wieder vor östreichischer Publicistik Achtung ge¬
winnen werden.

Ruchlos wieder und zugleich thöricht war die Weise, in welcher die "Ostdeutsche
Post" die Angriffe der trautenauer Bürger auf preußische Soldaten als nach¬
ahmungswürdiges Beispiel für alle Civilisten des Kaiserstaates empfahl. Die
Soldaten des Gegners mit heißem Oel und Wasser verblühen, durch Arsenik
im Kaffee und Branntwein vergiften, das gilt einem großen östreichischen
Blatt für eine wackere, männliche und höchst patriotische That. Und diese Auf¬
fassung war nicht nur der elende Einfall eines zuchtlosen Individuums, sogar der
Erlaß eines k. Statthalters forderte das östreichische Volk zu Volksbewaffnung und
Guerillakrieg auf. Und es bedürfte ernster Vorstellungen verständiger Abgeordneten
bei der kaiserlichen Regierung, bevor der selbstmörderische Unfug des Erlasses durch
eine neue Erklärung hinweginterpretirt wurde. Ein Land, wo dergleichen Aeuße¬
rungen heutzutage Möglich sind in einer vielgelesenen Zeitung, in einem offi-
ciellen Erlaß, steht nicht ganz auf der Stufe der Cultur, welche bei einem mo¬
dernen Staate vorausgesetzt werden muß; und ein Staat, in welchem so etwas
möglich wird, ist schon deshalb als gemeinschädlich von den deutschen Grenzen
auszuschließen.

Diese Sache ist sehr ernst; noch ist unsicher, ob der Krieg nicht sortgesetzt


bestechlichen" und als „Pfand deutscher Fürstenehre" feiert; wer derartig sich
wegwirft, hat das Recht verloren, sich liberal zu nennen.

Die meisten wiener Blätter wetteiferten an Gemeinheit, sehr viel leistete
darin die liberale „Presse"; und unter allem Empörenden, was sie schrieb,
war unserm Gefühl das Empörendste, als sie sagte: die italienischen Frei¬
willigen würden für die tiroler Schützen „willkommene Gegenstände eines
großen Festschießens" bilden. Solcher bestialische Uebermuth ist zur rechten
Stunde gezüchtigt worden. Und noch immer ist dieser hochfahrende Sinn nicht
gebrochen. Der eine Tag des Kleinmuths, als die Armee zertrümmert dalag,
ist vor der Glorie napoleonischer Hilfe in Vergessenheit gerathen. Aus dem
Arsenal ihrer Bilder wappnete sich die „Presse" täglich mit neuen Gleichnissen
und ließ die Feinde jetzt, da die „affenartige Beweglichkeit" und die „infusorien¬
artige Rührigkeit" abgenutzt sind, mit der „Geschwindigkeit einer Epidemie" sich
ausbreiten. Noch rief sie in gehobener Stimmung: „Venetien ist abgetreten,
Preußen wird niedergetreten", und druckt wörtlich: nicht die Preußen, sondern
„der Verrath" habe gesiegt. „Es ist ein Flecken auf dem Wappenschilde der
Germania, dieser preußische Verrath, und giebt es eine Nemesis, so muß Preußen
vertilgt werden!" Wobei aus dem Zusammenhang nicht ganz klar wird, ob
der Verfasser mit dem Verrath — die Umgehung bei China oder das Zünd¬
nadelgewehr meint, welches letztere M „perfides Geschoß" ja auch von.der
„Ostdeutschen Post" für den „ehrlichen" Kampf verpönt wird. Es wird geraume
Zeit hingehen müssen, ehe wir wieder vor östreichischer Publicistik Achtung ge¬
winnen werden.

Ruchlos wieder und zugleich thöricht war die Weise, in welcher die „Ostdeutsche
Post" die Angriffe der trautenauer Bürger auf preußische Soldaten als nach¬
ahmungswürdiges Beispiel für alle Civilisten des Kaiserstaates empfahl. Die
Soldaten des Gegners mit heißem Oel und Wasser verblühen, durch Arsenik
im Kaffee und Branntwein vergiften, das gilt einem großen östreichischen
Blatt für eine wackere, männliche und höchst patriotische That. Und diese Auf¬
fassung war nicht nur der elende Einfall eines zuchtlosen Individuums, sogar der
Erlaß eines k. Statthalters forderte das östreichische Volk zu Volksbewaffnung und
Guerillakrieg auf. Und es bedürfte ernster Vorstellungen verständiger Abgeordneten
bei der kaiserlichen Regierung, bevor der selbstmörderische Unfug des Erlasses durch
eine neue Erklärung hinweginterpretirt wurde. Ein Land, wo dergleichen Aeuße¬
rungen heutzutage Möglich sind in einer vielgelesenen Zeitung, in einem offi-
ciellen Erlaß, steht nicht ganz auf der Stufe der Cultur, welche bei einem mo¬
dernen Staate vorausgesetzt werden muß; und ein Staat, in welchem so etwas
möglich wird, ist schon deshalb als gemeinschädlich von den deutschen Grenzen
auszuschließen.

Diese Sache ist sehr ernst; noch ist unsicher, ob der Krieg nicht sortgesetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/190>, abgerufen am 23.07.2024.