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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Der Einmarsch der Hannoveraner im Herzogthum.

Als der Krieg wie über Nacht in die deutschen Länder brach, hatten wir
in Gotha einigen Grund anzunehmen, daß uns sein Getümmel nicht sofort
überziehen werde. Unser Herzog hielt seit dem Tage, wo Preußen den ernsten
Wollen bewies, die deutsche Frage in die Hand zu nehmen, tapfer zu Preußen.
In der Stadt Gotha ist die Stimmung der Bevölkerung grade so, wie überall
im Norden des thüringer Waldes, der Verstand der Verständigen ist auf Seite
Preußens, das Gemüth kindlich getheilt auf dem Lande warf man nach dem
späten Frost einen ärgerlichen Blick auf die leeren Obstbäume, freute sich der
hoffnungsvollen Saatfelder und ersehnte nach der halben Ernte des letzten
Jahres volle Scheuern. Nie hat eine Landschaft friedlicher vor dem Beschauer
gelegen, als das, wellige Hügelland des Herzogthums in diesem Jahre. Da
zog von Norden her, wo man es am wenigsten erwartete, die Kriegsgefahr über
unser stilles Land. Der Einmarsch preußischer Truppen in Hannover, die Con-
centrirung der hannoverischen Armee bei Göttingen hatten hier keine Besorg¬
nisse erregt, auch als die Nachricht von der englischen Reise des Königs von
Hannover widerrufen wurde, erwartete man noch ein Abkommen desselben mit
den Preußen, oder Verhinderung eines Ausbruchs durch die preußischen Truppen.

Da folgte seit den letzten acht Tagen eine bedrohliche Kunde der andern.
Die denkwürdigen Ereignisse dieser Zeit werden hier in ihrer Folge nach Tagen
zusammengestellt.

Am 19. kam die Nachricht hier an, daß hannöverische, bayerische und
hessische Generalstabsoffiziere in Eisenach auf dem Bahnhof gewesen waren zu
recognosciren. Man schloß daraus, daß die Absicht der Hannoveraner sei, über
Eisenach die Vereinigung mit süddeutschen Truppen zu suchen.

Am 20. früh brachte der Telegraph den Befehl von Berlin, daß Oberst
v. Fabeck. Commandeur des gothaer Regiments, sich mit den zwei Bataillonen
Koburg-Gotha und drei Landwehrbataillonen aus Erfurt, dazu eine ersurter
Landwehrescadron und einer Ausfallsbatterie Von vier Geschützen nach Eisenach
zu begeben habe, um sich dem Feinde, welcher über Eschwege und Kreutzburg
erwartet wurde, vorzulegen, und die Werrabahn bei Marksuhl zu zerstören.

Am 21. Vormittag kam die telegraphische Nachricht nach Eisenach, daß die
Hannoveraner soeben Heiligenstadt besetzt hatten und in der Richtung auf
Mühlhausen weiter marschirten. Am Abend erreichte die Spitze der Hannoveraner
Dingelstedt.


Der Einmarsch der Hannoveraner im Herzogthum.

Als der Krieg wie über Nacht in die deutschen Länder brach, hatten wir
in Gotha einigen Grund anzunehmen, daß uns sein Getümmel nicht sofort
überziehen werde. Unser Herzog hielt seit dem Tage, wo Preußen den ernsten
Wollen bewies, die deutsche Frage in die Hand zu nehmen, tapfer zu Preußen.
In der Stadt Gotha ist die Stimmung der Bevölkerung grade so, wie überall
im Norden des thüringer Waldes, der Verstand der Verständigen ist auf Seite
Preußens, das Gemüth kindlich getheilt auf dem Lande warf man nach dem
späten Frost einen ärgerlichen Blick auf die leeren Obstbäume, freute sich der
hoffnungsvollen Saatfelder und ersehnte nach der halben Ernte des letzten
Jahres volle Scheuern. Nie hat eine Landschaft friedlicher vor dem Beschauer
gelegen, als das, wellige Hügelland des Herzogthums in diesem Jahre. Da
zog von Norden her, wo man es am wenigsten erwartete, die Kriegsgefahr über
unser stilles Land. Der Einmarsch preußischer Truppen in Hannover, die Con-
centrirung der hannoverischen Armee bei Göttingen hatten hier keine Besorg¬
nisse erregt, auch als die Nachricht von der englischen Reise des Königs von
Hannover widerrufen wurde, erwartete man noch ein Abkommen desselben mit
den Preußen, oder Verhinderung eines Ausbruchs durch die preußischen Truppen.

Da folgte seit den letzten acht Tagen eine bedrohliche Kunde der andern.
Die denkwürdigen Ereignisse dieser Zeit werden hier in ihrer Folge nach Tagen
zusammengestellt.

Am 19. kam die Nachricht hier an, daß hannöverische, bayerische und
hessische Generalstabsoffiziere in Eisenach auf dem Bahnhof gewesen waren zu
recognosciren. Man schloß daraus, daß die Absicht der Hannoveraner sei, über
Eisenach die Vereinigung mit süddeutschen Truppen zu suchen.

Am 20. früh brachte der Telegraph den Befehl von Berlin, daß Oberst
v. Fabeck. Commandeur des gothaer Regiments, sich mit den zwei Bataillonen
Koburg-Gotha und drei Landwehrbataillonen aus Erfurt, dazu eine ersurter
Landwehrescadron und einer Ausfallsbatterie Von vier Geschützen nach Eisenach
zu begeben habe, um sich dem Feinde, welcher über Eschwege und Kreutzburg
erwartet wurde, vorzulegen, und die Werrabahn bei Marksuhl zu zerstören.

Am 21. Vormittag kam die telegraphische Nachricht nach Eisenach, daß die
Hannoveraner soeben Heiligenstadt besetzt hatten und in der Richtung auf
Mühlhausen weiter marschirten. Am Abend erreichte die Spitze der Hannoveraner
Dingelstedt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/14>, abgerufen am 22.07.2024.