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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Am 22. UM Mittag besetzten die Hannoveraner Mühlhausen und sandten
ihre Avantgarde gegen Groß-Göttern vor. Der Commandant von Erfurt schickte
eine zweite Landwehrescadron gegen Langensalza zur Recognoscirung vor. mit
dem Auftrag, auf dem Rückwege in Gotha Quartier zu nehmen. Diese Esca¬
dron ließ eine Feldwache in Warza zurück und erreichte Gotha um drei Uhr,
ohne vom Feinde etwas gesehen zu haben. Es waren Anstalten getroffen, alle
Wagen und Geschirre aus den vorliegenden Ortschaften über Gotha zurückzu¬
schicken. In Eisenach war es nicht gelungen, eine Verbindung mit dem links
stehenden General v. Glümer herzustellen, es entstand nunmehr die Frage, ob
man sich den Hannoveranern bei Eisenach oder bei Gotha vorzulegen habe.

In der Nacht vom 22. zum 23. trafen in Gotha zuverlässig scheinende
Nachrichten ein, daß ein Theil der Hannoveraner links von Langensalza aus¬
gebogen sei und auf Döllsiedt marschire. Da vermuthet werden konnte, daß
sie auf dem Feldwege die Richtung nach Gotha suchten, wurde der Entschluß
gefaßt, in aller Frühe des 23. sich mit dem eiscnacher Detachement nach Gotha
zu versetzen. AIs Verstärkung wurden diesen Tag zwei Bataillone des vierten
Gardcregiments von Berlin gesandt. In Betreff des General v. Glümer mußte
man sich begnügen, ihn in derselben Nacht durch Expressen aufsuchen zu lassen
und zur Nachfolge in der Richtung von Eisenach und Gotha aufzufordern.

Am 23. Vormittags stand das Detachement des Obersten v. Fabcck vor Gotha
gegen den zu erwartenden Feind. Die Nachricht vom Linksabmarsch der Han¬
noveraner stellte sich als irrthümlich heraus; man erfuhr, daß sie von Groß-
Gottern auf die Behringsdörfer zu marschirten. Von den beiden preußischen
Gardebataillonen war das eine in Weimar geblieben, das andere fuhr nach
Eisenach und besetzte im Vorbeifahren den Paß von Sattelstedt mit einer Com¬
pagnie, deren Feldwache auf dem Hörselberg stand.

Am Mittag hatte Oberst v. Fabeck die Truppen in Quartiere gelegt, als
von zuverlässiger Seite die Nachricht einging, daß die Hannoveraner über Tün-
gedä nach Wangenheim vorgingen. Jetzt konnte man sicher annehmen, daß sie
bei Gotha durchbrechen wollten. Es wurde daher gegen Abend allarmirt und
Stellung bei Remstädt genommen, mit Vortruppen auf dem Grenzberg. Gleich¬
zeitig trafen zwei reitende Batterien (siebentes Armeecorps, Westphalen) in
Gotha ein und beeilten sich die Stellung zu verstärken, ein neues Ersatzbataillon
aus Erfurt besetzte den Bahnhof. Statt der feindlichen Colonnen erschien aber
ein Parlamentär, um Verhandlungen mit Oberst v. Fabeck anzuknüpfen. Die
Truppen wurden deshalb in die Stadt zurückgeführt, die Vorsichtsmaßregeln
über Nacht aber verdoppelt, da eine Waffenruhe nicht ausgemacht war.

Unterdeß hatte man Näheres über die hannöversche Armee erfahren. Das
Heer hatte sich in Göttingen zusammengezogen, dort drei Tage benutzt, sich
seetüchtig zu machen und die Reserven einzuziehen. Es fehlte an allem. Sie


Am 22. UM Mittag besetzten die Hannoveraner Mühlhausen und sandten
ihre Avantgarde gegen Groß-Göttern vor. Der Commandant von Erfurt schickte
eine zweite Landwehrescadron gegen Langensalza zur Recognoscirung vor. mit
dem Auftrag, auf dem Rückwege in Gotha Quartier zu nehmen. Diese Esca¬
dron ließ eine Feldwache in Warza zurück und erreichte Gotha um drei Uhr,
ohne vom Feinde etwas gesehen zu haben. Es waren Anstalten getroffen, alle
Wagen und Geschirre aus den vorliegenden Ortschaften über Gotha zurückzu¬
schicken. In Eisenach war es nicht gelungen, eine Verbindung mit dem links
stehenden General v. Glümer herzustellen, es entstand nunmehr die Frage, ob
man sich den Hannoveranern bei Eisenach oder bei Gotha vorzulegen habe.

In der Nacht vom 22. zum 23. trafen in Gotha zuverlässig scheinende
Nachrichten ein, daß ein Theil der Hannoveraner links von Langensalza aus¬
gebogen sei und auf Döllsiedt marschire. Da vermuthet werden konnte, daß
sie auf dem Feldwege die Richtung nach Gotha suchten, wurde der Entschluß
gefaßt, in aller Frühe des 23. sich mit dem eiscnacher Detachement nach Gotha
zu versetzen. AIs Verstärkung wurden diesen Tag zwei Bataillone des vierten
Gardcregiments von Berlin gesandt. In Betreff des General v. Glümer mußte
man sich begnügen, ihn in derselben Nacht durch Expressen aufsuchen zu lassen
und zur Nachfolge in der Richtung von Eisenach und Gotha aufzufordern.

Am 23. Vormittags stand das Detachement des Obersten v. Fabcck vor Gotha
gegen den zu erwartenden Feind. Die Nachricht vom Linksabmarsch der Han¬
noveraner stellte sich als irrthümlich heraus; man erfuhr, daß sie von Groß-
Gottern auf die Behringsdörfer zu marschirten. Von den beiden preußischen
Gardebataillonen war das eine in Weimar geblieben, das andere fuhr nach
Eisenach und besetzte im Vorbeifahren den Paß von Sattelstedt mit einer Com¬
pagnie, deren Feldwache auf dem Hörselberg stand.

Am Mittag hatte Oberst v. Fabeck die Truppen in Quartiere gelegt, als
von zuverlässiger Seite die Nachricht einging, daß die Hannoveraner über Tün-
gedä nach Wangenheim vorgingen. Jetzt konnte man sicher annehmen, daß sie
bei Gotha durchbrechen wollten. Es wurde daher gegen Abend allarmirt und
Stellung bei Remstädt genommen, mit Vortruppen auf dem Grenzberg. Gleich¬
zeitig trafen zwei reitende Batterien (siebentes Armeecorps, Westphalen) in
Gotha ein und beeilten sich die Stellung zu verstärken, ein neues Ersatzbataillon
aus Erfurt besetzte den Bahnhof. Statt der feindlichen Colonnen erschien aber
ein Parlamentär, um Verhandlungen mit Oberst v. Fabeck anzuknüpfen. Die
Truppen wurden deshalb in die Stadt zurückgeführt, die Vorsichtsmaßregeln
über Nacht aber verdoppelt, da eine Waffenruhe nicht ausgemacht war.

Unterdeß hatte man Näheres über die hannöversche Armee erfahren. Das
Heer hatte sich in Göttingen zusammengezogen, dort drei Tage benutzt, sich
seetüchtig zu machen und die Reserven einzuziehen. Es fehlte an allem. Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/15>, abgerufen am 22.07.2024.