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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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mit der er bedroht ist, nicht erleide. Während nämlich die Tochter des Großherzogs,
Maria Theresa, mit dem Prinzen Carignan vermählt ist, würde andererseits die
Vereinigung des Königreichs Sardinien mit den Herzogthümern Modena. Reggio
und Massa das Gleichgewicht der italienischen Staaten gänzlich über den Hau¬
fen werfen. Gewiß brauchte man das Gelingen dieser Umtriebe gegenüber den
feierlichen Verträgen nicht zu befürchten, wenn Italien sich nicht in einer Lage
befände, die es der toscanischen Regierung unmöglich macht, in voller Sicher¬
heit wegen dieser Verträge zu sein und sie zwingt, die Aufmerksamkeit der
großen Mächte anzurufen, um über der gewissenhaften Beobachtung derselben zu
wachen.

Der Großherzog von Toscana war auf dem Kongreß vom Fürsten Corsini
begleitet. Dieser fand zunächst die französischen Bevollmächtigten durchaus
günstig gestimmt, nur bemerkten sie , man müsse jeden Zwang auf Karl Felix
vermeiden und die Frage der Aussöhnung des Prinzen mit dem König ganz
als eine Familienangelegenheit behandeln. Auch bei den russischen Bevollmäch¬
tigten fand Corsini das beste Gehör, und im November konnte er nach Florenz
berichten, daß Kaiser Alexander selbst mit dem König von Sardinien gesprochen
und günstig auf ihn eingewirkt habe. Es wäre indessen gut, wenn der Gro߬
herzog selbst wieder nach Verona zurückkehrte, um Karl Felix persönlich über
die Haltung des Prinzen zu beruhigen, denn eine möglichst rasche Aussöhnung
werde von den Hauptsouveränen für höchst wichtig gehalten. Aber auch die
piemontesischen Diplomaten waren trotz der Dispositionen des Königs an allen
Höfen für die Sache des Prinzen thätig. Selbst über die Haltung des ganz
östreichisch gesinnten Ministers della Torre, der mit Karl Felix in Verona war,
schreibt Corsini nur Günstiges nach Florenz. Nur wünschte auch della Torre,
um die Abneigung des Königs zu überwinden, die persönliche Dazwischenkunft
des Großherzogs. Der Fehler des Prinzen, sagte er zu Corsini, ist gewesen,
daß er sich von schlechten Leuten umgeben ließ, die ihn compromittirten. Aber
als die Revolution ausbrach und er die Absichten des jetzigen Königs erfuhr,
vereinigte er sich sofort mit meinen Truppen, und ich konnte ihm bei allen
vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen. Nur hat mein Zeugniß nicht
genügt und genügt auch jetzt noch nicht, um Karl Felix zu gewinnen.

Oestreichs Absicht war ursprünglich gewesen, Karl Felix dazu zu bestimmen,
daß er angesichts des Congresses den Prinzen des Hochverraths anklage. Ja
es hatte sogar den Plan gehabt, den Prinzen als Angeklagten persönlich vor
den Kongreß zu stellen, was doch selbst Karl Felix zu viel war. Infolge der
entschiedenen Vorstellungen, welche dem wiener Hof von Seite Frankreichs und
Rußlands gemacht worden waren, hatte es aus diese Plane verzichten müssen,
und Metternich erschien auf dem Congreß mit dem Entschluß, der von allen
Seiten gewünschten Aussöhnung des Prinzen mit dem König kein Hinderniß


mit der er bedroht ist, nicht erleide. Während nämlich die Tochter des Großherzogs,
Maria Theresa, mit dem Prinzen Carignan vermählt ist, würde andererseits die
Vereinigung des Königreichs Sardinien mit den Herzogthümern Modena. Reggio
und Massa das Gleichgewicht der italienischen Staaten gänzlich über den Hau¬
fen werfen. Gewiß brauchte man das Gelingen dieser Umtriebe gegenüber den
feierlichen Verträgen nicht zu befürchten, wenn Italien sich nicht in einer Lage
befände, die es der toscanischen Regierung unmöglich macht, in voller Sicher¬
heit wegen dieser Verträge zu sein und sie zwingt, die Aufmerksamkeit der
großen Mächte anzurufen, um über der gewissenhaften Beobachtung derselben zu
wachen.

Der Großherzog von Toscana war auf dem Kongreß vom Fürsten Corsini
begleitet. Dieser fand zunächst die französischen Bevollmächtigten durchaus
günstig gestimmt, nur bemerkten sie , man müsse jeden Zwang auf Karl Felix
vermeiden und die Frage der Aussöhnung des Prinzen mit dem König ganz
als eine Familienangelegenheit behandeln. Auch bei den russischen Bevollmäch¬
tigten fand Corsini das beste Gehör, und im November konnte er nach Florenz
berichten, daß Kaiser Alexander selbst mit dem König von Sardinien gesprochen
und günstig auf ihn eingewirkt habe. Es wäre indessen gut, wenn der Gro߬
herzog selbst wieder nach Verona zurückkehrte, um Karl Felix persönlich über
die Haltung des Prinzen zu beruhigen, denn eine möglichst rasche Aussöhnung
werde von den Hauptsouveränen für höchst wichtig gehalten. Aber auch die
piemontesischen Diplomaten waren trotz der Dispositionen des Königs an allen
Höfen für die Sache des Prinzen thätig. Selbst über die Haltung des ganz
östreichisch gesinnten Ministers della Torre, der mit Karl Felix in Verona war,
schreibt Corsini nur Günstiges nach Florenz. Nur wünschte auch della Torre,
um die Abneigung des Königs zu überwinden, die persönliche Dazwischenkunft
des Großherzogs. Der Fehler des Prinzen, sagte er zu Corsini, ist gewesen,
daß er sich von schlechten Leuten umgeben ließ, die ihn compromittirten. Aber
als die Revolution ausbrach und er die Absichten des jetzigen Königs erfuhr,
vereinigte er sich sofort mit meinen Truppen, und ich konnte ihm bei allen
vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen. Nur hat mein Zeugniß nicht
genügt und genügt auch jetzt noch nicht, um Karl Felix zu gewinnen.

Oestreichs Absicht war ursprünglich gewesen, Karl Felix dazu zu bestimmen,
daß er angesichts des Congresses den Prinzen des Hochverraths anklage. Ja
es hatte sogar den Plan gehabt, den Prinzen als Angeklagten persönlich vor
den Kongreß zu stellen, was doch selbst Karl Felix zu viel war. Infolge der
entschiedenen Vorstellungen, welche dem wiener Hof von Seite Frankreichs und
Rußlands gemacht worden waren, hatte es aus diese Plane verzichten müssen,
und Metternich erschien auf dem Congreß mit dem Entschluß, der von allen
Seiten gewünschten Aussöhnung des Prinzen mit dem König kein Hinderniß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/120>, abgerufen am 22.07.2024.