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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Pasquier im Ministerium des Auswärtigen folgte, konnte, obwohl der absoluti¬
stischen Partei angehörig, die Oestreich sonst ganz in Italien gewähren ließ,
doch eine Frankreich selbst so bedrohliche Veränderung unmöglich zugeben.
Maisonfort erhielt die Instruction, in seinen Bemühungen sür die Interessen
des Prinzen Carignan fortzufahren und insbesondere für eine Aussöhnung
desselben mit Karl Felix thätig zu sein. In Wien gab Frankreich zu verstehen,
daß, welches auch die Haltung des Prinzen während der Revolution gewesen
sein möge, der König niemals die Entziehung seines Erbrechts zugeben werde.

Rußland war ganz mit Frankreich einverstanden. Auch Kaiser Alexander
hatte zwar damals Italien an Oestreich preisgegeben, aber in diesem Punkte
blieb er fest. Sobald er Beweise von den erneuerten Umtrieben Oestreichs
und des Herzogs von Modena zu haben glaubte, erklärte er (Ende 1821)
dem sardinischen Gesandten, daß er den Prinzen des Hochverraths nicht
schuldig finden könne. Auch ließ er dem wiener Cabinet erklären, jedenfalls
müsse man den Zusammentritt des nächsten Congresses abwarten, um über das
Schicksal des Prinzen zu entscheiden, aber diese Entscheidung dürfe keinen Falls
gegen die legitimen Rechte des Erben der Krone Savoyen ausfallen.

Auf dem Congreß zu Verona also sollte das Loos des Prinzen entschieden
werden. In den Jnstructionen, welche der Vicomte von Montmorency sür den
Congreß erhielt, hieß es: ... "Ein anderer schwieriger Punkt ist die Rückkehr
des Prinzen Carignan. Ohne allen ehrgeizigen Entwürfen Glauben beizu¬
messen, welche man dem wiener Cabinet zuschreiben könnte, weiß man jeden¬
falls aus guter Quelle, daß dasselbe die fortdauernde Entfernung des Prinzen
wünscht, in der Absicht, daß die ungewisse, unstete Lage, in welcher sich so der
Prinz befindet, ohne grade die Legitimität seiner Erbfolge aufzuheben, doch
Oestreich einen überwiegenden Einfluß verschafft und ihm später bei Gelegenheit
die Möglichkeit gewähren könnte, dem Prinzen Carignan harte Bedingungen
aufzuerlegen. Im Interesse Frankreichs ist es, sich dem allen zu widersetzen."
Mündlich hatte Ludwig der Achtzehnte seinem Bevollmächtigten noch überdies
dringend ans Herz gelegt, daß die Erbrechte des Prinzen aus dem Congreß
keine Beeinträchtigung erleiden dürften.

Am thätigsten für das Recht des Prinzen war der florentiner Hof. Kurz
vor Eröffnung des Congresses richtete Fossombroni eine Denkschrift an die
Höfe von London, Paris und Se. Petersburg, worin es hieß: Nachdem der
Herzog von Modena die älteste Tochter des Königs Victor Emanuel geheirathet
hat. dessen Gemahlin die Schwester des Herzogs Franz selbst ist, sagt man,
daß dieselbe die größten Anstrengungen mache, daß das Haus Modena die
Nachfolge in Sardinien zum Nachtheil des Zweigs Carignan bekomme. Der
Großherzog von Toscana ist durch Bande des Bluts wie durch politische Er-
wägungen in hohem Grade interessirt, daß der Prinz Carignan diese Beraubung,


Genzboten III. 1866. 14

Pasquier im Ministerium des Auswärtigen folgte, konnte, obwohl der absoluti¬
stischen Partei angehörig, die Oestreich sonst ganz in Italien gewähren ließ,
doch eine Frankreich selbst so bedrohliche Veränderung unmöglich zugeben.
Maisonfort erhielt die Instruction, in seinen Bemühungen sür die Interessen
des Prinzen Carignan fortzufahren und insbesondere für eine Aussöhnung
desselben mit Karl Felix thätig zu sein. In Wien gab Frankreich zu verstehen,
daß, welches auch die Haltung des Prinzen während der Revolution gewesen
sein möge, der König niemals die Entziehung seines Erbrechts zugeben werde.

Rußland war ganz mit Frankreich einverstanden. Auch Kaiser Alexander
hatte zwar damals Italien an Oestreich preisgegeben, aber in diesem Punkte
blieb er fest. Sobald er Beweise von den erneuerten Umtrieben Oestreichs
und des Herzogs von Modena zu haben glaubte, erklärte er (Ende 1821)
dem sardinischen Gesandten, daß er den Prinzen des Hochverraths nicht
schuldig finden könne. Auch ließ er dem wiener Cabinet erklären, jedenfalls
müsse man den Zusammentritt des nächsten Congresses abwarten, um über das
Schicksal des Prinzen zu entscheiden, aber diese Entscheidung dürfe keinen Falls
gegen die legitimen Rechte des Erben der Krone Savoyen ausfallen.

Auf dem Congreß zu Verona also sollte das Loos des Prinzen entschieden
werden. In den Jnstructionen, welche der Vicomte von Montmorency sür den
Congreß erhielt, hieß es: ... „Ein anderer schwieriger Punkt ist die Rückkehr
des Prinzen Carignan. Ohne allen ehrgeizigen Entwürfen Glauben beizu¬
messen, welche man dem wiener Cabinet zuschreiben könnte, weiß man jeden¬
falls aus guter Quelle, daß dasselbe die fortdauernde Entfernung des Prinzen
wünscht, in der Absicht, daß die ungewisse, unstete Lage, in welcher sich so der
Prinz befindet, ohne grade die Legitimität seiner Erbfolge aufzuheben, doch
Oestreich einen überwiegenden Einfluß verschafft und ihm später bei Gelegenheit
die Möglichkeit gewähren könnte, dem Prinzen Carignan harte Bedingungen
aufzuerlegen. Im Interesse Frankreichs ist es, sich dem allen zu widersetzen."
Mündlich hatte Ludwig der Achtzehnte seinem Bevollmächtigten noch überdies
dringend ans Herz gelegt, daß die Erbrechte des Prinzen aus dem Congreß
keine Beeinträchtigung erleiden dürften.

Am thätigsten für das Recht des Prinzen war der florentiner Hof. Kurz
vor Eröffnung des Congresses richtete Fossombroni eine Denkschrift an die
Höfe von London, Paris und Se. Petersburg, worin es hieß: Nachdem der
Herzog von Modena die älteste Tochter des Königs Victor Emanuel geheirathet
hat. dessen Gemahlin die Schwester des Herzogs Franz selbst ist, sagt man,
daß dieselbe die größten Anstrengungen mache, daß das Haus Modena die
Nachfolge in Sardinien zum Nachtheil des Zweigs Carignan bekomme. Der
Großherzog von Toscana ist durch Bande des Bluts wie durch politische Er-
wägungen in hohem Grade interessirt, daß der Prinz Carignan diese Beraubung,


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[0119] Pasquier im Ministerium des Auswärtigen folgte, konnte, obwohl der absoluti¬ stischen Partei angehörig, die Oestreich sonst ganz in Italien gewähren ließ, doch eine Frankreich selbst so bedrohliche Veränderung unmöglich zugeben. Maisonfort erhielt die Instruction, in seinen Bemühungen sür die Interessen des Prinzen Carignan fortzufahren und insbesondere für eine Aussöhnung desselben mit Karl Felix thätig zu sein. In Wien gab Frankreich zu verstehen, daß, welches auch die Haltung des Prinzen während der Revolution gewesen sein möge, der König niemals die Entziehung seines Erbrechts zugeben werde. Rußland war ganz mit Frankreich einverstanden. Auch Kaiser Alexander hatte zwar damals Italien an Oestreich preisgegeben, aber in diesem Punkte blieb er fest. Sobald er Beweise von den erneuerten Umtrieben Oestreichs und des Herzogs von Modena zu haben glaubte, erklärte er (Ende 1821) dem sardinischen Gesandten, daß er den Prinzen des Hochverraths nicht schuldig finden könne. Auch ließ er dem wiener Cabinet erklären, jedenfalls müsse man den Zusammentritt des nächsten Congresses abwarten, um über das Schicksal des Prinzen zu entscheiden, aber diese Entscheidung dürfe keinen Falls gegen die legitimen Rechte des Erben der Krone Savoyen ausfallen. Auf dem Congreß zu Verona also sollte das Loos des Prinzen entschieden werden. In den Jnstructionen, welche der Vicomte von Montmorency sür den Congreß erhielt, hieß es: ... „Ein anderer schwieriger Punkt ist die Rückkehr des Prinzen Carignan. Ohne allen ehrgeizigen Entwürfen Glauben beizu¬ messen, welche man dem wiener Cabinet zuschreiben könnte, weiß man jeden¬ falls aus guter Quelle, daß dasselbe die fortdauernde Entfernung des Prinzen wünscht, in der Absicht, daß die ungewisse, unstete Lage, in welcher sich so der Prinz befindet, ohne grade die Legitimität seiner Erbfolge aufzuheben, doch Oestreich einen überwiegenden Einfluß verschafft und ihm später bei Gelegenheit die Möglichkeit gewähren könnte, dem Prinzen Carignan harte Bedingungen aufzuerlegen. Im Interesse Frankreichs ist es, sich dem allen zu widersetzen." Mündlich hatte Ludwig der Achtzehnte seinem Bevollmächtigten noch überdies dringend ans Herz gelegt, daß die Erbrechte des Prinzen aus dem Congreß keine Beeinträchtigung erleiden dürften. Am thätigsten für das Recht des Prinzen war der florentiner Hof. Kurz vor Eröffnung des Congresses richtete Fossombroni eine Denkschrift an die Höfe von London, Paris und Se. Petersburg, worin es hieß: Nachdem der Herzog von Modena die älteste Tochter des Königs Victor Emanuel geheirathet hat. dessen Gemahlin die Schwester des Herzogs Franz selbst ist, sagt man, daß dieselbe die größten Anstrengungen mache, daß das Haus Modena die Nachfolge in Sardinien zum Nachtheil des Zweigs Carignan bekomme. Der Großherzog von Toscana ist durch Bande des Bluts wie durch politische Er- wägungen in hohem Grade interessirt, daß der Prinz Carignan diese Beraubung, Genzboten III. 1866. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/119>, abgerufen am 22.07.2024.