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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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in den Weg zu legen. In einer Unterredung mit Corsini sagte der Staats¬
kanzler: Obwohl die Fehle des Prinzen Carignan groß und sein Name eng
verflochten sei mit allen Vorkommnissen sowohl in Piemont als in Mai¬
land (letzteres ist bekanntlich trotz der Martyrien der Bleikammern und des
Spielbergs unerwiesen), so sei es doch eine reine politische Frage; sein Kaiser
habe erklärt, daß man die Legitimität der Rechte des Prinzen achten müsse; seit
seinem Aufenthalt in Toscana sei dessen Haltung untadelhaft, und sein Sou¬
verän habe die Absicht, alle Mittel anzuwenden, um sobald als möglich die
unselige Trennung des Königs und des präsumtiven Thronerben aufzuheben.
Metternich suchte jetzt nach einem andern Auskunftsmittel, um wenigstens für
die Zukunft einer guten und zuverlässigen Nachbarschaft versichert zu sein.
Während aus die Initiative des Großherzogs von Toscana jetzt alle Souveräne
in Karl Felix drangen und ihm vorstellten, daß die großen Interessen der Legi¬
timität gebieterisch von ihm völlige Aussöhnung mit dem Prinzen Carignan
verlangten, trat nun Metternich mit der Erklärung vor, daß dieselben Interessen
gleicherweise verlangten, mit Umsicht Vorkehrungen zu treffen, damit der künftige
König von Sardinien nicht eines schönen Tags zu seinen jugendlichen Irr¬
thümern zurückkehren und die europäische Ordnung stören könne. Man trat
nun in Berathung, welche Anordnungen man zu diesem Zwecke treffen könne,
und kam zu dem Schlüsse: es solle bestimmt sein, daß der präsumtive Erbe der
Krone von Sardinien sich durch eine schriftliche Erklärung verpflichte, die Fun¬
damentalgrundlagen und organischen Formen dieser Monarchie so wie er sie bei
seiner Thronbesteigung gefunden, unberührt zu lassen. Damit war auch Karl
Felix zufrieden und nach diesem Beschlusse war die Beschäftigung des Kongresses
mit der Angelegenheit Carignan zu Ende.

Die Aussöhnung, zu welcher sich der König äußerlich hatte bequemen
müssen. war aber weit entfernt aufrichtig zu sein. Anstatt nach Turin, begab
sich Karl Albert nach Paris, und von hier als Freiwilliger im französischen
Heer nach Spanien, wo er mit dem Degen in der Hand eine neue Bürgschaft
dafür zu geben schien, daß er dem Liberalismus abgeschworen. Ludwig der
Achtzehnte war darüber besonders erfreut und zeichnete den Prinzen auf eine
Weise aus, die vom Fürsten Metternich sehr übel vermerkt wurde. Dem König
von Frankreich schien dies zugleich eine Veranlassung, aufs neue in Karl Felix
zu dringen, daß er das Vergangene vergesse und sich mit dem Prinzen aus-
höhlte. Dieselben Anstrengungen machte jetzt Fürst Metternich in der Absicht,
daß Karl Albert in der unverdächtigen Luft des turiner Hoff jene freiheits-
-feindlichen Ideen in sich einathme, die zur großen Zufriedenheit Oestreichs dort
in üppiger Blüthe standen. Als im Juni 1823 der Graf Pralormo, der da¬
malige piemontMche Gesandte in Wien, dem Fürsten Metternich erklärte, Karl
Ä"lix beabsichtige den Prinze-n zurückzurufen unter der Bedingung, daß er die


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in den Weg zu legen. In einer Unterredung mit Corsini sagte der Staats¬
kanzler: Obwohl die Fehle des Prinzen Carignan groß und sein Name eng
verflochten sei mit allen Vorkommnissen sowohl in Piemont als in Mai¬
land (letzteres ist bekanntlich trotz der Martyrien der Bleikammern und des
Spielbergs unerwiesen), so sei es doch eine reine politische Frage; sein Kaiser
habe erklärt, daß man die Legitimität der Rechte des Prinzen achten müsse; seit
seinem Aufenthalt in Toscana sei dessen Haltung untadelhaft, und sein Sou¬
verän habe die Absicht, alle Mittel anzuwenden, um sobald als möglich die
unselige Trennung des Königs und des präsumtiven Thronerben aufzuheben.
Metternich suchte jetzt nach einem andern Auskunftsmittel, um wenigstens für
die Zukunft einer guten und zuverlässigen Nachbarschaft versichert zu sein.
Während aus die Initiative des Großherzogs von Toscana jetzt alle Souveräne
in Karl Felix drangen und ihm vorstellten, daß die großen Interessen der Legi¬
timität gebieterisch von ihm völlige Aussöhnung mit dem Prinzen Carignan
verlangten, trat nun Metternich mit der Erklärung vor, daß dieselben Interessen
gleicherweise verlangten, mit Umsicht Vorkehrungen zu treffen, damit der künftige
König von Sardinien nicht eines schönen Tags zu seinen jugendlichen Irr¬
thümern zurückkehren und die europäische Ordnung stören könne. Man trat
nun in Berathung, welche Anordnungen man zu diesem Zwecke treffen könne,
und kam zu dem Schlüsse: es solle bestimmt sein, daß der präsumtive Erbe der
Krone von Sardinien sich durch eine schriftliche Erklärung verpflichte, die Fun¬
damentalgrundlagen und organischen Formen dieser Monarchie so wie er sie bei
seiner Thronbesteigung gefunden, unberührt zu lassen. Damit war auch Karl
Felix zufrieden und nach diesem Beschlusse war die Beschäftigung des Kongresses
mit der Angelegenheit Carignan zu Ende.

Die Aussöhnung, zu welcher sich der König äußerlich hatte bequemen
müssen. war aber weit entfernt aufrichtig zu sein. Anstatt nach Turin, begab
sich Karl Albert nach Paris, und von hier als Freiwilliger im französischen
Heer nach Spanien, wo er mit dem Degen in der Hand eine neue Bürgschaft
dafür zu geben schien, daß er dem Liberalismus abgeschworen. Ludwig der
Achtzehnte war darüber besonders erfreut und zeichnete den Prinzen auf eine
Weise aus, die vom Fürsten Metternich sehr übel vermerkt wurde. Dem König
von Frankreich schien dies zugleich eine Veranlassung, aufs neue in Karl Felix
zu dringen, daß er das Vergangene vergesse und sich mit dem Prinzen aus-
höhlte. Dieselben Anstrengungen machte jetzt Fürst Metternich in der Absicht,
daß Karl Albert in der unverdächtigen Luft des turiner Hoff jene freiheits-
-feindlichen Ideen in sich einathme, die zur großen Zufriedenheit Oestreichs dort
in üppiger Blüthe standen. Als im Juni 1823 der Graf Pralormo, der da¬
malige piemontMche Gesandte in Wien, dem Fürsten Metternich erklärte, Karl
Ä«lix beabsichtige den Prinze-n zurückzurufen unter der Bedingung, daß er die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/121>, abgerufen am 22.07.2024.