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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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greifen. Wäre er aber ohne jedes Vorzeichen von heute auf morgen ausgebrochen,
so hätte er die hannoversche Regierung in keine rath- und hilflosere Lage ver¬
setzen können, als er so gethan. Zwischen ihren Sympathien für das ferne,
der Souveränität nicht gefährliche Oestreich und der gerechten Furcht vor den
mit Uebergriffen und Einschränkungen drohenden, aber nahen, zum Schlage be¬
reiten, bei Hannovers Haltung aufs höchste interessirte Preußen vermochte sie
eben zu keiner klaren und rücksichtslos festgehaltenen Wahl zu kommen. Kurz
vor Pfingsten verlautete bekanntlich von einem durch Staatsrath Zimmermann
empfohlenen Neutralitätsvertrag mit Preußen. Um dieselbe Zeit jedoch war
der Plan so gut wie fertig, die Truppen in einem Lager bei Stade zu ver¬
sammeln, welchem General v. Gablenz sowohl die östreichische Brigade Kalik.
als die in Holstein aufzuhebenden Rekruten zuführen könnte, um dann, sobald
der Krieg ausgebrochen, im Rücken des großen preußischen Heeres eine wirksame
Diversion zu machen. Man verhandelte also mit Preußen in demselben Augen¬
blick, in welchem schon Schritte geschahen, die jeder Frucht der Verhandlung
präjudicirten. Man wiegte das Land in die Sicherheit einer Politik der loyalsten
Neutralität, und schmiedete doch an Verabredungen, welche es zu einem der
Kriegsschauplatze dieses blutigen Jahres machen Mußten. Man erzählt, es sei
einem General gelungen, den König von dem Chimärischen und Phantastischen
dieses Vorhabens zu überzeugen, indem er der Lebhaftigkeit und Wahrheit seiner
eignen Ueberzeugung den schmeichelnden Nachdruck eines Fußfalls gegeben habe.
Der Plan wurde danach ausgegeben, aber kein neuer an seiner Stelle adoptirt.
Der einmal concentrirte Theil des Contingents blieb in Stade stehen. Man
trat nicht gradezu auf Oestreichs Seite, auf Preußens Seite indessen noch viel
weniger. Ja, an dem entscheidenden Tage war der Haß gegen Preußen, frisch
entzündet durch den neuen preußischen Bundesverfassungsentwms, bereits wieder
so viel mächtiger geworden als Furcht und ruhige Ueberlegung, daß man in
Frankfurt bedingungs- und portionsweise für Oestreich stimmte und doch noch
meinte, Preußen keinen Grund oder Vorwand zu Feindseligkeiten gegeben zu
haben.

In dieser Lage ließ sich der einzige politische Kopf der Regierung, Minister
Bacmeister, bei der entscheidenden Frage im Rath des Königs überstimmen, ohne
auf der Stelle auszutreten! Indem er von sich persönlich die Verantwortung
fern hielt, fiel es ihm nicht ein, durch entsprechend starke Sprache und Hand¬
lungsweise seinen Herrn zur Besinnung zurückzuführen. Das kommt bei einer
so eifersüchtigen und ausschließlichen Selbstherrlichkeit am Ende heraus. Ein
anderer Rath der übelberathenen Krone aber -- man nennt den Jufiizminister
Leonhardt -- hielt dem unglücklichen Monarchen zu noch mehrerer Erhitzung
pathetische Reden über den Rathschluß der Vorsehung, die das Recht nicht sinken
lassen werde, folglich auch das von Preußen bedrohte Bundesrecht nicht. Und


greifen. Wäre er aber ohne jedes Vorzeichen von heute auf morgen ausgebrochen,
so hätte er die hannoversche Regierung in keine rath- und hilflosere Lage ver¬
setzen können, als er so gethan. Zwischen ihren Sympathien für das ferne,
der Souveränität nicht gefährliche Oestreich und der gerechten Furcht vor den
mit Uebergriffen und Einschränkungen drohenden, aber nahen, zum Schlage be¬
reiten, bei Hannovers Haltung aufs höchste interessirte Preußen vermochte sie
eben zu keiner klaren und rücksichtslos festgehaltenen Wahl zu kommen. Kurz
vor Pfingsten verlautete bekanntlich von einem durch Staatsrath Zimmermann
empfohlenen Neutralitätsvertrag mit Preußen. Um dieselbe Zeit jedoch war
der Plan so gut wie fertig, die Truppen in einem Lager bei Stade zu ver¬
sammeln, welchem General v. Gablenz sowohl die östreichische Brigade Kalik.
als die in Holstein aufzuhebenden Rekruten zuführen könnte, um dann, sobald
der Krieg ausgebrochen, im Rücken des großen preußischen Heeres eine wirksame
Diversion zu machen. Man verhandelte also mit Preußen in demselben Augen¬
blick, in welchem schon Schritte geschahen, die jeder Frucht der Verhandlung
präjudicirten. Man wiegte das Land in die Sicherheit einer Politik der loyalsten
Neutralität, und schmiedete doch an Verabredungen, welche es zu einem der
Kriegsschauplatze dieses blutigen Jahres machen Mußten. Man erzählt, es sei
einem General gelungen, den König von dem Chimärischen und Phantastischen
dieses Vorhabens zu überzeugen, indem er der Lebhaftigkeit und Wahrheit seiner
eignen Ueberzeugung den schmeichelnden Nachdruck eines Fußfalls gegeben habe.
Der Plan wurde danach ausgegeben, aber kein neuer an seiner Stelle adoptirt.
Der einmal concentrirte Theil des Contingents blieb in Stade stehen. Man
trat nicht gradezu auf Oestreichs Seite, auf Preußens Seite indessen noch viel
weniger. Ja, an dem entscheidenden Tage war der Haß gegen Preußen, frisch
entzündet durch den neuen preußischen Bundesverfassungsentwms, bereits wieder
so viel mächtiger geworden als Furcht und ruhige Ueberlegung, daß man in
Frankfurt bedingungs- und portionsweise für Oestreich stimmte und doch noch
meinte, Preußen keinen Grund oder Vorwand zu Feindseligkeiten gegeben zu
haben.

In dieser Lage ließ sich der einzige politische Kopf der Regierung, Minister
Bacmeister, bei der entscheidenden Frage im Rath des Königs überstimmen, ohne
auf der Stelle auszutreten! Indem er von sich persönlich die Verantwortung
fern hielt, fiel es ihm nicht ein, durch entsprechend starke Sprache und Hand¬
lungsweise seinen Herrn zur Besinnung zurückzuführen. Das kommt bei einer
so eifersüchtigen und ausschließlichen Selbstherrlichkeit am Ende heraus. Ein
anderer Rath der übelberathenen Krone aber — man nennt den Jufiizminister
Leonhardt — hielt dem unglücklichen Monarchen zu noch mehrerer Erhitzung
pathetische Reden über den Rathschluß der Vorsehung, die das Recht nicht sinken
lassen werde, folglich auch das von Preußen bedrohte Bundesrecht nicht. Und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/12>, abgerufen am 23.07.2024.