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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Händen einer Regentschaft zu lassen, bis Karl Alberts Erstgeborner volljährig
geworden wäre.

Die Berichte, welche der französische Gesandte am florentiner Hof, Mar¬
quis von Maisonfort, während des Jahres 1821 an seine Regierung richtete
(bei Gualterio, Don. I, S. 22 ff.), sind ein Beweis, wie angelegentlich die
französische Diplomatie in dieser Zeit sich für den Prinzen verwandte, der frei¬
lich, wie ruhig er sich verhielt, seinen Mißmuth über die ungerechte Behand¬
lung von Seite Karl Felix und des modenesischen Hoff und seinen Haß gegen
Oestreich Vertrauten gegenüber nicht verhehlte. So schreibt Maisonfort im
Mai: Er empfindet Kummer und Aerger, er wird falsch oder allzu streng be¬
urtheilt, er knirscht mit den Zähnen, aber er wird sich gut aufführen. Der
junge Prinz ist voll Ehrgefühl und edler Gesinnungen. Er bedarf einer Stütze
vein regierenden König, und ich glaube, daß unsere Intervention hier ganz am
Platze ist. Ueber die schlechten Dienste, die ihm der Herzog von Modena er¬
wiesen, ist er so empört, daß er niemals Oestreicher sein wird. Der Prinz
dachte eine Zeit lang daran, sich nach Turin zu begeben und einen Kriegsrath
zu verlangen, um sich vor diesem zu rechtfertigen, was ihm aber selbst der fran¬
zösische Gesandte widerrieth. Ende Juni schreibt Maisonfort: Ich halte den
Prinzen möglichst zurück. Seine Entrüstung über alles, was gegen seine Inter¬
essen in Modena ausgebrütet wird, hat den höchsten Grad erreicht. Die Königin
Maria Theresa, Oestreicherin von Geburt und Gesinnung, macht gar kein Hehl
aus ihrem Haß gegen ihn. Im October: Der Prinz weiß, daß man die
Absicht hat, ihn auf Reisen zu schicken. Er ist mit Vergnügen dazu bereit
unter der Bedingung, daß man ihn nicht mit Wien beginnen läßt. Seine Ent¬
rüstung über die Oestreich" könnte nicht größer sein, er giebt sich gar keine
Mühe sie zu verbergen, während er offen seine Dankbarkeit gegen den König
von Frankreich zu erkennen giebt.

Von den östreichisch-modenesischen Intriguen gegen das Erbrecht des Prin¬
zen berichtete Maisonfort zuerst in seinen Depeschen Vom 19. und 22. Juni.
Der östreichische Gesandte, schreibt er, hat mir selbst in klaren und positiven
Ausdrücken gesagt: "Wir werden ihm sein Erbrecht auf die Krone entreißen."
Die Frage ist nicht mehr, bis zu welchem Grade ein junger Mensch, der vor
drei Jahren achtzehn Jahre alt war, Unbedachtsamkeiten sich hat zu Schulden
kommen lassen und unüberlegte Vorsätze sich erlaubt hat, sondern es handelt
sich um den Ehrgeiz Oestreichs, welches nach Vorwänden sucht und ihn schuldig
zu finden entschlossen ist.

Das französische Cabinet nahm die Enthüllung eines Anschlags, der
Piemont in die Hand eines östreichischen Erzherzogs spielen sollte, sehr ernst
auf und machte schon im Juli auch dem Petersburger Hof lebhafte Vorstellungen
in dieser Sache. Auch der Vicomte von Montmorency, der dem Herzog von


Händen einer Regentschaft zu lassen, bis Karl Alberts Erstgeborner volljährig
geworden wäre.

Die Berichte, welche der französische Gesandte am florentiner Hof, Mar¬
quis von Maisonfort, während des Jahres 1821 an seine Regierung richtete
(bei Gualterio, Don. I, S. 22 ff.), sind ein Beweis, wie angelegentlich die
französische Diplomatie in dieser Zeit sich für den Prinzen verwandte, der frei¬
lich, wie ruhig er sich verhielt, seinen Mißmuth über die ungerechte Behand¬
lung von Seite Karl Felix und des modenesischen Hoff und seinen Haß gegen
Oestreich Vertrauten gegenüber nicht verhehlte. So schreibt Maisonfort im
Mai: Er empfindet Kummer und Aerger, er wird falsch oder allzu streng be¬
urtheilt, er knirscht mit den Zähnen, aber er wird sich gut aufführen. Der
junge Prinz ist voll Ehrgefühl und edler Gesinnungen. Er bedarf einer Stütze
vein regierenden König, und ich glaube, daß unsere Intervention hier ganz am
Platze ist. Ueber die schlechten Dienste, die ihm der Herzog von Modena er¬
wiesen, ist er so empört, daß er niemals Oestreicher sein wird. Der Prinz
dachte eine Zeit lang daran, sich nach Turin zu begeben und einen Kriegsrath
zu verlangen, um sich vor diesem zu rechtfertigen, was ihm aber selbst der fran¬
zösische Gesandte widerrieth. Ende Juni schreibt Maisonfort: Ich halte den
Prinzen möglichst zurück. Seine Entrüstung über alles, was gegen seine Inter¬
essen in Modena ausgebrütet wird, hat den höchsten Grad erreicht. Die Königin
Maria Theresa, Oestreicherin von Geburt und Gesinnung, macht gar kein Hehl
aus ihrem Haß gegen ihn. Im October: Der Prinz weiß, daß man die
Absicht hat, ihn auf Reisen zu schicken. Er ist mit Vergnügen dazu bereit
unter der Bedingung, daß man ihn nicht mit Wien beginnen läßt. Seine Ent¬
rüstung über die Oestreich« könnte nicht größer sein, er giebt sich gar keine
Mühe sie zu verbergen, während er offen seine Dankbarkeit gegen den König
von Frankreich zu erkennen giebt.

Von den östreichisch-modenesischen Intriguen gegen das Erbrecht des Prin¬
zen berichtete Maisonfort zuerst in seinen Depeschen Vom 19. und 22. Juni.
Der östreichische Gesandte, schreibt er, hat mir selbst in klaren und positiven
Ausdrücken gesagt: „Wir werden ihm sein Erbrecht auf die Krone entreißen."
Die Frage ist nicht mehr, bis zu welchem Grade ein junger Mensch, der vor
drei Jahren achtzehn Jahre alt war, Unbedachtsamkeiten sich hat zu Schulden
kommen lassen und unüberlegte Vorsätze sich erlaubt hat, sondern es handelt
sich um den Ehrgeiz Oestreichs, welches nach Vorwänden sucht und ihn schuldig
zu finden entschlossen ist.

Das französische Cabinet nahm die Enthüllung eines Anschlags, der
Piemont in die Hand eines östreichischen Erzherzogs spielen sollte, sehr ernst
auf und machte schon im Juli auch dem Petersburger Hof lebhafte Vorstellungen
in dieser Sache. Auch der Vicomte von Montmorency, der dem Herzog von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/118>, abgerufen am 22.07.2024.