Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Apollo, hatte neben sich neun Musen und drei Gratien. Andere, welche über
dieser Zahl waren, führten den Titel der Expectanten. warteten demnach, bis
einer wegen Schulden und gepflegter Keuschheit mit Mägden, Köchinnen, Ehe¬
weibern und Mägdlein heimlich fortwischete oder sonst durch öffentliche" Anschlag
an die schwarze Tafel weggeschaffet wurde. Sie machten Satzungen, theils von
Narretheien, theils von Saufereien, wie Apollo erstlich drei Gläser austrinken
und hernach die ganze Gesellschaft das Maul in die Schwemme jagen und
baden und der Oelgötze Apollo verehret werden sollte. Die Hofräthe erfahren
Von diesen affenteuerlichen Thaten, schreiben an die Universität und gebieten,
das Wesen abzuschaffen. Ehe man sichs aber versiehet, erscheinet das südlän¬
dische Kriegsvolk im Lande, und geschwinde fliehen die kecken Ritter und zwei¬
beinigen Hasen und verlassen ihren Rector, ihre Professoren und Doctoren
sammt den Bürgern der Stadt in Sorgen und Aengsten."

Viel ernsthafter und aufrichtiger meinte es der Student, wenn er vom
Kampfe mit dem großen Bierhumpen oder Weinpokal sang, und gewiß nicht
klein war die Zahl derer, die wie der junge Edelmann gesonnen waren, von
dem Weidner berichtet*):

"Als ihm von seinem Kostherrn, so ein Professor in der Mademia war,
daß er studieret" oder rechter zu sagen, studieren sollte, vorgehalten und er ge¬
strafet wurde, daß er allezeit trinke und nimmer studiere, sagte er: Euere Rede,
Herr Doctor, hat zwei Theile: erstlich, daß ich unfleißig studiere, zum andern,
daß ich viel trinke. Das erste betreffend, so bin ich ein Edelmann, daß ich
nicht eben viel zu studieren hier bin, sondern daß ich mein Canonicat durch
das gebräuchliche Universitätsleben besetzen mag; des anderen, daß ich viel trinke,
ist das die Ursache, daß mich immer dürstet und ich eine hitzige Leber habe."

Man sang in dieser Stimmung:

"Alle Welt schrei: zu den Waffen!
Ich schrei: Ines, zum Wein!
Mars hat mit mir nichts zu schaffen,
Noch Frau Venus Pein.
Bachus aber will ich loben,
Mars will allenthalben toben,
Wer wollt' um ihn sein!
Sollt' ich erst nach Stößen ziehen?
Deß wär' ich ein Gauch.
Puff, dress, druff, dran will ich fliehen,
Trinken ist mein Brauch.
Kraut und Loth sind mir zuwider,
Ein Maß Wein erquickt die Glieder
Und erwärmt den Bauch.


*) 3. I^. ^Vsi,änsri ^xoxdtkszmkt", V. 1865.
64*

Apollo, hatte neben sich neun Musen und drei Gratien. Andere, welche über
dieser Zahl waren, führten den Titel der Expectanten. warteten demnach, bis
einer wegen Schulden und gepflegter Keuschheit mit Mägden, Köchinnen, Ehe¬
weibern und Mägdlein heimlich fortwischete oder sonst durch öffentliche» Anschlag
an die schwarze Tafel weggeschaffet wurde. Sie machten Satzungen, theils von
Narretheien, theils von Saufereien, wie Apollo erstlich drei Gläser austrinken
und hernach die ganze Gesellschaft das Maul in die Schwemme jagen und
baden und der Oelgötze Apollo verehret werden sollte. Die Hofräthe erfahren
Von diesen affenteuerlichen Thaten, schreiben an die Universität und gebieten,
das Wesen abzuschaffen. Ehe man sichs aber versiehet, erscheinet das südlän¬
dische Kriegsvolk im Lande, und geschwinde fliehen die kecken Ritter und zwei¬
beinigen Hasen und verlassen ihren Rector, ihre Professoren und Doctoren
sammt den Bürgern der Stadt in Sorgen und Aengsten."

Viel ernsthafter und aufrichtiger meinte es der Student, wenn er vom
Kampfe mit dem großen Bierhumpen oder Weinpokal sang, und gewiß nicht
klein war die Zahl derer, die wie der junge Edelmann gesonnen waren, von
dem Weidner berichtet*):

„Als ihm von seinem Kostherrn, so ein Professor in der Mademia war,
daß er studieret« oder rechter zu sagen, studieren sollte, vorgehalten und er ge¬
strafet wurde, daß er allezeit trinke und nimmer studiere, sagte er: Euere Rede,
Herr Doctor, hat zwei Theile: erstlich, daß ich unfleißig studiere, zum andern,
daß ich viel trinke. Das erste betreffend, so bin ich ein Edelmann, daß ich
nicht eben viel zu studieren hier bin, sondern daß ich mein Canonicat durch
das gebräuchliche Universitätsleben besetzen mag; des anderen, daß ich viel trinke,
ist das die Ursache, daß mich immer dürstet und ich eine hitzige Leber habe."

Man sang in dieser Stimmung:

„Alle Welt schrei: zu den Waffen!
Ich schrei: Ines, zum Wein!
Mars hat mit mir nichts zu schaffen,
Noch Frau Venus Pein.
Bachus aber will ich loben,
Mars will allenthalben toben,
Wer wollt' um ihn sein!
Sollt' ich erst nach Stößen ziehen?
Deß wär' ich ein Gauch.
Puff, dress, druff, dran will ich fliehen,
Trinken ist mein Brauch.
Kraut und Loth sind mir zuwider,
Ein Maß Wein erquickt die Glieder
Und erwärmt den Bauch.


*) 3. I^. ^Vsi,änsri ^xoxdtkszmkt», V. 1865.
64*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285485"/>
          <p xml:id="ID_1381" prev="#ID_1380"> Apollo, hatte neben sich neun Musen und drei Gratien. Andere, welche über<lb/>
dieser Zahl waren, führten den Titel der Expectanten. warteten demnach, bis<lb/>
einer wegen Schulden und gepflegter Keuschheit mit Mägden, Köchinnen, Ehe¬<lb/>
weibern und Mägdlein heimlich fortwischete oder sonst durch öffentliche» Anschlag<lb/>
an die schwarze Tafel weggeschaffet wurde. Sie machten Satzungen, theils von<lb/>
Narretheien, theils von Saufereien, wie Apollo erstlich drei Gläser austrinken<lb/>
und hernach die ganze Gesellschaft das Maul in die Schwemme jagen und<lb/>
baden und der Oelgötze Apollo verehret werden sollte. Die Hofräthe erfahren<lb/>
Von diesen affenteuerlichen Thaten, schreiben an die Universität und gebieten,<lb/>
das Wesen abzuschaffen. Ehe man sichs aber versiehet, erscheinet das südlän¬<lb/>
dische Kriegsvolk im Lande, und geschwinde fliehen die kecken Ritter und zwei¬<lb/>
beinigen Hasen und verlassen ihren Rector, ihre Professoren und Doctoren<lb/>
sammt den Bürgern der Stadt in Sorgen und Aengsten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1382"> Viel ernsthafter und aufrichtiger meinte es der Student, wenn er vom<lb/>
Kampfe mit dem großen Bierhumpen oder Weinpokal sang, und gewiß nicht<lb/>
klein war die Zahl derer, die wie der junge Edelmann gesonnen waren, von<lb/>
dem Weidner berichtet*):</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1383"> &#x201E;Als ihm von seinem Kostherrn, so ein Professor in der Mademia war,<lb/>
daß er studieret« oder rechter zu sagen, studieren sollte, vorgehalten und er ge¬<lb/>
strafet wurde, daß er allezeit trinke und nimmer studiere, sagte er: Euere Rede,<lb/>
Herr Doctor, hat zwei Theile: erstlich, daß ich unfleißig studiere, zum andern,<lb/>
daß ich viel trinke. Das erste betreffend, so bin ich ein Edelmann, daß ich<lb/>
nicht eben viel zu studieren hier bin, sondern daß ich mein Canonicat durch<lb/>
das gebräuchliche Universitätsleben besetzen mag; des anderen, daß ich viel trinke,<lb/>
ist das die Ursache, daß mich immer dürstet und ich eine hitzige Leber habe."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1384"> Man sang in dieser Stimmung:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_19" type="poem">
            <l> &#x201E;Alle Welt schrei: zu den Waffen!<lb/>
Ich schrei: Ines, zum Wein!<lb/>
Mars hat mit mir nichts zu schaffen,<lb/>
Noch Frau Venus Pein.<lb/>
Bachus aber will ich loben,<lb/>
Mars will allenthalben toben,<lb/>
Wer wollt' um ihn sein!<lb/></l>
            <l> Sollt' ich erst nach Stößen ziehen?<lb/>
Deß wär' ich ein Gauch.<lb/>
Puff, dress, druff, dran will ich fliehen,<lb/>
Trinken ist mein Brauch.<lb/>
Kraut und Loth sind mir zuwider,<lb/>
Ein Maß Wein erquickt die Glieder<lb/>
Und erwärmt den Bauch.</l>
          </lg><lb/>
          <note xml:id="FID_49" place="foot"> *) 3. I^. ^Vsi,änsri ^xoxdtkszmkt»,    V. 1865.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 64*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0457] Apollo, hatte neben sich neun Musen und drei Gratien. Andere, welche über dieser Zahl waren, führten den Titel der Expectanten. warteten demnach, bis einer wegen Schulden und gepflegter Keuschheit mit Mägden, Köchinnen, Ehe¬ weibern und Mägdlein heimlich fortwischete oder sonst durch öffentliche» Anschlag an die schwarze Tafel weggeschaffet wurde. Sie machten Satzungen, theils von Narretheien, theils von Saufereien, wie Apollo erstlich drei Gläser austrinken und hernach die ganze Gesellschaft das Maul in die Schwemme jagen und baden und der Oelgötze Apollo verehret werden sollte. Die Hofräthe erfahren Von diesen affenteuerlichen Thaten, schreiben an die Universität und gebieten, das Wesen abzuschaffen. Ehe man sichs aber versiehet, erscheinet das südlän¬ dische Kriegsvolk im Lande, und geschwinde fliehen die kecken Ritter und zwei¬ beinigen Hasen und verlassen ihren Rector, ihre Professoren und Doctoren sammt den Bürgern der Stadt in Sorgen und Aengsten." Viel ernsthafter und aufrichtiger meinte es der Student, wenn er vom Kampfe mit dem großen Bierhumpen oder Weinpokal sang, und gewiß nicht klein war die Zahl derer, die wie der junge Edelmann gesonnen waren, von dem Weidner berichtet*): „Als ihm von seinem Kostherrn, so ein Professor in der Mademia war, daß er studieret« oder rechter zu sagen, studieren sollte, vorgehalten und er ge¬ strafet wurde, daß er allezeit trinke und nimmer studiere, sagte er: Euere Rede, Herr Doctor, hat zwei Theile: erstlich, daß ich unfleißig studiere, zum andern, daß ich viel trinke. Das erste betreffend, so bin ich ein Edelmann, daß ich nicht eben viel zu studieren hier bin, sondern daß ich mein Canonicat durch das gebräuchliche Universitätsleben besetzen mag; des anderen, daß ich viel trinke, ist das die Ursache, daß mich immer dürstet und ich eine hitzige Leber habe." Man sang in dieser Stimmung: „Alle Welt schrei: zu den Waffen! Ich schrei: Ines, zum Wein! Mars hat mit mir nichts zu schaffen, Noch Frau Venus Pein. Bachus aber will ich loben, Mars will allenthalben toben, Wer wollt' um ihn sein! Sollt' ich erst nach Stößen ziehen? Deß wär' ich ein Gauch. Puff, dress, druff, dran will ich fliehen, Trinken ist mein Brauch. Kraut und Loth sind mir zuwider, Ein Maß Wein erquickt die Glieder Und erwärmt den Bauch. *) 3. I^. ^Vsi,änsri ^xoxdtkszmkt», V. 1865. 64*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/457
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/457>, abgerufen am 28.07.2024.