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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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auch "von wegen der Unkosten, wo ein junger Rotzlöffel, ehe er noch das Gelbe
vom Schnabel gar abwischet, mehr Geldes zu einem Paar Hosen haben muß,
als sein Vater zum Hochzeitskleide", mit tiefempfundener Entrüstung zu eifern.
Jetzt wird neben diesen Crinolinen männlichen Geschlechts auch über sammtene
Barete und über Wannser und Mäntel, die mit Sammet und Seide verbrämt
sind, und darüber Klage geführt, daß Studenten für ihren Anzug oft zehn,
zuweilen zwanzig, ja dreißig, vierzig, und fünfzig Thaler schuldig seien, und
eine Verordnung bestimmt: "Dieweil die Pluderhosen eine unfläthige und
schändliche Tracht sind, welche viel kostet und doch übel stehet, soll der Schneider,
welcher sie gemacht, dem Rathe 10 Gulden, und der Student, welcher sie trägt,
dem Rector 10 Gulden zur Strafe geben, oder drei Jahre lang relegirt sein
und dazu solch Kleid dem Rector zu überantworten schuldig sein." Eine spätere
wittenberger Kleiderordnung endlich untersagt (im Jahre 1668) den Schneidern,
für Studirende -- sie gehörten denn dem Adel an -- Kleider anzufertigen, an
denen sie mehre Wochen arbeiten müssen, und setzt genau den Macherlohn fest,
den sie für einzelne Garderobestücke fordern dürfen: für einen Mantel höchstens
2 Thaler, für einen Nock von lundener Tuch Is, für ein Paar Hosen "mit
kurzen Schnitten, 4 in einer Hose, und mit Harras durchzogen", 10, für ein
Barchentwamms ebenfalls 10 Groschen u. s. w.

Aehnliche Vorschriften und Verbote ergingen in Leipzig und an andern
deutschen Hochschulen immer wiederholt, weil immer von der Prunksucht und
Verschwendung bald wieder übertreten. In den Stammbüchern, welche um diese
Zeit unter den Studenten gebräuchlich wurden, sieht man, wie namentlich der
Adel auf den Universitäten sich vollkommen in der Weise der Kriegsleute kleidete.
In einem solchen Album finden wir einen jungen Herrn v. Dieskau, der sich um
1672 Studirens halber in Leipzig aufhielt, abconterfeit, ein Porträt, welches
als Modebild dieser ganzen Classe der damaligen Musenjünger gelten kann.
Den Kopf des Junkers bedeckt ein schwarzes Sammeibaret mit feuerrother Feder,
Brust und Arme ein gleichfalls rothes Wamms mit Puffenärmeln, den Hals
schmückt eine Spitzenkrause, um die Schenkel bauschen sich gewaltige rothe
Pluderhosen, über der rechten Seite hängt ihm ein kurzer Mantel von Purpur¬
farbe, und an der linken Hüfte trägt er einen langen Fechterdegen mit einem
Korbgriff. Schnurr- und Knebelbart vollenden das Bild dieses prächtigen
Paradiesvogels aus der Welt von Auerbachs Keller.

Schließlich gehören in diesen Zusammenhang noch die Actenstücke, in denen
darüber, daß manche Präceptoren die unter ihrer Aufsicht und Pflege stehenden
Studiosen in ungebührlicher Weise ausnützten, geklagt und dagegen Vorkehrung
getroffen wird. So heißt es in einer Verordnung des Kurfürsten Johann
Friedrich von Sachsen aus dem Jahre 1538: "Nachdem auch etliche, die ihre
Discipel bei sich haben und dieselben mit Habitation, Disciplin" und Tisch zu-


auch „von wegen der Unkosten, wo ein junger Rotzlöffel, ehe er noch das Gelbe
vom Schnabel gar abwischet, mehr Geldes zu einem Paar Hosen haben muß,
als sein Vater zum Hochzeitskleide", mit tiefempfundener Entrüstung zu eifern.
Jetzt wird neben diesen Crinolinen männlichen Geschlechts auch über sammtene
Barete und über Wannser und Mäntel, die mit Sammet und Seide verbrämt
sind, und darüber Klage geführt, daß Studenten für ihren Anzug oft zehn,
zuweilen zwanzig, ja dreißig, vierzig, und fünfzig Thaler schuldig seien, und
eine Verordnung bestimmt: „Dieweil die Pluderhosen eine unfläthige und
schändliche Tracht sind, welche viel kostet und doch übel stehet, soll der Schneider,
welcher sie gemacht, dem Rathe 10 Gulden, und der Student, welcher sie trägt,
dem Rector 10 Gulden zur Strafe geben, oder drei Jahre lang relegirt sein
und dazu solch Kleid dem Rector zu überantworten schuldig sein." Eine spätere
wittenberger Kleiderordnung endlich untersagt (im Jahre 1668) den Schneidern,
für Studirende — sie gehörten denn dem Adel an — Kleider anzufertigen, an
denen sie mehre Wochen arbeiten müssen, und setzt genau den Macherlohn fest,
den sie für einzelne Garderobestücke fordern dürfen: für einen Mantel höchstens
2 Thaler, für einen Nock von lundener Tuch Is, für ein Paar Hosen „mit
kurzen Schnitten, 4 in einer Hose, und mit Harras durchzogen", 10, für ein
Barchentwamms ebenfalls 10 Groschen u. s. w.

Aehnliche Vorschriften und Verbote ergingen in Leipzig und an andern
deutschen Hochschulen immer wiederholt, weil immer von der Prunksucht und
Verschwendung bald wieder übertreten. In den Stammbüchern, welche um diese
Zeit unter den Studenten gebräuchlich wurden, sieht man, wie namentlich der
Adel auf den Universitäten sich vollkommen in der Weise der Kriegsleute kleidete.
In einem solchen Album finden wir einen jungen Herrn v. Dieskau, der sich um
1672 Studirens halber in Leipzig aufhielt, abconterfeit, ein Porträt, welches
als Modebild dieser ganzen Classe der damaligen Musenjünger gelten kann.
Den Kopf des Junkers bedeckt ein schwarzes Sammeibaret mit feuerrother Feder,
Brust und Arme ein gleichfalls rothes Wamms mit Puffenärmeln, den Hals
schmückt eine Spitzenkrause, um die Schenkel bauschen sich gewaltige rothe
Pluderhosen, über der rechten Seite hängt ihm ein kurzer Mantel von Purpur¬
farbe, und an der linken Hüfte trägt er einen langen Fechterdegen mit einem
Korbgriff. Schnurr- und Knebelbart vollenden das Bild dieses prächtigen
Paradiesvogels aus der Welt von Auerbachs Keller.

Schließlich gehören in diesen Zusammenhang noch die Actenstücke, in denen
darüber, daß manche Präceptoren die unter ihrer Aufsicht und Pflege stehenden
Studiosen in ungebührlicher Weise ausnützten, geklagt und dagegen Vorkehrung
getroffen wird. So heißt es in einer Verordnung des Kurfürsten Johann
Friedrich von Sachsen aus dem Jahre 1538: „Nachdem auch etliche, die ihre
Discipel bei sich haben und dieselben mit Habitation, Disciplin» und Tisch zu-


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[0368] auch „von wegen der Unkosten, wo ein junger Rotzlöffel, ehe er noch das Gelbe vom Schnabel gar abwischet, mehr Geldes zu einem Paar Hosen haben muß, als sein Vater zum Hochzeitskleide", mit tiefempfundener Entrüstung zu eifern. Jetzt wird neben diesen Crinolinen männlichen Geschlechts auch über sammtene Barete und über Wannser und Mäntel, die mit Sammet und Seide verbrämt sind, und darüber Klage geführt, daß Studenten für ihren Anzug oft zehn, zuweilen zwanzig, ja dreißig, vierzig, und fünfzig Thaler schuldig seien, und eine Verordnung bestimmt: „Dieweil die Pluderhosen eine unfläthige und schändliche Tracht sind, welche viel kostet und doch übel stehet, soll der Schneider, welcher sie gemacht, dem Rathe 10 Gulden, und der Student, welcher sie trägt, dem Rector 10 Gulden zur Strafe geben, oder drei Jahre lang relegirt sein und dazu solch Kleid dem Rector zu überantworten schuldig sein." Eine spätere wittenberger Kleiderordnung endlich untersagt (im Jahre 1668) den Schneidern, für Studirende — sie gehörten denn dem Adel an — Kleider anzufertigen, an denen sie mehre Wochen arbeiten müssen, und setzt genau den Macherlohn fest, den sie für einzelne Garderobestücke fordern dürfen: für einen Mantel höchstens 2 Thaler, für einen Nock von lundener Tuch Is, für ein Paar Hosen „mit kurzen Schnitten, 4 in einer Hose, und mit Harras durchzogen", 10, für ein Barchentwamms ebenfalls 10 Groschen u. s. w. Aehnliche Vorschriften und Verbote ergingen in Leipzig und an andern deutschen Hochschulen immer wiederholt, weil immer von der Prunksucht und Verschwendung bald wieder übertreten. In den Stammbüchern, welche um diese Zeit unter den Studenten gebräuchlich wurden, sieht man, wie namentlich der Adel auf den Universitäten sich vollkommen in der Weise der Kriegsleute kleidete. In einem solchen Album finden wir einen jungen Herrn v. Dieskau, der sich um 1672 Studirens halber in Leipzig aufhielt, abconterfeit, ein Porträt, welches als Modebild dieser ganzen Classe der damaligen Musenjünger gelten kann. Den Kopf des Junkers bedeckt ein schwarzes Sammeibaret mit feuerrother Feder, Brust und Arme ein gleichfalls rothes Wamms mit Puffenärmeln, den Hals schmückt eine Spitzenkrause, um die Schenkel bauschen sich gewaltige rothe Pluderhosen, über der rechten Seite hängt ihm ein kurzer Mantel von Purpur¬ farbe, und an der linken Hüfte trägt er einen langen Fechterdegen mit einem Korbgriff. Schnurr- und Knebelbart vollenden das Bild dieses prächtigen Paradiesvogels aus der Welt von Auerbachs Keller. Schließlich gehören in diesen Zusammenhang noch die Actenstücke, in denen darüber, daß manche Präceptoren die unter ihrer Aufsicht und Pflege stehenden Studiosen in ungebührlicher Weise ausnützten, geklagt und dagegen Vorkehrung getroffen wird. So heißt es in einer Verordnung des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen aus dem Jahre 1538: „Nachdem auch etliche, die ihre Discipel bei sich haben und dieselben mit Habitation, Disciplin» und Tisch zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/368>, abgerufen am 28.07.2024.