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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Wir dürfen annehmen, daß neben dem Adel die Elemente der Studenten¬
schaften, welche die Schule der fahrenden Scholaster durchgemacht hatten, ehe
sie auf eine Universität kamen, eine der Hauptursachen des wüsten Treibens
auf den hohen Schulen waren, und daß namentlich die gemeinen Verbrechen,
die man hier zu bestrafen hatte, vorzugsweise diesen verwilderten Gesellen zur
Last fielen. In der That, eS wäre zu verwundern, daß das sechzehnte Jahr¬
hundert, welches so laut über die beiden Teufel der Zeit, den "Hosenteufel"
und den "Saufteufel" klagt, nichts von dem dritten Dämon, der vorzüglich die
studirende Welt verwüstete, dem "Wanderteufel" zu erzählen hat, wenn wir nicht
aus früheren Aufsätzen wüßten, daß er auch einen guten Theil der wirklichen
Gelehrten besessen hielt. Sicher war er weniger harmlos als der Hosentcufel,
wenn auch kein solcher Unhold wie der Saufteufel, mit dessen Charakteristik wir
uns jetzt beschäftigen wollen.

Zuvor aber ein Wort noch über das häusliche Leben des Studenten im
sechzehnten Jahrhundert, dessen Finanzen, Tracht und was sonst in dem vorher¬
gehenden Abschnitte nur angedeutet werden konnte oder übergangen werden mußte.

Selbstverständlich ist dabei immer nur von dem flotten Burschen, dem Sohne
Vermögender Eltern die Rede, nicht von dem armen Jungen, der sich in der
Stille kümmerlich durchschlug und nicht blos Studirens halber aus der Universität
war, sondern wirklich studirte und es dabei, wenn nicht immer zu Großem, doch
in den meisten Fällen zu Etwas brachte.

Eine Hauptklage über die Studenten war nach Aufhebung des Bursen-
zwanges, daß sie Schulden machten und ihren Gläubigern als schlechte Zahler
Sorge und Verlegenheit bereiteten. Frühzeitig ergingen daher Edicte, welche
diesem Unwesen zu steuern versuchten. In Königberg stellten die Universitäts¬
gesetze dieser Zeit dem mit Befriedigung seiner Creditoren säumigen akademischen
Bürger zuerst eine Frist, und kam der lockre Gesell innerhalb derselben seiner
Verpflichtung nicht nach, so erhielt er unter Auflegung einer Geldstrafe noch¬
mals eine Frist; ließ er auch diese verstreichen, ohne dem Gläubiger gerecht zu
werden, so wurde er ins Carcer geschickt. In Wittenberg waren die Studiosen
gehalten, ihre Speisewirthe allwöchentlich, und zwar Freitags, zu bezahlen,
andrerseits aber sollte der Bürger, der ihnen über ein gewisses Maß hinaus
borgte, als Beförderer der Liederlichkeit bestraft werden.

Ganz besonders richtete sich das wittenberger Creditedict von 1662, welches
die finanziellen Verhältnisse der dortigen Musensöhne endlich in feste Ordnung
bringen sollte, gegen die hohen Schneiderrechnungen, welche die Folge der da¬
mals aufgekommenen kostspieligen Tracht waren. Einige Jahre vorher schon
hatt der Professor Musculus in Frankfurt sich veranlaßt gefunden, in einer
eignen Schrift*) gegen die Pluderhosen, den Hauptbestandtheil dieser Tracht,
'



") Vom Hosenteuftl. Frankfurt a. d. O. 16S0.

Wir dürfen annehmen, daß neben dem Adel die Elemente der Studenten¬
schaften, welche die Schule der fahrenden Scholaster durchgemacht hatten, ehe
sie auf eine Universität kamen, eine der Hauptursachen des wüsten Treibens
auf den hohen Schulen waren, und daß namentlich die gemeinen Verbrechen,
die man hier zu bestrafen hatte, vorzugsweise diesen verwilderten Gesellen zur
Last fielen. In der That, eS wäre zu verwundern, daß das sechzehnte Jahr¬
hundert, welches so laut über die beiden Teufel der Zeit, den „Hosenteufel"
und den „Saufteufel" klagt, nichts von dem dritten Dämon, der vorzüglich die
studirende Welt verwüstete, dem „Wanderteufel" zu erzählen hat, wenn wir nicht
aus früheren Aufsätzen wüßten, daß er auch einen guten Theil der wirklichen
Gelehrten besessen hielt. Sicher war er weniger harmlos als der Hosentcufel,
wenn auch kein solcher Unhold wie der Saufteufel, mit dessen Charakteristik wir
uns jetzt beschäftigen wollen.

Zuvor aber ein Wort noch über das häusliche Leben des Studenten im
sechzehnten Jahrhundert, dessen Finanzen, Tracht und was sonst in dem vorher¬
gehenden Abschnitte nur angedeutet werden konnte oder übergangen werden mußte.

Selbstverständlich ist dabei immer nur von dem flotten Burschen, dem Sohne
Vermögender Eltern die Rede, nicht von dem armen Jungen, der sich in der
Stille kümmerlich durchschlug und nicht blos Studirens halber aus der Universität
war, sondern wirklich studirte und es dabei, wenn nicht immer zu Großem, doch
in den meisten Fällen zu Etwas brachte.

Eine Hauptklage über die Studenten war nach Aufhebung des Bursen-
zwanges, daß sie Schulden machten und ihren Gläubigern als schlechte Zahler
Sorge und Verlegenheit bereiteten. Frühzeitig ergingen daher Edicte, welche
diesem Unwesen zu steuern versuchten. In Königberg stellten die Universitäts¬
gesetze dieser Zeit dem mit Befriedigung seiner Creditoren säumigen akademischen
Bürger zuerst eine Frist, und kam der lockre Gesell innerhalb derselben seiner
Verpflichtung nicht nach, so erhielt er unter Auflegung einer Geldstrafe noch¬
mals eine Frist; ließ er auch diese verstreichen, ohne dem Gläubiger gerecht zu
werden, so wurde er ins Carcer geschickt. In Wittenberg waren die Studiosen
gehalten, ihre Speisewirthe allwöchentlich, und zwar Freitags, zu bezahlen,
andrerseits aber sollte der Bürger, der ihnen über ein gewisses Maß hinaus
borgte, als Beförderer der Liederlichkeit bestraft werden.

Ganz besonders richtete sich das wittenberger Creditedict von 1662, welches
die finanziellen Verhältnisse der dortigen Musensöhne endlich in feste Ordnung
bringen sollte, gegen die hohen Schneiderrechnungen, welche die Folge der da¬
mals aufgekommenen kostspieligen Tracht waren. Einige Jahre vorher schon
hatt der Professor Musculus in Frankfurt sich veranlaßt gefunden, in einer
eignen Schrift*) gegen die Pluderhosen, den Hauptbestandtheil dieser Tracht,
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") Vom Hosenteuftl. Frankfurt a. d. O. 16S0.
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[0367] Wir dürfen annehmen, daß neben dem Adel die Elemente der Studenten¬ schaften, welche die Schule der fahrenden Scholaster durchgemacht hatten, ehe sie auf eine Universität kamen, eine der Hauptursachen des wüsten Treibens auf den hohen Schulen waren, und daß namentlich die gemeinen Verbrechen, die man hier zu bestrafen hatte, vorzugsweise diesen verwilderten Gesellen zur Last fielen. In der That, eS wäre zu verwundern, daß das sechzehnte Jahr¬ hundert, welches so laut über die beiden Teufel der Zeit, den „Hosenteufel" und den „Saufteufel" klagt, nichts von dem dritten Dämon, der vorzüglich die studirende Welt verwüstete, dem „Wanderteufel" zu erzählen hat, wenn wir nicht aus früheren Aufsätzen wüßten, daß er auch einen guten Theil der wirklichen Gelehrten besessen hielt. Sicher war er weniger harmlos als der Hosentcufel, wenn auch kein solcher Unhold wie der Saufteufel, mit dessen Charakteristik wir uns jetzt beschäftigen wollen. Zuvor aber ein Wort noch über das häusliche Leben des Studenten im sechzehnten Jahrhundert, dessen Finanzen, Tracht und was sonst in dem vorher¬ gehenden Abschnitte nur angedeutet werden konnte oder übergangen werden mußte. Selbstverständlich ist dabei immer nur von dem flotten Burschen, dem Sohne Vermögender Eltern die Rede, nicht von dem armen Jungen, der sich in der Stille kümmerlich durchschlug und nicht blos Studirens halber aus der Universität war, sondern wirklich studirte und es dabei, wenn nicht immer zu Großem, doch in den meisten Fällen zu Etwas brachte. Eine Hauptklage über die Studenten war nach Aufhebung des Bursen- zwanges, daß sie Schulden machten und ihren Gläubigern als schlechte Zahler Sorge und Verlegenheit bereiteten. Frühzeitig ergingen daher Edicte, welche diesem Unwesen zu steuern versuchten. In Königberg stellten die Universitäts¬ gesetze dieser Zeit dem mit Befriedigung seiner Creditoren säumigen akademischen Bürger zuerst eine Frist, und kam der lockre Gesell innerhalb derselben seiner Verpflichtung nicht nach, so erhielt er unter Auflegung einer Geldstrafe noch¬ mals eine Frist; ließ er auch diese verstreichen, ohne dem Gläubiger gerecht zu werden, so wurde er ins Carcer geschickt. In Wittenberg waren die Studiosen gehalten, ihre Speisewirthe allwöchentlich, und zwar Freitags, zu bezahlen, andrerseits aber sollte der Bürger, der ihnen über ein gewisses Maß hinaus borgte, als Beförderer der Liederlichkeit bestraft werden. Ganz besonders richtete sich das wittenberger Creditedict von 1662, welches die finanziellen Verhältnisse der dortigen Musensöhne endlich in feste Ordnung bringen sollte, gegen die hohen Schneiderrechnungen, welche die Folge der da¬ mals aufgekommenen kostspieligen Tracht waren. Einige Jahre vorher schon hatt der Professor Musculus in Frankfurt sich veranlaßt gefunden, in einer eignen Schrift*) gegen die Pluderhosen, den Hauptbestandtheil dieser Tracht, ' ") Vom Hosenteuftl. Frankfurt a. d. O. 16S0.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/367>, abgerufen am 28.07.2024.