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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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gleich versehen, in weniger Zeit dafür bis in 40 Gulden ein Jahr zu rechnen
gestiegen, so wollen Wir, daß über 30 Gulden hinfort von keinem soll für
Tisch. Disciplin und Habitation genommen werden"*). Und wie in Wittenberg
so auch in Tübingen, wo 1580 in den Acten der Universität Präceptoren be¬
schuldigt werden, ihre Pfleglinge damit auszubeuten, daß sie dieselben "zu
zwölfen in eine Stube stecken, von jedem 10 Gulden pro Kaditittionö fordern
und höchstens des Tags eine Stunde mit ihnen repetiren."

Die üble Behandlung neu eintreffender Mitglieder der Studentenschaft dauerte
in diesem Jahrhundert überall fort, und die Deposition blieb von den Universitäts¬
behörden geduldet, ja sie trug jetzt den Charakter einer officiellen Handlung.
Der Depositor war in der Regel ein alter Studiosus, wurde auf mehren Uni¬
versitäten vom Rector erwählt und feierlich verpflichtet, erhielt für seine Be¬
mühungen von der betreffenden akademischen Körperschaft gewöhnlich eine Ver¬
gütung, die in Wittenberg in einigen Fässern Bier bestand, und hatte von den
neu eingetroffnen Studenten außerdem ein Honorar zu beanspruchen, welches in
Altdorf 1 Gulden betrug. Melanchthon und ebenso Luther wußten ihr eine fromme
Deutung und eine nützliche Seite abzugewinnen. Nach jenem erinnerte die
Vexation der Beane den jungen Studiosen daran, "daß ihm im Leben manche
Unbill und viele Schwierigkeiten zustoßen würden, die er mit Gleichmuth er¬
tragen müsse, um nicht durch Widerhaarigkeit in größeres Unheil zu gerathen."
Luther aber nahm einst in eigner Person die Deposition Mehrer mit den Worten
vor: "Leidet solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung; gedenkt daran, daß
ihr in Wittenberg geweiht seid zum Leiden und könnet sagen, Wenn's nun
kommt: wohlan, ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponirt zu werden,
das muß mein Lebelang währen. Also ist unsre Deposition nur eine Figur
und Bild des menschlichen Lebens in allerlei Plagen, Unglück und Züchtigung",
Worauf Docivr Martin (das erste Beispiel einer eigentlichen Fuchstaufe) den
Betreffenden Wein auf die Häupter goß und sie in herkömmlicher Weise vom
Bean und Bachanten absolvirte**). In Uebrigen beließ man es bei der früheren
Bearbeitung der Füchse und fügte nur, wie das um die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts entstandene Lied "Lalvete, oanäicli Iwsxites" besagt, zu den
Hörnern, mit denen sie erschienen, und die ihnen abgesägt wurden, den Eber¬
zahnen u. d. noch einige andere Symbole, z. B. Glättung der auf eine Bank
Hingestreckten mit einem Hobel.

Ob der eigentliche Pennalismus, der im siebzehnten Jahrhundert vorzüglich




") Grohmann, Annalen der Universität Wittenberg. Meißen, 18N2. 1, 210.
Die Taufe mit Wein kommt schon früher in der Zunft der Herolde vor. Die letztere
Mfiel in Persevcinten oder Lehrlinge, Herolde oder Gesellen und Wappcnkönigc oder Meister.
Wer zum Pcrscvantcn aufgenommen wurde, empfing die Weintaufe gewöhnlich von einem
Wappenkönige, wer zum Herold befördert wurde, erhielt sie von dem Fürsten, dem er diente,
selbst, wie denn Karl der Kühne von Burgund diesen Ritus zu vollziehen pflegte.

gleich versehen, in weniger Zeit dafür bis in 40 Gulden ein Jahr zu rechnen
gestiegen, so wollen Wir, daß über 30 Gulden hinfort von keinem soll für
Tisch. Disciplin und Habitation genommen werden"*). Und wie in Wittenberg
so auch in Tübingen, wo 1580 in den Acten der Universität Präceptoren be¬
schuldigt werden, ihre Pfleglinge damit auszubeuten, daß sie dieselben „zu
zwölfen in eine Stube stecken, von jedem 10 Gulden pro Kaditittionö fordern
und höchstens des Tags eine Stunde mit ihnen repetiren."

Die üble Behandlung neu eintreffender Mitglieder der Studentenschaft dauerte
in diesem Jahrhundert überall fort, und die Deposition blieb von den Universitäts¬
behörden geduldet, ja sie trug jetzt den Charakter einer officiellen Handlung.
Der Depositor war in der Regel ein alter Studiosus, wurde auf mehren Uni¬
versitäten vom Rector erwählt und feierlich verpflichtet, erhielt für seine Be¬
mühungen von der betreffenden akademischen Körperschaft gewöhnlich eine Ver¬
gütung, die in Wittenberg in einigen Fässern Bier bestand, und hatte von den
neu eingetroffnen Studenten außerdem ein Honorar zu beanspruchen, welches in
Altdorf 1 Gulden betrug. Melanchthon und ebenso Luther wußten ihr eine fromme
Deutung und eine nützliche Seite abzugewinnen. Nach jenem erinnerte die
Vexation der Beane den jungen Studiosen daran, „daß ihm im Leben manche
Unbill und viele Schwierigkeiten zustoßen würden, die er mit Gleichmuth er¬
tragen müsse, um nicht durch Widerhaarigkeit in größeres Unheil zu gerathen."
Luther aber nahm einst in eigner Person die Deposition Mehrer mit den Worten
vor: „Leidet solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung; gedenkt daran, daß
ihr in Wittenberg geweiht seid zum Leiden und könnet sagen, Wenn's nun
kommt: wohlan, ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponirt zu werden,
das muß mein Lebelang währen. Also ist unsre Deposition nur eine Figur
und Bild des menschlichen Lebens in allerlei Plagen, Unglück und Züchtigung",
Worauf Docivr Martin (das erste Beispiel einer eigentlichen Fuchstaufe) den
Betreffenden Wein auf die Häupter goß und sie in herkömmlicher Weise vom
Bean und Bachanten absolvirte**). In Uebrigen beließ man es bei der früheren
Bearbeitung der Füchse und fügte nur, wie das um die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts entstandene Lied „Lalvete, oanäicli Iwsxites" besagt, zu den
Hörnern, mit denen sie erschienen, und die ihnen abgesägt wurden, den Eber¬
zahnen u. d. noch einige andere Symbole, z. B. Glättung der auf eine Bank
Hingestreckten mit einem Hobel.

Ob der eigentliche Pennalismus, der im siebzehnten Jahrhundert vorzüglich




") Grohmann, Annalen der Universität Wittenberg. Meißen, 18N2. 1, 210.
Die Taufe mit Wein kommt schon früher in der Zunft der Herolde vor. Die letztere
Mfiel in Persevcinten oder Lehrlinge, Herolde oder Gesellen und Wappcnkönigc oder Meister.
Wer zum Pcrscvantcn aufgenommen wurde, empfing die Weintaufe gewöhnlich von einem
Wappenkönige, wer zum Herold befördert wurde, erhielt sie von dem Fürsten, dem er diente,
selbst, wie denn Karl der Kühne von Burgund diesen Ritus zu vollziehen pflegte.
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[0369] gleich versehen, in weniger Zeit dafür bis in 40 Gulden ein Jahr zu rechnen gestiegen, so wollen Wir, daß über 30 Gulden hinfort von keinem soll für Tisch. Disciplin und Habitation genommen werden"*). Und wie in Wittenberg so auch in Tübingen, wo 1580 in den Acten der Universität Präceptoren be¬ schuldigt werden, ihre Pfleglinge damit auszubeuten, daß sie dieselben „zu zwölfen in eine Stube stecken, von jedem 10 Gulden pro Kaditittionö fordern und höchstens des Tags eine Stunde mit ihnen repetiren." Die üble Behandlung neu eintreffender Mitglieder der Studentenschaft dauerte in diesem Jahrhundert überall fort, und die Deposition blieb von den Universitäts¬ behörden geduldet, ja sie trug jetzt den Charakter einer officiellen Handlung. Der Depositor war in der Regel ein alter Studiosus, wurde auf mehren Uni¬ versitäten vom Rector erwählt und feierlich verpflichtet, erhielt für seine Be¬ mühungen von der betreffenden akademischen Körperschaft gewöhnlich eine Ver¬ gütung, die in Wittenberg in einigen Fässern Bier bestand, und hatte von den neu eingetroffnen Studenten außerdem ein Honorar zu beanspruchen, welches in Altdorf 1 Gulden betrug. Melanchthon und ebenso Luther wußten ihr eine fromme Deutung und eine nützliche Seite abzugewinnen. Nach jenem erinnerte die Vexation der Beane den jungen Studiosen daran, „daß ihm im Leben manche Unbill und viele Schwierigkeiten zustoßen würden, die er mit Gleichmuth er¬ tragen müsse, um nicht durch Widerhaarigkeit in größeres Unheil zu gerathen." Luther aber nahm einst in eigner Person die Deposition Mehrer mit den Worten vor: „Leidet solch Kreuz mit Geduld, ohne Murmelung; gedenkt daran, daß ihr in Wittenberg geweiht seid zum Leiden und könnet sagen, Wenn's nun kommt: wohlan, ich habe zu Wittenberg erstlich angefangen deponirt zu werden, das muß mein Lebelang währen. Also ist unsre Deposition nur eine Figur und Bild des menschlichen Lebens in allerlei Plagen, Unglück und Züchtigung", Worauf Docivr Martin (das erste Beispiel einer eigentlichen Fuchstaufe) den Betreffenden Wein auf die Häupter goß und sie in herkömmlicher Weise vom Bean und Bachanten absolvirte**). In Uebrigen beließ man es bei der früheren Bearbeitung der Füchse und fügte nur, wie das um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts entstandene Lied „Lalvete, oanäicli Iwsxites" besagt, zu den Hörnern, mit denen sie erschienen, und die ihnen abgesägt wurden, den Eber¬ zahnen u. d. noch einige andere Symbole, z. B. Glättung der auf eine Bank Hingestreckten mit einem Hobel. Ob der eigentliche Pennalismus, der im siebzehnten Jahrhundert vorzüglich ") Grohmann, Annalen der Universität Wittenberg. Meißen, 18N2. 1, 210. Die Taufe mit Wein kommt schon früher in der Zunft der Herolde vor. Die letztere Mfiel in Persevcinten oder Lehrlinge, Herolde oder Gesellen und Wappcnkönigc oder Meister. Wer zum Pcrscvantcn aufgenommen wurde, empfing die Weintaufe gewöhnlich von einem Wappenkönige, wer zum Herold befördert wurde, erhielt sie von dem Fürsten, dem er diente, selbst, wie denn Karl der Kühne von Burgund diesen Ritus zu vollziehen pflegte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/369>, abgerufen am 28.07.2024.