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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Mit Hellem Jubel begleiteten sie Luther in Wittenberg vor das Elsterthvr. als
er die päpstliche Bulle zu verbrennen ging. Ebenso irisch und frisch aber auch
waren sie mit Aufständen bei der Hand, wenn es nur gegen vermeintliches
Unrecht anzukaufen, nur angemaßte Freiheiten zu vertheidigen galt. Zahlreich
wagten sie sich als tapfere Prädicanten hinauf aus der norddeutschen Tiefebne
in den katholischen Süden, aber nicht weniger zahlreich kühlten sie ihren Muth
in Raufereien unter einander, in Zusammenstößen mit Bürgern und Bauern,
in Störungen von Hochzeiten, Fenstereinwerfen und nächtlichem Toben und
Tumultuiren. Niemals vorher hatten die Chronisten der Universitätsstädte so
viele und schwere Gewaltthaten, Todtschläge und Friedensbmche zu verzeichnen
gehabt. Früher schon war unter Studenten gewaltig getrunken worden; jetzt,
wo humanistische Professoren, wie der rothbärtige Zecherkönig Eoban Hesse in
Erfurt, ihnen mit hocherhvbnem auf einen Zug geleerten Pokal zur Nachfolge
winkten, wo Adel und Fürsten immer mehr in die Sitte verfielen, in Säufer-
turnieren einander unter den Tisch zu trinken, scheint man alles seither Da¬
gewesene überboten zu haben.

Fechtübungen und Duelle, Lärmen und Zechen, Tanzen und mit Würfeln
spielen, aller Welt Trotz und Fehde bieten, mit dem Bürger anbinden, mit
dem Bauer draußen, "dem groben Filz", Händel suchen -- in der That, mehr
als eine der deutschen Universitäten muß in diesem lebensvollen, mächtig auf¬
geregten, kampfbereiten Jahrhundert zu Zeiten mehr wie ein Feldlager als wie
eine Stätte stiller Studien ausgesehen haben. Ein rechtes Kerniied aus der
Stimmung eines solchen Lagers heraus ist das folgende*). Wie prächtig keck
und tmtziglich klingt eS, wenn diese Studenten -- vielleicht sind es Tübinger
das Barer auf dem Ohr, den Degen an der Seite, in die Welt hinaus-
sirigen:

' "Frisch auf mit tausend Freuden,
Wer's mit der Feder tan!
Wir wellen manchem kalten,
Was er uns hat getan.
Wir wollen's ihnen sagen,
Das si vorhin wol wisi:
Den Nächsten well wir schlagen.
Kome er aus unsern Mist.
Wir wellen nit mer leiden
Den großen Uebermut,
Den gegen uns tut treiben
Ein Mich grober Filzhut.


") Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, 1. Bd. 2, Abth-it. S. 686, Das
ist um 1524 in Süddeutschland uufgczeichnct.
38*

Mit Hellem Jubel begleiteten sie Luther in Wittenberg vor das Elsterthvr. als
er die päpstliche Bulle zu verbrennen ging. Ebenso irisch und frisch aber auch
waren sie mit Aufständen bei der Hand, wenn es nur gegen vermeintliches
Unrecht anzukaufen, nur angemaßte Freiheiten zu vertheidigen galt. Zahlreich
wagten sie sich als tapfere Prädicanten hinauf aus der norddeutschen Tiefebne
in den katholischen Süden, aber nicht weniger zahlreich kühlten sie ihren Muth
in Raufereien unter einander, in Zusammenstößen mit Bürgern und Bauern,
in Störungen von Hochzeiten, Fenstereinwerfen und nächtlichem Toben und
Tumultuiren. Niemals vorher hatten die Chronisten der Universitätsstädte so
viele und schwere Gewaltthaten, Todtschläge und Friedensbmche zu verzeichnen
gehabt. Früher schon war unter Studenten gewaltig getrunken worden; jetzt,
wo humanistische Professoren, wie der rothbärtige Zecherkönig Eoban Hesse in
Erfurt, ihnen mit hocherhvbnem auf einen Zug geleerten Pokal zur Nachfolge
winkten, wo Adel und Fürsten immer mehr in die Sitte verfielen, in Säufer-
turnieren einander unter den Tisch zu trinken, scheint man alles seither Da¬
gewesene überboten zu haben.

Fechtübungen und Duelle, Lärmen und Zechen, Tanzen und mit Würfeln
spielen, aller Welt Trotz und Fehde bieten, mit dem Bürger anbinden, mit
dem Bauer draußen, „dem groben Filz", Händel suchen — in der That, mehr
als eine der deutschen Universitäten muß in diesem lebensvollen, mächtig auf¬
geregten, kampfbereiten Jahrhundert zu Zeiten mehr wie ein Feldlager als wie
eine Stätte stiller Studien ausgesehen haben. Ein rechtes Kerniied aus der
Stimmung eines solchen Lagers heraus ist das folgende*). Wie prächtig keck
und tmtziglich klingt eS, wenn diese Studenten — vielleicht sind es Tübinger
das Barer auf dem Ohr, den Degen an der Seite, in die Welt hinaus-
sirigen:

' „Frisch auf mit tausend Freuden,
Wer's mit der Feder tan!
Wir wellen manchem kalten,
Was er uns hat getan.
Wir wollen's ihnen sagen,
Das si vorhin wol wisi:
Den Nächsten well wir schlagen.
Kome er aus unsern Mist.
Wir wellen nit mer leiden
Den großen Uebermut,
Den gegen uns tut treiben
Ein Mich grober Filzhut.


") Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, 1. Bd. 2, Abth-it. S. 686, Das
ist um 1524 in Süddeutschland uufgczeichnct.
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[0323] Mit Hellem Jubel begleiteten sie Luther in Wittenberg vor das Elsterthvr. als er die päpstliche Bulle zu verbrennen ging. Ebenso irisch und frisch aber auch waren sie mit Aufständen bei der Hand, wenn es nur gegen vermeintliches Unrecht anzukaufen, nur angemaßte Freiheiten zu vertheidigen galt. Zahlreich wagten sie sich als tapfere Prädicanten hinauf aus der norddeutschen Tiefebne in den katholischen Süden, aber nicht weniger zahlreich kühlten sie ihren Muth in Raufereien unter einander, in Zusammenstößen mit Bürgern und Bauern, in Störungen von Hochzeiten, Fenstereinwerfen und nächtlichem Toben und Tumultuiren. Niemals vorher hatten die Chronisten der Universitätsstädte so viele und schwere Gewaltthaten, Todtschläge und Friedensbmche zu verzeichnen gehabt. Früher schon war unter Studenten gewaltig getrunken worden; jetzt, wo humanistische Professoren, wie der rothbärtige Zecherkönig Eoban Hesse in Erfurt, ihnen mit hocherhvbnem auf einen Zug geleerten Pokal zur Nachfolge winkten, wo Adel und Fürsten immer mehr in die Sitte verfielen, in Säufer- turnieren einander unter den Tisch zu trinken, scheint man alles seither Da¬ gewesene überboten zu haben. Fechtübungen und Duelle, Lärmen und Zechen, Tanzen und mit Würfeln spielen, aller Welt Trotz und Fehde bieten, mit dem Bürger anbinden, mit dem Bauer draußen, „dem groben Filz", Händel suchen — in der That, mehr als eine der deutschen Universitäten muß in diesem lebensvollen, mächtig auf¬ geregten, kampfbereiten Jahrhundert zu Zeiten mehr wie ein Feldlager als wie eine Stätte stiller Studien ausgesehen haben. Ein rechtes Kerniied aus der Stimmung eines solchen Lagers heraus ist das folgende*). Wie prächtig keck und tmtziglich klingt eS, wenn diese Studenten — vielleicht sind es Tübinger das Barer auf dem Ohr, den Degen an der Seite, in die Welt hinaus- sirigen: ' „Frisch auf mit tausend Freuden, Wer's mit der Feder tan! Wir wellen manchem kalten, Was er uns hat getan. Wir wollen's ihnen sagen, Das si vorhin wol wisi: Den Nächsten well wir schlagen. Kome er aus unsern Mist. Wir wellen nit mer leiden Den großen Uebermut, Den gegen uns tut treiben Ein Mich grober Filzhut. ") Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, 1. Bd. 2, Abth-it. S. 686, Das ist um 1524 in Süddeutschland uufgczeichnct. 38*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/323>, abgerufen am 28.07.2024.