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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Darumb, ihr lieben Prüder, ,
Last's euch bcvolhcn sein!
Last's euch sein bester lieber
Und schlagend tapset drein.
Darzu helf uns Fortuna
Und das ganz Firmament:
Ill ng.t nu bona,
Der sich nennt ein Student.
Studenten Art ist kluge,
Vit edler als das Gold,
Darumb seind si mit Fuge
Kam groben Paurn nit hold.
Das Liedlin ist gesungen
Von amen Studenten fein,
Es hat ihm wol gelungen:
Paur, rat! wer mag er sein?"

Betrachten wir diese Züge des Studentenlebens im Jahrhundert der Refor¬
mation nun näher, so finden wir, daß man an den alten Universitäten im
ersten Drittel dieses Säculums die mittelalterliche Disciplin noch mit ziemlicher
Energie zu wahren versuchte, und daß hier auch später noch bisweilen Ver¬
ordnungen ergingen, welche die Studirenden wie Knaben ansahen.

In der Constitution der tübinger Hochschule von 1618 heißt es*), die
Dekane haben halbjährlich Fleiß und Sitten der Studiosen ihrer Facultät durch¬
zugehen, die Trägen zu ernähren, die Unverbesserlichen dem Rector zur Ent¬
fernung vorzuschlagen. Alle, welche nach akademischen Graden streben, müssen
in der Burse wohnen und speisen. Verboten werden geschlitzte und gestickte
Kleider, Pluderhosen, das Tragen von Filzhüten und jener "xilei oblongi,
huibuL luroios. barbaries äLlöotawi.'". Desgleichen soll der Student keinen
Degen von ungewöhnlicher Länge führen und seinen Degen nicht nach Art der
Landsknechte "nach hinten gestürzt" (nach hinten wagerecht hinausstehend) tragen,
sondern grade herabhängend vom Gürtel. Alle Studenten sind zum Besuch
sämmtlicher Predigten und Litaneien bei Strafe verpflichtet. Fluchen und
Schwören, Besuch von Wirthshäusern und Hochzeiten, bei welchen es damals
nie ohne schmutzige Witze und selten ohne Schlägereien abging, Nachtlärm, be¬
sonders nächtliches Umherziehen mit Musik, Weingelage und Würfelspiel sind
streng untersagt, letzteres für den Wiederholungsfall bei Strafe der Relegation.
Wer nach der Abendglocke ohne Licht ausgeht, hat es mit fünfzehn Tagen Carcer



*) Vgl. Sitten und Betragen der tübinger Studenten während des 16. Jahrhunderts.
Von Dr. Robert v. Mohl. Tübingen, Lauppsche Buchhandlung. 1840.
Darumb, ihr lieben Prüder, ,
Last's euch bcvolhcn sein!
Last's euch sein bester lieber
Und schlagend tapset drein.
Darzu helf uns Fortuna
Und das ganz Firmament:
Ill ng.t nu bona,
Der sich nennt ein Student.
Studenten Art ist kluge,
Vit edler als das Gold,
Darumb seind si mit Fuge
Kam groben Paurn nit hold.
Das Liedlin ist gesungen
Von amen Studenten fein,
Es hat ihm wol gelungen:
Paur, rat! wer mag er sein?"

Betrachten wir diese Züge des Studentenlebens im Jahrhundert der Refor¬
mation nun näher, so finden wir, daß man an den alten Universitäten im
ersten Drittel dieses Säculums die mittelalterliche Disciplin noch mit ziemlicher
Energie zu wahren versuchte, und daß hier auch später noch bisweilen Ver¬
ordnungen ergingen, welche die Studirenden wie Knaben ansahen.

In der Constitution der tübinger Hochschule von 1618 heißt es*), die
Dekane haben halbjährlich Fleiß und Sitten der Studiosen ihrer Facultät durch¬
zugehen, die Trägen zu ernähren, die Unverbesserlichen dem Rector zur Ent¬
fernung vorzuschlagen. Alle, welche nach akademischen Graden streben, müssen
in der Burse wohnen und speisen. Verboten werden geschlitzte und gestickte
Kleider, Pluderhosen, das Tragen von Filzhüten und jener „xilei oblongi,
huibuL luroios. barbaries äLlöotawi.'". Desgleichen soll der Student keinen
Degen von ungewöhnlicher Länge führen und seinen Degen nicht nach Art der
Landsknechte „nach hinten gestürzt" (nach hinten wagerecht hinausstehend) tragen,
sondern grade herabhängend vom Gürtel. Alle Studenten sind zum Besuch
sämmtlicher Predigten und Litaneien bei Strafe verpflichtet. Fluchen und
Schwören, Besuch von Wirthshäusern und Hochzeiten, bei welchen es damals
nie ohne schmutzige Witze und selten ohne Schlägereien abging, Nachtlärm, be¬
sonders nächtliches Umherziehen mit Musik, Weingelage und Würfelspiel sind
streng untersagt, letzteres für den Wiederholungsfall bei Strafe der Relegation.
Wer nach der Abendglocke ohne Licht ausgeht, hat es mit fünfzehn Tagen Carcer



*) Vgl. Sitten und Betragen der tübinger Studenten während des 16. Jahrhunderts.
Von Dr. Robert v. Mohl. Tübingen, Lauppsche Buchhandlung. 1840.
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[0324] Darumb, ihr lieben Prüder, , Last's euch bcvolhcn sein! Last's euch sein bester lieber Und schlagend tapset drein. Darzu helf uns Fortuna Und das ganz Firmament: Ill ng.t nu bona, Der sich nennt ein Student. Studenten Art ist kluge, Vit edler als das Gold, Darumb seind si mit Fuge Kam groben Paurn nit hold. Das Liedlin ist gesungen Von amen Studenten fein, Es hat ihm wol gelungen: Paur, rat! wer mag er sein?" Betrachten wir diese Züge des Studentenlebens im Jahrhundert der Refor¬ mation nun näher, so finden wir, daß man an den alten Universitäten im ersten Drittel dieses Säculums die mittelalterliche Disciplin noch mit ziemlicher Energie zu wahren versuchte, und daß hier auch später noch bisweilen Ver¬ ordnungen ergingen, welche die Studirenden wie Knaben ansahen. In der Constitution der tübinger Hochschule von 1618 heißt es*), die Dekane haben halbjährlich Fleiß und Sitten der Studiosen ihrer Facultät durch¬ zugehen, die Trägen zu ernähren, die Unverbesserlichen dem Rector zur Ent¬ fernung vorzuschlagen. Alle, welche nach akademischen Graden streben, müssen in der Burse wohnen und speisen. Verboten werden geschlitzte und gestickte Kleider, Pluderhosen, das Tragen von Filzhüten und jener „xilei oblongi, huibuL luroios. barbaries äLlöotawi.'". Desgleichen soll der Student keinen Degen von ungewöhnlicher Länge führen und seinen Degen nicht nach Art der Landsknechte „nach hinten gestürzt" (nach hinten wagerecht hinausstehend) tragen, sondern grade herabhängend vom Gürtel. Alle Studenten sind zum Besuch sämmtlicher Predigten und Litaneien bei Strafe verpflichtet. Fluchen und Schwören, Besuch von Wirthshäusern und Hochzeiten, bei welchen es damals nie ohne schmutzige Witze und selten ohne Schlägereien abging, Nachtlärm, be¬ sonders nächtliches Umherziehen mit Musik, Weingelage und Würfelspiel sind streng untersagt, letzteres für den Wiederholungsfall bei Strafe der Relegation. Wer nach der Abendglocke ohne Licht ausgeht, hat es mit fünfzehn Tagen Carcer *) Vgl. Sitten und Betragen der tübinger Studenten während des 16. Jahrhunderts. Von Dr. Robert v. Mohl. Tübingen, Lauppsche Buchhandlung. 1840.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/324>, abgerufen am 28.07.2024.