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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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schaft dienen, so werde ich mir auch einen andern Herrn in meinem Alter
nicht suchen."

So ist Gneisenau denn wieder in richtigem Fahrwasser und fand darin
sofort die richtige Stelle. Der König schrieb ihm infolge obiger Erklärung am
11. und Is. März: "Um Ihnen zu beweisen, wie groß Mein Vertrauen zu
Ihrer Dienstkenntniß und Ihrer Anhänglichkeit an Mein Interesse ist, stelle ich
Sie hierdurch als Generalmajor in Meinem Dienst wieder an und sollen Sie
einstweilen bei dem Corps des Generals von Blücher Dienste leisten."

Am 18. März brach dies Corps und mit ihm Gneisenau von Breslau gegen
Westen auf. Bei demselben war Scharnhorst Chef des Generalstabes, da derselbe
aber durch seine übrigen Geschäfte als eigentlicher Kriegsminister so vielfach in
Anspruch genommen war, fiel dem ihm zunächst stehenden Gneisenau die Auf¬
gabe des Chefs des Generalstabcs, nämlich die Geschäfte der Armeeleitung
und Erhaltung, schon damals fast ausschließlich zu. wie es ganz geschah seit der
Verwundung Scharnhorsts in der Schlacht bei Groß-Görschen am 6. Mai. --
Gneisenau tritt hiermit in das Verhältniß zu Blücher, welches den Grund zu
seinem höchsten militärischen Ruhm legte, indem es ihn zur Seele der Armee
machte, welcher vor allen andern der Ruhm der Niederwerfung Napoleons
zufällt.

Blüchers hervorstechende Eigenschaften bestanden darin, daß er es in hohem
Maße verstand auf den Soldaten zu wirken, weil er vollständig mit dem Sol¬
daten dachte und fühlte; dazu trat ein ungemein scharfer Verstand, der zwar
nicht durch Studien einen erweiterten Gesichtskreis bekommen, aber durch reiche
Erfahrungen ihm ein klares Urtheil über die ihn zunächst umgebenden Verhältnisse
gewährte und endlich war er mit einem geistigen und körperlichen Muthe aus¬
gestattet, welcher ihn vor keinem Feinde und, was noch viel wichtiger war, vor
keiner Verantwortung zurückschrecken ließ. Diese, die Truppe elektrisirende, im
Moment sicher handelnde und dabei kühne Natur verband sich innig mit
Gneisenau und dessen weit aussehenden, immer ein großes Ziel umfassenden
Plänen, die im vorliegenden Falle in großen wie in kleinen Anordnungen, in
Vormärschen wie in Rückgängen, in Siegen wie in Niederlagen stets nur die
Verjagung Napoleons vom Throne im Auge hatten. Das instinktartige Gefühl,
welches Blücher für das momentan Richtige eigen war, hat ebenso oft die
Combinationen Gneisenaus auf das unmittelbar Nothwendige zurückgeführt,
als Gneisenau die einfachen Truppenhandhabungen Blüchers zu einem meister¬
haft durchgeführten Feldzug zusammengefügt hat. So sehr es z. B. den
allgemeinen Verhältnissen entsprach, daß Gneisenau die schlesische Armee in
steten Gefechten vor Napoleon zurückweichen ließ, so richtig erkannte Blücher, daß
ein fernerer Rückzug zum Ruin des Heeres führen würde, bestand auf der
Schlacht, wie sie auch ausfallen möchte, und errang den Sieg an der Katzbach.


schaft dienen, so werde ich mir auch einen andern Herrn in meinem Alter
nicht suchen."

So ist Gneisenau denn wieder in richtigem Fahrwasser und fand darin
sofort die richtige Stelle. Der König schrieb ihm infolge obiger Erklärung am
11. und Is. März: „Um Ihnen zu beweisen, wie groß Mein Vertrauen zu
Ihrer Dienstkenntniß und Ihrer Anhänglichkeit an Mein Interesse ist, stelle ich
Sie hierdurch als Generalmajor in Meinem Dienst wieder an und sollen Sie
einstweilen bei dem Corps des Generals von Blücher Dienste leisten."

Am 18. März brach dies Corps und mit ihm Gneisenau von Breslau gegen
Westen auf. Bei demselben war Scharnhorst Chef des Generalstabes, da derselbe
aber durch seine übrigen Geschäfte als eigentlicher Kriegsminister so vielfach in
Anspruch genommen war, fiel dem ihm zunächst stehenden Gneisenau die Auf¬
gabe des Chefs des Generalstabcs, nämlich die Geschäfte der Armeeleitung
und Erhaltung, schon damals fast ausschließlich zu. wie es ganz geschah seit der
Verwundung Scharnhorsts in der Schlacht bei Groß-Görschen am 6. Mai. —
Gneisenau tritt hiermit in das Verhältniß zu Blücher, welches den Grund zu
seinem höchsten militärischen Ruhm legte, indem es ihn zur Seele der Armee
machte, welcher vor allen andern der Ruhm der Niederwerfung Napoleons
zufällt.

Blüchers hervorstechende Eigenschaften bestanden darin, daß er es in hohem
Maße verstand auf den Soldaten zu wirken, weil er vollständig mit dem Sol¬
daten dachte und fühlte; dazu trat ein ungemein scharfer Verstand, der zwar
nicht durch Studien einen erweiterten Gesichtskreis bekommen, aber durch reiche
Erfahrungen ihm ein klares Urtheil über die ihn zunächst umgebenden Verhältnisse
gewährte und endlich war er mit einem geistigen und körperlichen Muthe aus¬
gestattet, welcher ihn vor keinem Feinde und, was noch viel wichtiger war, vor
keiner Verantwortung zurückschrecken ließ. Diese, die Truppe elektrisirende, im
Moment sicher handelnde und dabei kühne Natur verband sich innig mit
Gneisenau und dessen weit aussehenden, immer ein großes Ziel umfassenden
Plänen, die im vorliegenden Falle in großen wie in kleinen Anordnungen, in
Vormärschen wie in Rückgängen, in Siegen wie in Niederlagen stets nur die
Verjagung Napoleons vom Throne im Auge hatten. Das instinktartige Gefühl,
welches Blücher für das momentan Richtige eigen war, hat ebenso oft die
Combinationen Gneisenaus auf das unmittelbar Nothwendige zurückgeführt,
als Gneisenau die einfachen Truppenhandhabungen Blüchers zu einem meister¬
haft durchgeführten Feldzug zusammengefügt hat. So sehr es z. B. den
allgemeinen Verhältnissen entsprach, daß Gneisenau die schlesische Armee in
steten Gefechten vor Napoleon zurückweichen ließ, so richtig erkannte Blücher, daß
ein fernerer Rückzug zum Ruin des Heeres führen würde, bestand auf der
Schlacht, wie sie auch ausfallen möchte, und errang den Sieg an der Katzbach.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/294>, abgerufen am 01.09.2024.