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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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1) Ein bewaffnetes Schiff, das mich in die Nähe von Kolberg und, mi߬
länge dort mein Versuch, nach Memel zu Herrn v. Stein brächte.

2) Gelänge mein Versuch auf die Besatzung, so möchte mich die Regierung
ermächtigen, der Besatzung zu erklären, daß sie solche in Sold nähme.

3) Im Fall des Gelingens ist es von Wichtigkeit, sogleich Waffen. Ar¬
tillerie und Munition in Bereitschaft zu haben; so möchten gleich jetzt einige
damit beladene Schiffe folgen.

4) Dann möchte auch die (in Nußland formirte) deutsche Legion oder
wenigstens die Infanterie nach Kolberg gesandt werden, um damit nach Berlin
vorzudringen.

6) Außer der Ausrüstung der deutschen Legion die Ausrüstung für 20,000
Mann in Pommern zu bildender Truppen.

Die britische Negierung ging auf diese Pläne ein, stellte das Schiff zur
Disposition und versprach die gewünschten Nachsendungen. Am 25. Februar
1813 landete Gneisenau an der pommerschen Küste. In Kolberg ward der
verehrte Commandant mit allgemeinen Freudenbezeugungen aufgenommen, die
Stadt erleuchtet, die Bürgerschaft zog mit Musik vor seiner Wohnung auf und
brachte ihm ein Lebehoch. Alles, was er sah und hörte, war ein Zeichen jener
schönen und erhabenen Zeit, w'o Preußens Volk aufstand, um seine und seines
Königs Freiheit wieder zu erobern. Gneisenau fühlte das Vaterland, ward
wieder Preuße. An Dörnberg schrieb er im Ausdruck seiner letzten Vergangen¬
heit und seiner damaligen Empfindungen: "Nimmt man den Verlornen Sohn
wieder auf, so fordert Pflicht, Ehre und Gefühl, daß ich meinem alten Herrn
diene." -- Man nahm ihn mit offenen Armen auf, wollte ihn aber gleich
wieder nach London zurücksenden, um mit England das Bündniß auf Sub-
sidien u. tgi. zu schließen. Dagegen stemmte sich Gneisenau aber in richtiger
Erkenntniß seiner Lage, er ging sofort nach Breslau, wo damals das königliche
Hauptquartier war und schrieb an den Staatskanzler: "Die Pflicht gegen
Meinen guten Namen befiehlt mir, die Mission auf das bestimmteste abzulehnen.
Bereits einen ruhmwürdigen Feldzug habe ich durch meine diplomatische
Reise des vorigen Jahres verloren, und nun sollte ich auch um den zweiten
kommen. Meine Anstellung soll keine Schwierigkeit haben. Als Befehlshaber
eines Regiments kann ich noch immer sehr nützlich sein. Ew. Excellenz werden
diese Angelegenheit auf eine günstige Art wenden, damit des Königs Unzu¬
friedenheit mich nicht treffe; entstehe aber daraus, was da wolle, nimmermehr,
dies erkläre ich hiermit auf meine Ehre, kann ich diesen Auftrag annehmen,
da ich durch diesen Schritt ein Selbstmörder meiner Ehre würde." "Lassen
Ew. Excellenz sich nicht durch diese Erklärung verleiten zu glauben, als ob
ich gesonnen sei meine Anstellung bei der deutschen Legion anzunehmen.
Kann und soll ich dem König, meinem Herrn, nicht in militärischer Eigen-


1) Ein bewaffnetes Schiff, das mich in die Nähe von Kolberg und, mi߬
länge dort mein Versuch, nach Memel zu Herrn v. Stein brächte.

2) Gelänge mein Versuch auf die Besatzung, so möchte mich die Regierung
ermächtigen, der Besatzung zu erklären, daß sie solche in Sold nähme.

3) Im Fall des Gelingens ist es von Wichtigkeit, sogleich Waffen. Ar¬
tillerie und Munition in Bereitschaft zu haben; so möchten gleich jetzt einige
damit beladene Schiffe folgen.

4) Dann möchte auch die (in Nußland formirte) deutsche Legion oder
wenigstens die Infanterie nach Kolberg gesandt werden, um damit nach Berlin
vorzudringen.

6) Außer der Ausrüstung der deutschen Legion die Ausrüstung für 20,000
Mann in Pommern zu bildender Truppen.

Die britische Negierung ging auf diese Pläne ein, stellte das Schiff zur
Disposition und versprach die gewünschten Nachsendungen. Am 25. Februar
1813 landete Gneisenau an der pommerschen Küste. In Kolberg ward der
verehrte Commandant mit allgemeinen Freudenbezeugungen aufgenommen, die
Stadt erleuchtet, die Bürgerschaft zog mit Musik vor seiner Wohnung auf und
brachte ihm ein Lebehoch. Alles, was er sah und hörte, war ein Zeichen jener
schönen und erhabenen Zeit, w'o Preußens Volk aufstand, um seine und seines
Königs Freiheit wieder zu erobern. Gneisenau fühlte das Vaterland, ward
wieder Preuße. An Dörnberg schrieb er im Ausdruck seiner letzten Vergangen¬
heit und seiner damaligen Empfindungen: „Nimmt man den Verlornen Sohn
wieder auf, so fordert Pflicht, Ehre und Gefühl, daß ich meinem alten Herrn
diene." — Man nahm ihn mit offenen Armen auf, wollte ihn aber gleich
wieder nach London zurücksenden, um mit England das Bündniß auf Sub-
sidien u. tgi. zu schließen. Dagegen stemmte sich Gneisenau aber in richtiger
Erkenntniß seiner Lage, er ging sofort nach Breslau, wo damals das königliche
Hauptquartier war und schrieb an den Staatskanzler: „Die Pflicht gegen
Meinen guten Namen befiehlt mir, die Mission auf das bestimmteste abzulehnen.
Bereits einen ruhmwürdigen Feldzug habe ich durch meine diplomatische
Reise des vorigen Jahres verloren, und nun sollte ich auch um den zweiten
kommen. Meine Anstellung soll keine Schwierigkeit haben. Als Befehlshaber
eines Regiments kann ich noch immer sehr nützlich sein. Ew. Excellenz werden
diese Angelegenheit auf eine günstige Art wenden, damit des Königs Unzu¬
friedenheit mich nicht treffe; entstehe aber daraus, was da wolle, nimmermehr,
dies erkläre ich hiermit auf meine Ehre, kann ich diesen Auftrag annehmen,
da ich durch diesen Schritt ein Selbstmörder meiner Ehre würde." „Lassen
Ew. Excellenz sich nicht durch diese Erklärung verleiten zu glauben, als ob
ich gesonnen sei meine Anstellung bei der deutschen Legion anzunehmen.
Kann und soll ich dem König, meinem Herrn, nicht in militärischer Eigen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/293>, abgerufen am 01.09.2024.