Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

So wenig er nach diesen Mittheilungen mit der religiösen Richtung seines
Landesherrn, Friedrichs des Großen, hcirmonirte, war er doch ein guter preußi¬
scher Patriot. "Ich liebe den König sehr," schrieb er beim Ausbruch des sieben¬
jährigen Kriegs, "der Herr sei seine Sonne, sein Schild, er seiner Feinde
Schrecken," was gewisse Preußen sich jetzt zum Muster dienen lassen könnten.

Der Commissionsrath Klopstock war mit Anna Maria Schmidt verheirathet,
einer würdigen Frau aus vermöglicher Familie, deren meiste Mitglieder in
Langensalza ansässig waren. Aus dieser Ehe, die im Jahre 1766 der Tod des
Gatten trennte, entsprangen siebzehn Kinder, acht Söhne und neun Töchter,
unter denen Friedrich Gottlieb als Erstgeborner am 2. Juli 1724 um die
Mittagsstunde das Licht der Welt erblickte. An seiner Erziehung wirkte außer
den Eltern auch die Mutter des Vaters mit, eine gute, fromme Alte, die eine
besondere Anziehungskraft auf die Kinder ausübte, und der später der Enkel
nachrühmte, daß sie ihn zuerst auf verständige Art mit der Bibel bekannt ge¬
macht habe. Für den Natursinn des Knaben und für dessen Gefallen an der
Geschichte bot die Vaterstadt mannichfache Anregung. Von dem Felsen, auf
welchem die quedlinburger Abtei steht, prachtvolle Aussicht auf den Harz mit
dem stolzen Brocken, unter dem Felsen ein schönes dunkles Gehölz, wo sich jetzt
das Denkmal des Dichters befindet. In der Krypte der Stiftskirche sahen die
Kinder das Grabmal Heinrich des Vogelstellers, in der Sakristei der Oberkirche
neben einem Weinkrug von der Hochzeit zu Kana den Bartkamm des unten
ruhenden Königs und den Stab seiner Enkelin, der Aebtissin Mathilde.

Etwa in seinem neunten Jahre kam der Dichterknabe noch mehr in Be¬
rührung mit der freien Natur, indem sein Vater das im Mannsfeldischen in
anmuthiger Gegend an der Saale gelegene Gut Friedeburg in Pacht nahm. Der
Knabe our.de hier mit einigen jungen Edelleuten aus der Nachbarschaft in den
Anfangsgründen der Sprachen unterrichtet; aber die meiste Zeit blieb ihm für
Bewegung und Leibesübung, zum Theil für waghalsige Spiele, frei. "Man
hing sich Stieren an den Schweif, die, mit einem Stecken gereizt, den kecken
Jungen im Kreise herumschleuderten, daß ihm Hören und Sehen verging; man
badete im Flusse trotz des Verbotes der ängstlichen Mutter, und der Vater er¬
mahnte, nur nicht zu ertrinken, man sprang früh vor Tage mit den beiden
Hunden Schäfer und Satan über die Hofmauer, um in den Wäldern des Nach¬
bars Baron mit dessen Söhnen Hasen zu jagen."

An Kenntnissen nahm der junge Klopstock unter solchen Verhältnissen wenig
zu, desto mehr aber an Muth, Entschlossenheit und Körperkraft. Sein ganzes
Leben hindurch blieb dem Dichter diese Vorliebe für Leibesbewegung in freier
Luft, die aus seinen Dichtungen, besonders den Oden, wie ein frischer kräf¬
tigender Hauch hervorweht.

Wie in ihm selbst so scheint sich auch in Klopstocks Geschwistern ein eigen-


So wenig er nach diesen Mittheilungen mit der religiösen Richtung seines
Landesherrn, Friedrichs des Großen, hcirmonirte, war er doch ein guter preußi¬
scher Patriot. „Ich liebe den König sehr," schrieb er beim Ausbruch des sieben¬
jährigen Kriegs, „der Herr sei seine Sonne, sein Schild, er seiner Feinde
Schrecken," was gewisse Preußen sich jetzt zum Muster dienen lassen könnten.

Der Commissionsrath Klopstock war mit Anna Maria Schmidt verheirathet,
einer würdigen Frau aus vermöglicher Familie, deren meiste Mitglieder in
Langensalza ansässig waren. Aus dieser Ehe, die im Jahre 1766 der Tod des
Gatten trennte, entsprangen siebzehn Kinder, acht Söhne und neun Töchter,
unter denen Friedrich Gottlieb als Erstgeborner am 2. Juli 1724 um die
Mittagsstunde das Licht der Welt erblickte. An seiner Erziehung wirkte außer
den Eltern auch die Mutter des Vaters mit, eine gute, fromme Alte, die eine
besondere Anziehungskraft auf die Kinder ausübte, und der später der Enkel
nachrühmte, daß sie ihn zuerst auf verständige Art mit der Bibel bekannt ge¬
macht habe. Für den Natursinn des Knaben und für dessen Gefallen an der
Geschichte bot die Vaterstadt mannichfache Anregung. Von dem Felsen, auf
welchem die quedlinburger Abtei steht, prachtvolle Aussicht auf den Harz mit
dem stolzen Brocken, unter dem Felsen ein schönes dunkles Gehölz, wo sich jetzt
das Denkmal des Dichters befindet. In der Krypte der Stiftskirche sahen die
Kinder das Grabmal Heinrich des Vogelstellers, in der Sakristei der Oberkirche
neben einem Weinkrug von der Hochzeit zu Kana den Bartkamm des unten
ruhenden Königs und den Stab seiner Enkelin, der Aebtissin Mathilde.

Etwa in seinem neunten Jahre kam der Dichterknabe noch mehr in Be¬
rührung mit der freien Natur, indem sein Vater das im Mannsfeldischen in
anmuthiger Gegend an der Saale gelegene Gut Friedeburg in Pacht nahm. Der
Knabe our.de hier mit einigen jungen Edelleuten aus der Nachbarschaft in den
Anfangsgründen der Sprachen unterrichtet; aber die meiste Zeit blieb ihm für
Bewegung und Leibesübung, zum Theil für waghalsige Spiele, frei. „Man
hing sich Stieren an den Schweif, die, mit einem Stecken gereizt, den kecken
Jungen im Kreise herumschleuderten, daß ihm Hören und Sehen verging; man
badete im Flusse trotz des Verbotes der ängstlichen Mutter, und der Vater er¬
mahnte, nur nicht zu ertrinken, man sprang früh vor Tage mit den beiden
Hunden Schäfer und Satan über die Hofmauer, um in den Wäldern des Nach¬
bars Baron mit dessen Söhnen Hasen zu jagen."

An Kenntnissen nahm der junge Klopstock unter solchen Verhältnissen wenig
zu, desto mehr aber an Muth, Entschlossenheit und Körperkraft. Sein ganzes
Leben hindurch blieb dem Dichter diese Vorliebe für Leibesbewegung in freier
Luft, die aus seinen Dichtungen, besonders den Oden, wie ein frischer kräf¬
tigender Hauch hervorweht.

Wie in ihm selbst so scheint sich auch in Klopstocks Geschwistern ein eigen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285274"/>
          <p xml:id="ID_687"> So wenig er nach diesen Mittheilungen mit der religiösen Richtung seines<lb/>
Landesherrn, Friedrichs des Großen, hcirmonirte, war er doch ein guter preußi¬<lb/>
scher Patriot. &#x201E;Ich liebe den König sehr," schrieb er beim Ausbruch des sieben¬<lb/>
jährigen Kriegs, &#x201E;der Herr sei seine Sonne, sein Schild, er seiner Feinde<lb/>
Schrecken," was gewisse Preußen sich jetzt zum Muster dienen lassen könnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_688"> Der Commissionsrath Klopstock war mit Anna Maria Schmidt verheirathet,<lb/>
einer würdigen Frau aus vermöglicher Familie, deren meiste Mitglieder in<lb/>
Langensalza ansässig waren. Aus dieser Ehe, die im Jahre 1766 der Tod des<lb/>
Gatten trennte, entsprangen siebzehn Kinder, acht Söhne und neun Töchter,<lb/>
unter denen Friedrich Gottlieb als Erstgeborner am 2. Juli 1724 um die<lb/>
Mittagsstunde das Licht der Welt erblickte. An seiner Erziehung wirkte außer<lb/>
den Eltern auch die Mutter des Vaters mit, eine gute, fromme Alte, die eine<lb/>
besondere Anziehungskraft auf die Kinder ausübte, und der später der Enkel<lb/>
nachrühmte, daß sie ihn zuerst auf verständige Art mit der Bibel bekannt ge¬<lb/>
macht habe. Für den Natursinn des Knaben und für dessen Gefallen an der<lb/>
Geschichte bot die Vaterstadt mannichfache Anregung. Von dem Felsen, auf<lb/>
welchem die quedlinburger Abtei steht, prachtvolle Aussicht auf den Harz mit<lb/>
dem stolzen Brocken, unter dem Felsen ein schönes dunkles Gehölz, wo sich jetzt<lb/>
das Denkmal des Dichters befindet. In der Krypte der Stiftskirche sahen die<lb/>
Kinder das Grabmal Heinrich des Vogelstellers, in der Sakristei der Oberkirche<lb/>
neben einem Weinkrug von der Hochzeit zu Kana den Bartkamm des unten<lb/>
ruhenden Königs und den Stab seiner Enkelin, der Aebtissin Mathilde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_689"> Etwa in seinem neunten Jahre kam der Dichterknabe noch mehr in Be¬<lb/>
rührung mit der freien Natur, indem sein Vater das im Mannsfeldischen in<lb/>
anmuthiger Gegend an der Saale gelegene Gut Friedeburg in Pacht nahm. Der<lb/>
Knabe our.de hier mit einigen jungen Edelleuten aus der Nachbarschaft in den<lb/>
Anfangsgründen der Sprachen unterrichtet; aber die meiste Zeit blieb ihm für<lb/>
Bewegung und Leibesübung, zum Theil für waghalsige Spiele, frei. &#x201E;Man<lb/>
hing sich Stieren an den Schweif, die, mit einem Stecken gereizt, den kecken<lb/>
Jungen im Kreise herumschleuderten, daß ihm Hören und Sehen verging; man<lb/>
badete im Flusse trotz des Verbotes der ängstlichen Mutter, und der Vater er¬<lb/>
mahnte, nur nicht zu ertrinken, man sprang früh vor Tage mit den beiden<lb/>
Hunden Schäfer und Satan über die Hofmauer, um in den Wäldern des Nach¬<lb/>
bars Baron mit dessen Söhnen Hasen zu jagen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_690"> An Kenntnissen nahm der junge Klopstock unter solchen Verhältnissen wenig<lb/>
zu, desto mehr aber an Muth, Entschlossenheit und Körperkraft. Sein ganzes<lb/>
Leben hindurch blieb dem Dichter diese Vorliebe für Leibesbewegung in freier<lb/>
Luft, die aus seinen Dichtungen, besonders den Oden, wie ein frischer kräf¬<lb/>
tigender Hauch hervorweht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_691" next="#ID_692"> Wie in ihm selbst so scheint sich auch in Klopstocks Geschwistern ein eigen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0246] So wenig er nach diesen Mittheilungen mit der religiösen Richtung seines Landesherrn, Friedrichs des Großen, hcirmonirte, war er doch ein guter preußi¬ scher Patriot. „Ich liebe den König sehr," schrieb er beim Ausbruch des sieben¬ jährigen Kriegs, „der Herr sei seine Sonne, sein Schild, er seiner Feinde Schrecken," was gewisse Preußen sich jetzt zum Muster dienen lassen könnten. Der Commissionsrath Klopstock war mit Anna Maria Schmidt verheirathet, einer würdigen Frau aus vermöglicher Familie, deren meiste Mitglieder in Langensalza ansässig waren. Aus dieser Ehe, die im Jahre 1766 der Tod des Gatten trennte, entsprangen siebzehn Kinder, acht Söhne und neun Töchter, unter denen Friedrich Gottlieb als Erstgeborner am 2. Juli 1724 um die Mittagsstunde das Licht der Welt erblickte. An seiner Erziehung wirkte außer den Eltern auch die Mutter des Vaters mit, eine gute, fromme Alte, die eine besondere Anziehungskraft auf die Kinder ausübte, und der später der Enkel nachrühmte, daß sie ihn zuerst auf verständige Art mit der Bibel bekannt ge¬ macht habe. Für den Natursinn des Knaben und für dessen Gefallen an der Geschichte bot die Vaterstadt mannichfache Anregung. Von dem Felsen, auf welchem die quedlinburger Abtei steht, prachtvolle Aussicht auf den Harz mit dem stolzen Brocken, unter dem Felsen ein schönes dunkles Gehölz, wo sich jetzt das Denkmal des Dichters befindet. In der Krypte der Stiftskirche sahen die Kinder das Grabmal Heinrich des Vogelstellers, in der Sakristei der Oberkirche neben einem Weinkrug von der Hochzeit zu Kana den Bartkamm des unten ruhenden Königs und den Stab seiner Enkelin, der Aebtissin Mathilde. Etwa in seinem neunten Jahre kam der Dichterknabe noch mehr in Be¬ rührung mit der freien Natur, indem sein Vater das im Mannsfeldischen in anmuthiger Gegend an der Saale gelegene Gut Friedeburg in Pacht nahm. Der Knabe our.de hier mit einigen jungen Edelleuten aus der Nachbarschaft in den Anfangsgründen der Sprachen unterrichtet; aber die meiste Zeit blieb ihm für Bewegung und Leibesübung, zum Theil für waghalsige Spiele, frei. „Man hing sich Stieren an den Schweif, die, mit einem Stecken gereizt, den kecken Jungen im Kreise herumschleuderten, daß ihm Hören und Sehen verging; man badete im Flusse trotz des Verbotes der ängstlichen Mutter, und der Vater er¬ mahnte, nur nicht zu ertrinken, man sprang früh vor Tage mit den beiden Hunden Schäfer und Satan über die Hofmauer, um in den Wäldern des Nach¬ bars Baron mit dessen Söhnen Hasen zu jagen." An Kenntnissen nahm der junge Klopstock unter solchen Verhältnissen wenig zu, desto mehr aber an Muth, Entschlossenheit und Körperkraft. Sein ganzes Leben hindurch blieb dem Dichter diese Vorliebe für Leibesbewegung in freier Luft, die aus seinen Dichtungen, besonders den Oden, wie ein frischer kräf¬ tigender Hauch hervorweht. Wie in ihm selbst so scheint sich auch in Klopstocks Geschwistern ein eigen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/246
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/246>, abgerufen am 28.07.2024.