Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.Papierreisende", endlich die Schilderung eines nächtlichen Besuchs bei der weg¬ Von ganz besondrem Interesse endlich ist der nicht von Strauß selbst, Das werthvollste Stück der Sammlung aber bleibt jene Jugendgeschichte Klopstocks Vater, Gottlieb Heinrich, war ein Rechtsgelehrter, der in Grenzboten II. 1866. 29
Papierreisende", endlich die Schilderung eines nächtlichen Besuchs bei der weg¬ Von ganz besondrem Interesse endlich ist der nicht von Strauß selbst, Das werthvollste Stück der Sammlung aber bleibt jene Jugendgeschichte Klopstocks Vater, Gottlieb Heinrich, war ein Rechtsgelehrter, der in Grenzboten II. 1866. 29
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Papierreisende", endlich die Schilderung eines nächtlichen Besuchs bei der weg¬
gesperrten Venusstatue der Münchner Glyptothek. Alles ist, wie bei Strauß
vorauszusetzen, vortrefflich geschrieben und mit feinem Verstände durchgeführt,
vieles gedankenreich, anderes mit anmuthigem Humor vorgetragen, das Politische
fast durchweg von bester Gesinnung. Eine kleine Nuance anders, und wir
würden das „fast" weglassen können.
Von ganz besondrem Interesse endlich ist der nicht von Strauß selbst,
sondern von einer verstorbenen protestantischen Dame seiner Bekanntschaft her¬
rührende Aufsatz, welcher eine Begegnung mit Möhler, dem später durch seine
„Symbolik" weithin bekannt gewordenen katholischen Theologen, zum Gegen¬
stande hat und damit ein in hohem Grade spannendes psychologisches Räthsel
ausgiebt.
Das werthvollste Stück der Sammlung aber bleibt jene Jugendgeschichte
Klopstocks, die mit den ihr beigefügten Bemerkungen über das Metrische im
Messias und den Oden die größere Hälfte des Bandes einnimmt, und aus der
wir nachstehend einige Mittheilungen über die Kinder- und Schuljahre des
Dichters folgen lassen.
Klopstocks Vater, Gottlieb Heinrich, war ein Rechtsgelehrter, der in
Quedlinburg, wo die Klopstocke schon seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts
ansässig waren, unter dem Titel eines Commissionsraths als Advocat prakticirte.
Er war ein Mann der eigenthümlichsten Art, ein Löwenherz, wie Cramer. der
Panegyriker seines Sohnes sagt, eine schöne Seele, wie ihm seine Schwiegertochter
ins Grab nachruft, und daneben wieder ein Charakter, der das Leben als
Prüfungsstand, die Welt als eine schnöde anzusehen gewohnt war. Tapfer und
siegreich bestand er einst ein Abenteuer in einer böhmischen Näuberherberge.
Als später in seiner Gegenwart über religiöse Gegenstände gespottet wurde, rief
er an den Degen schlagend: „Wer etwas wider den lieben Gott spricht, das
nehme ich als Touche gegen mich, der muß sich mit mir schlagen." „Die irdische
Glückseligkeit," schreibt er, „ist ein Widerspruch; sie gehört mit Nichten in das
rauhe Klima dieses Lebens." Wenn er an seinen Kindern Züge von Weich¬
herzigkeit bemerkte, so gestand er, daß ihm bange werde, sie würden sich in
diese Welt voll Lug und Trug nicht schicken. Ja er streifte in manchen seiner
Vorstellungen nahe an Schwärmerei. Er hielt sich nicht allein im Allgemeinen
versichert, daß „viele Dinge wirklich seien, welche weder ausgerechnet, abgewogen
noch gemessen werden können", verehrte nicht blos „reservats, ins^ZtÄtis
Luxrewas, den Vorhang der Natur, in der Ueberzeugung, daß das Erkennen,
Wissen und Begreifen einem bessern Stande aufbehalten sei," sondern glaubte
auch „daß der Professor Meyer von einem Geiste eine Ohrklatsche bekommen
habe" und hatte bisweilen des Nachts selbst Anfechtungen vom leibhaftigen
Teufel.
Grenzboten II. 1866. 29
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