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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Feste über Feld, nur der Hausherr wollte der Kinder wegen das Haus nicht
verlassen; da hieß ihn Gneisenau an dem Feste theilnehmen: "Er wolle den
Tag schon zu Hause bleiben und nach den Kindern sehen."

Am 10. März wieder in Jauer eingetroffen, schrieb Gneisenau am
12. Juli 1806: "Ich bemühe mich über meine Privatangelegenheiten die öffent¬
lichen zu vergessen und übergebe mich mit Eifer der Landwirthschaft. Diese
Beschäftigung hat so viel Anziehendes für mich, daß ich in Versuchung kommen
könnte, meinen friedlichen Soldatenrock auszuziehen und hinter dem Pfluge her¬
zugehen, wenn meine Mittel meinen Neigungen angemessen wären." Der Krieg
aber sollte alle stillen Neigungen verstummen machen und ihn recht in den Vor¬
dergrund des Kampfes stellen.

Am 7. October stand Gneisenau mit seiner Compagnie unter Befehl deS
Prinzen Louis Ferdinand bei Saalfeld. Am 10. October ward der Prinz mit
großer Uebermacht angegriffen und geschlagen, der Prinz fiel; Gneisenau hatte
zum ersten Mal Gelegenheit sich auszuzeichnen. Seiner Anleitung folgend,
lösten sich seine Leute gleich den Franzosen in eine Schützenlinie auf und
leisteten so viel Widerstand, als die Minderzahl irgend zuließ, während die Preu¬
ßen im Uebrigen damals nur in Linie fochten und infolge dessen von An¬
fang an im Nachtheil waren, Gneisenau wurde in diesem Gefecht am Bein
verwundet, setzte sich zu Pferde und folgte dem Fürsten Hohenlohe, dem Corps¬
commandeur, mit seinen Leuten dessen Hauptquartier deckend. Er kam so in
die Nähe des Fürsten, blieb bei ihm in der Schlacht bei Jena, kam dort
überall thätig in Berührung mit den Generalen, folgte dem Fürsten, als die
Armee gesprengt war. auf dessen Rückzug. ward aber von ihm von Magdeburg
aus als eine Art Quartiermacher bis Stettin vorausgeschickt und entging da¬
durch der schmählichen Capitulation bei Prenzlau, in welcher der Fürst sich
mit seinen gesammten Truppen den Franzosen ergab. Als es auch in Stettin
unsicher wurde, eilte Gneisenau nach Graudenz. welches vom Könige als Sam¬
melpunkt für die Armee bezeichnet war.

In Königsberg durch General von Rüchel. der ihn in der Schlacht von
Jena gesehen, festgehalten und dem König empfohlen, ward er am 17. De¬
cember 1806 Major und zur Bildung leichter Truppen, später zur Formation
von vier Reservebataillonen an die russische Grenze commandirt. In die kurze
Zeit seines Aufenthaltes fällt aber ein Ereigniß oder ein Zufall, der für ihn
von der höchsten Bedeutung ward. Er wurde der Fürstin Radziwill, gebornen
Prinzessin von Preußen vorgestellt, um als erster Augenzeuge Bericht über den
Tod ihres Bruders, des Prinzen Louis Ferdinand abzustatten. Er gefiel, wurde
eingeladen und bald täglicher Gast des Hauses, in dem sich damals die edelsten
Elemente des Landes, alle wahrhaft freisinnigen Männer und Frauen sammel¬
ten. Hier lernte er Stein, Hardenberg. Niebuhr, Humboldt u. s. w. kennen


Feste über Feld, nur der Hausherr wollte der Kinder wegen das Haus nicht
verlassen; da hieß ihn Gneisenau an dem Feste theilnehmen: „Er wolle den
Tag schon zu Hause bleiben und nach den Kindern sehen."

Am 10. März wieder in Jauer eingetroffen, schrieb Gneisenau am
12. Juli 1806: „Ich bemühe mich über meine Privatangelegenheiten die öffent¬
lichen zu vergessen und übergebe mich mit Eifer der Landwirthschaft. Diese
Beschäftigung hat so viel Anziehendes für mich, daß ich in Versuchung kommen
könnte, meinen friedlichen Soldatenrock auszuziehen und hinter dem Pfluge her¬
zugehen, wenn meine Mittel meinen Neigungen angemessen wären." Der Krieg
aber sollte alle stillen Neigungen verstummen machen und ihn recht in den Vor¬
dergrund des Kampfes stellen.

Am 7. October stand Gneisenau mit seiner Compagnie unter Befehl deS
Prinzen Louis Ferdinand bei Saalfeld. Am 10. October ward der Prinz mit
großer Uebermacht angegriffen und geschlagen, der Prinz fiel; Gneisenau hatte
zum ersten Mal Gelegenheit sich auszuzeichnen. Seiner Anleitung folgend,
lösten sich seine Leute gleich den Franzosen in eine Schützenlinie auf und
leisteten so viel Widerstand, als die Minderzahl irgend zuließ, während die Preu¬
ßen im Uebrigen damals nur in Linie fochten und infolge dessen von An¬
fang an im Nachtheil waren, Gneisenau wurde in diesem Gefecht am Bein
verwundet, setzte sich zu Pferde und folgte dem Fürsten Hohenlohe, dem Corps¬
commandeur, mit seinen Leuten dessen Hauptquartier deckend. Er kam so in
die Nähe des Fürsten, blieb bei ihm in der Schlacht bei Jena, kam dort
überall thätig in Berührung mit den Generalen, folgte dem Fürsten, als die
Armee gesprengt war. auf dessen Rückzug. ward aber von ihm von Magdeburg
aus als eine Art Quartiermacher bis Stettin vorausgeschickt und entging da¬
durch der schmählichen Capitulation bei Prenzlau, in welcher der Fürst sich
mit seinen gesammten Truppen den Franzosen ergab. Als es auch in Stettin
unsicher wurde, eilte Gneisenau nach Graudenz. welches vom Könige als Sam¬
melpunkt für die Armee bezeichnet war.

In Königsberg durch General von Rüchel. der ihn in der Schlacht von
Jena gesehen, festgehalten und dem König empfohlen, ward er am 17. De¬
cember 1806 Major und zur Bildung leichter Truppen, später zur Formation
von vier Reservebataillonen an die russische Grenze commandirt. In die kurze
Zeit seines Aufenthaltes fällt aber ein Ereigniß oder ein Zufall, der für ihn
von der höchsten Bedeutung ward. Er wurde der Fürstin Radziwill, gebornen
Prinzessin von Preußen vorgestellt, um als erster Augenzeuge Bericht über den
Tod ihres Bruders, des Prinzen Louis Ferdinand abzustatten. Er gefiel, wurde
eingeladen und bald täglicher Gast des Hauses, in dem sich damals die edelsten
Elemente des Landes, alle wahrhaft freisinnigen Männer und Frauen sammel¬
ten. Hier lernte er Stein, Hardenberg. Niebuhr, Humboldt u. s. w. kennen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/160>, abgerufen am 28.07.2024.