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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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in Amerika, und diese Zeit gab dem Jüngling nicht nur die Gelegenheit die
nächsten Resultate der dortigen Kriegführung, die zerstreute Fechtart und das
Volksheer, ihre Bedeutung und Kraft kennen zu lernen und damit eine Er.
fahrung für das ganze Leben zu gewinnen, sondern auch eine Sammlung
neuer Bilder, die auf sein poetisches Gemüth anregend wirkten.

Ende 1783 kehrte er mit seinem Regiment nach Anspach zurück und wurde
bald darauf zur Infanterie nach Bayreuth versetzt. In angenehmen, freund¬
schaftlichem Verkehr, mit ernsten Studien beschäftigt, Gedichte machend und
Musik treibend vertrieb er die Zeit, aber das alles gewährte ihm keine Be¬
friedigung. Er entschloß sich in die preußische Armee einzutreten, wurde 1786
bei der Neuformation leichter Truppen noch vom großen Könige angenommen
und in einem neuformirten Freiregiment in Schlesien als Premierlieutenant
angestellt. Hier begann für ihn ein langes, einförmiges Garnisonleben, zu¬
meist in Löwenberg, das ihn aber doch bei dem schärferen Zug in der größern
Armee mehr befriedigte als seine frühern Verhältnisse. Mannigfaltige Studien
beschäftigten seinen Geist, vor allen militärische, die ihn befähigten, nicht nur
den jüngern Kameraden Vorlesungen zu halten, sondern auch mit prüfendem
Blick der beginnenden französischen Revolution zu folgen, wie aufbewahrte Auf¬
sätze beweisen. Nur war er in seinem Privatleben dadurch beengt, daß er zur
Abtragung alter Schulden genöthigt mar, sehr eingeschränkt zu leben. Die
Finanzen bildeten zu allen Zeiten, selbst als er auf dem Gipfel seiner Laufbahn
angelangt war, Gneiscnaus schwache Seite. 1790 wurde er Stabscapitän; im
Jahre 1793 rückte sein Bataillon nach Polen, um den dortigen neuen Besitz
zu sichern. Der kriegerische Act blieb aber ohne Kampf, er war nur mit
schlechten Quartieren und vielen Angelegenheiten verbunden, gab ihm aber Ge¬
legenheit, sein Urtheil an den dortigen Fragen zu schärfen. Die am 17. Nov.
1795 erfolgte Ernennung zum wirklichen Hauptmann im Füsilicrbataillon
Rabenau erlöste ihn aus den polnischen Umgebungen, führte ihn nach Jauer
und versetzte ihn in eine bessere pccuniäre Lage, die ihm gestattete, an die
Gründung eines eigenen Hausstandes zu denken. Am 19. October ver¬
heiratete er sich mit Karoline v. Kottwitz. Die Ehe war eine glückliche und
mit drei Söhnen und vier Töchtern gesegnet. Die Frau war weniger geeignet
den hochfliegenden Gedanken Gneisenaus zu folgen, als durch häusliche Tugen¬
den dem Gemüthe ihres Gatten zu genügen. Noch manches Band hat Gneisenau
in seinem spätern Leben mit geistig bedeutenden Frauen angeknüpft, sein Ge¬
müth aber ruhte immer sicher auf dem geschlossenen Bunde.

Sein stilles Glück und seine unausgesetzte ruhige Thätigkeit im Dienst und
in den Studien wurde nur durch einzelne militärische Bewegungen unterbrochen.
Da er selbst nicht am Kriege theilnehmen konnte, bereitete er sich und seine
Truppen zum Kriege vor, huldigte aber auch der Verskunst. Ein Product seiner


in Amerika, und diese Zeit gab dem Jüngling nicht nur die Gelegenheit die
nächsten Resultate der dortigen Kriegführung, die zerstreute Fechtart und das
Volksheer, ihre Bedeutung und Kraft kennen zu lernen und damit eine Er.
fahrung für das ganze Leben zu gewinnen, sondern auch eine Sammlung
neuer Bilder, die auf sein poetisches Gemüth anregend wirkten.

Ende 1783 kehrte er mit seinem Regiment nach Anspach zurück und wurde
bald darauf zur Infanterie nach Bayreuth versetzt. In angenehmen, freund¬
schaftlichem Verkehr, mit ernsten Studien beschäftigt, Gedichte machend und
Musik treibend vertrieb er die Zeit, aber das alles gewährte ihm keine Be¬
friedigung. Er entschloß sich in die preußische Armee einzutreten, wurde 1786
bei der Neuformation leichter Truppen noch vom großen Könige angenommen
und in einem neuformirten Freiregiment in Schlesien als Premierlieutenant
angestellt. Hier begann für ihn ein langes, einförmiges Garnisonleben, zu¬
meist in Löwenberg, das ihn aber doch bei dem schärferen Zug in der größern
Armee mehr befriedigte als seine frühern Verhältnisse. Mannigfaltige Studien
beschäftigten seinen Geist, vor allen militärische, die ihn befähigten, nicht nur
den jüngern Kameraden Vorlesungen zu halten, sondern auch mit prüfendem
Blick der beginnenden französischen Revolution zu folgen, wie aufbewahrte Auf¬
sätze beweisen. Nur war er in seinem Privatleben dadurch beengt, daß er zur
Abtragung alter Schulden genöthigt mar, sehr eingeschränkt zu leben. Die
Finanzen bildeten zu allen Zeiten, selbst als er auf dem Gipfel seiner Laufbahn
angelangt war, Gneiscnaus schwache Seite. 1790 wurde er Stabscapitän; im
Jahre 1793 rückte sein Bataillon nach Polen, um den dortigen neuen Besitz
zu sichern. Der kriegerische Act blieb aber ohne Kampf, er war nur mit
schlechten Quartieren und vielen Angelegenheiten verbunden, gab ihm aber Ge¬
legenheit, sein Urtheil an den dortigen Fragen zu schärfen. Die am 17. Nov.
1795 erfolgte Ernennung zum wirklichen Hauptmann im Füsilicrbataillon
Rabenau erlöste ihn aus den polnischen Umgebungen, führte ihn nach Jauer
und versetzte ihn in eine bessere pccuniäre Lage, die ihm gestattete, an die
Gründung eines eigenen Hausstandes zu denken. Am 19. October ver¬
heiratete er sich mit Karoline v. Kottwitz. Die Ehe war eine glückliche und
mit drei Söhnen und vier Töchtern gesegnet. Die Frau war weniger geeignet
den hochfliegenden Gedanken Gneisenaus zu folgen, als durch häusliche Tugen¬
den dem Gemüthe ihres Gatten zu genügen. Noch manches Band hat Gneisenau
in seinem spätern Leben mit geistig bedeutenden Frauen angeknüpft, sein Ge¬
müth aber ruhte immer sicher auf dem geschlossenen Bunde.

Sein stilles Glück und seine unausgesetzte ruhige Thätigkeit im Dienst und
in den Studien wurde nur durch einzelne militärische Bewegungen unterbrochen.
Da er selbst nicht am Kriege theilnehmen konnte, bereitete er sich und seine
Truppen zum Kriege vor, huldigte aber auch der Verskunst. Ein Product seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/158>, abgerufen am 01.09.2024.