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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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der 6. Mai "der einer der kurz vorhergegangenen Tage derjenige, an dem sie
sich wirklich zutrug.

Merkwürdig aber ist die Uebereinstimmung des ganzen Bildes und seiner
einzelnen Züge mit dem Geiste der Zeit, überhaupt mit den Sitten des Mittel¬
alters. Die sränkisch-normannisch ritterUche Art, wie sie in Frankreich unter
den Vnlois und in England unter Eduard dem Dritten hervortrat, ist in den
einzelnen Zügen treu beurkundet.

Die Sitte feierlicher Gelübde vor großen, besonders kriegerischen Unterneh¬
mungen begann besonders zur Zeit der Kreuzzüge. Die Gelübde wurden oft
urkundlich niedergelegt und bestanden in der Verheißung tapfrer Thaten und
in der Weihe der Beute sür bestimmte Zwecke. Man nahm äußerlich bindende
Zeichen an, z. B. Ketten oder Bänder um den Arm, die vor der Erfüllung
nicht abgelegt werden dursten, und war das Gelübde Damen gegenüber ver¬
heißen, so befestigten diese das Zeichen um den Arm, wobei wohl ein Kuß,
rrwiM oui, iuoit.i6 vou, wie Saintrö berichtet, für den Ritter abfiel. Die Ent¬
fesselung war dann nach der Rückkehr ein Gegenstand besondrer Feierlichkeit.
Zahlreiche Fälle solcher rein kriegerischer Gelübde, abgesehen von den frommen
für religiöse Zwecke, werden uns in den sonderbarsten Formen berichtet. So
allein von Bertrand Duguesclin (Nenarä Hiswire Ah L. v. x. 39. 55, 410.
465); er gelobte, bevor er die oder die That verrichtet, kein Fleisch essen, oder
sich nicht entkleiden, oder in keinem Bette schlafen zu wollen, und zahlreiche
ähnliche Dinge. Reich ist besonders LolomMrö, IrMtro ä'Kvnueur an sol¬
chen Erzählungen. Am meisten hergebracht und im höchsten Ansehn war nun
die sonderbare Form der Ablegung deö Gelübdes vor oder über einem Pfau,
oft auch einem Fasan. Man hielt sie sür diejenigen Gegenstände, welche durch
schöne Gestalt und Reichthum an Farben und Ausstattung am besten als Sinn¬
bilder der königlichen Majestät und ihres Schmuckes dienen könnten. Außer¬
dem war es Sitte, daß die Damen sich der schonen Federn dieser Vögel be¬
dienten, um die Ritter oder Troubadours damit zu schmücken. So wird von
mehrern Seiten glaubhaft berichtet. lMnöstrier, liaitv ach tourvois x. 40.
DuoKösire Kistoirs Ac la, irurisvn as Norrtmorkue^ I. x. 29. 34). Man glaubte
also durch jene Vögel die Würde des Königs, den Glanz seines Hofes und
die Damen bei dem feierlichen Acte repräsentirt. Auch mochte wohl das alt-
christliche Symbol, welches in ihm das Sinnbild der Allwissenheit darstellte, zu
seiner Wahl mit beitragen. So ward denn ein gebratener Pfau oder Fasan
aus silberner Schüssel mit dem ganzen Schmucke seiner Federn in feierlichem
Zuge in die Versammlung getragen , jedem präsentirt, um über ihm sein Ge¬
lübde abzulegen, und sodann zerlegt und gespeist. Erzählungen solcher Feier-
lichkeiten finden sich mehrfach und nach La Curne de Sainte-Palaye befindet
sich ein ähnliches Gedicht, wie das unsre, aber "Voeu an?aou" genannt, im
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der 6. Mai »der einer der kurz vorhergegangenen Tage derjenige, an dem sie
sich wirklich zutrug.

Merkwürdig aber ist die Uebereinstimmung des ganzen Bildes und seiner
einzelnen Züge mit dem Geiste der Zeit, überhaupt mit den Sitten des Mittel¬
alters. Die sränkisch-normannisch ritterUche Art, wie sie in Frankreich unter
den Vnlois und in England unter Eduard dem Dritten hervortrat, ist in den
einzelnen Zügen treu beurkundet.

Die Sitte feierlicher Gelübde vor großen, besonders kriegerischen Unterneh¬
mungen begann besonders zur Zeit der Kreuzzüge. Die Gelübde wurden oft
urkundlich niedergelegt und bestanden in der Verheißung tapfrer Thaten und
in der Weihe der Beute sür bestimmte Zwecke. Man nahm äußerlich bindende
Zeichen an, z. B. Ketten oder Bänder um den Arm, die vor der Erfüllung
nicht abgelegt werden dursten, und war das Gelübde Damen gegenüber ver¬
heißen, so befestigten diese das Zeichen um den Arm, wobei wohl ein Kuß,
rrwiM oui, iuoit.i6 vou, wie Saintrö berichtet, für den Ritter abfiel. Die Ent¬
fesselung war dann nach der Rückkehr ein Gegenstand besondrer Feierlichkeit.
Zahlreiche Fälle solcher rein kriegerischer Gelübde, abgesehen von den frommen
für religiöse Zwecke, werden uns in den sonderbarsten Formen berichtet. So
allein von Bertrand Duguesclin (Nenarä Hiswire Ah L. v. x. 39. 55, 410.
465); er gelobte, bevor er die oder die That verrichtet, kein Fleisch essen, oder
sich nicht entkleiden, oder in keinem Bette schlafen zu wollen, und zahlreiche
ähnliche Dinge. Reich ist besonders LolomMrö, IrMtro ä'Kvnueur an sol¬
chen Erzählungen. Am meisten hergebracht und im höchsten Ansehn war nun
die sonderbare Form der Ablegung deö Gelübdes vor oder über einem Pfau,
oft auch einem Fasan. Man hielt sie sür diejenigen Gegenstände, welche durch
schöne Gestalt und Reichthum an Farben und Ausstattung am besten als Sinn¬
bilder der königlichen Majestät und ihres Schmuckes dienen könnten. Außer¬
dem war es Sitte, daß die Damen sich der schonen Federn dieser Vögel be¬
dienten, um die Ritter oder Troubadours damit zu schmücken. So wird von
mehrern Seiten glaubhaft berichtet. lMnöstrier, liaitv ach tourvois x. 40.
DuoKösire Kistoirs Ac la, irurisvn as Norrtmorkue^ I. x. 29. 34). Man glaubte
also durch jene Vögel die Würde des Königs, den Glanz seines Hofes und
die Damen bei dem feierlichen Acte repräsentirt. Auch mochte wohl das alt-
christliche Symbol, welches in ihm das Sinnbild der Allwissenheit darstellte, zu
seiner Wahl mit beitragen. So ward denn ein gebratener Pfau oder Fasan
aus silberner Schüssel mit dem ganzen Schmucke seiner Federn in feierlichem
Zuge in die Versammlung getragen , jedem präsentirt, um über ihm sein Ge¬
lübde abzulegen, und sodann zerlegt und gespeist. Erzählungen solcher Feier-
lichkeiten finden sich mehrfach und nach La Curne de Sainte-Palaye befindet
sich ein ähnliches Gedicht, wie das unsre, aber „Voeu an?aou" genannt, im
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[0075] der 6. Mai »der einer der kurz vorhergegangenen Tage derjenige, an dem sie sich wirklich zutrug. Merkwürdig aber ist die Uebereinstimmung des ganzen Bildes und seiner einzelnen Züge mit dem Geiste der Zeit, überhaupt mit den Sitten des Mittel¬ alters. Die sränkisch-normannisch ritterUche Art, wie sie in Frankreich unter den Vnlois und in England unter Eduard dem Dritten hervortrat, ist in den einzelnen Zügen treu beurkundet. Die Sitte feierlicher Gelübde vor großen, besonders kriegerischen Unterneh¬ mungen begann besonders zur Zeit der Kreuzzüge. Die Gelübde wurden oft urkundlich niedergelegt und bestanden in der Verheißung tapfrer Thaten und in der Weihe der Beute sür bestimmte Zwecke. Man nahm äußerlich bindende Zeichen an, z. B. Ketten oder Bänder um den Arm, die vor der Erfüllung nicht abgelegt werden dursten, und war das Gelübde Damen gegenüber ver¬ heißen, so befestigten diese das Zeichen um den Arm, wobei wohl ein Kuß, rrwiM oui, iuoit.i6 vou, wie Saintrö berichtet, für den Ritter abfiel. Die Ent¬ fesselung war dann nach der Rückkehr ein Gegenstand besondrer Feierlichkeit. Zahlreiche Fälle solcher rein kriegerischer Gelübde, abgesehen von den frommen für religiöse Zwecke, werden uns in den sonderbarsten Formen berichtet. So allein von Bertrand Duguesclin (Nenarä Hiswire Ah L. v. x. 39. 55, 410. 465); er gelobte, bevor er die oder die That verrichtet, kein Fleisch essen, oder sich nicht entkleiden, oder in keinem Bette schlafen zu wollen, und zahlreiche ähnliche Dinge. Reich ist besonders LolomMrö, IrMtro ä'Kvnueur an sol¬ chen Erzählungen. Am meisten hergebracht und im höchsten Ansehn war nun die sonderbare Form der Ablegung deö Gelübdes vor oder über einem Pfau, oft auch einem Fasan. Man hielt sie sür diejenigen Gegenstände, welche durch schöne Gestalt und Reichthum an Farben und Ausstattung am besten als Sinn¬ bilder der königlichen Majestät und ihres Schmuckes dienen könnten. Außer¬ dem war es Sitte, daß die Damen sich der schonen Federn dieser Vögel be¬ dienten, um die Ritter oder Troubadours damit zu schmücken. So wird von mehrern Seiten glaubhaft berichtet. lMnöstrier, liaitv ach tourvois x. 40. DuoKösire Kistoirs Ac la, irurisvn as Norrtmorkue^ I. x. 29. 34). Man glaubte also durch jene Vögel die Würde des Königs, den Glanz seines Hofes und die Damen bei dem feierlichen Acte repräsentirt. Auch mochte wohl das alt- christliche Symbol, welches in ihm das Sinnbild der Allwissenheit darstellte, zu seiner Wahl mit beitragen. So ward denn ein gebratener Pfau oder Fasan aus silberner Schüssel mit dem ganzen Schmucke seiner Federn in feierlichem Zuge in die Versammlung getragen , jedem präsentirt, um über ihm sein Ge¬ lübde abzulegen, und sodann zerlegt und gespeist. Erzählungen solcher Feier- lichkeiten finden sich mehrfach und nach La Curne de Sainte-Palaye befindet sich ein ähnliches Gedicht, wie das unsre, aber „Voeu an?aou" genannt, im ' 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/75>, abgerufen am 29.06.2024.