Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.fach zur todten Manier, zur leeren Schablone, zur hohlen Schale geworden. Wenn eine Schule in Gefahr steht, in fester äußerlicher traditioneller Ma¬ Schindler, Schüler Schievelbeins, ein glückliches naives Talent, das zu fach zur todten Manier, zur leeren Schablone, zur hohlen Schale geworden. Wenn eine Schule in Gefahr steht, in fester äußerlicher traditioneller Ma¬ Schindler, Schüler Schievelbeins, ein glückliches naives Talent, das zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285014"/> <p xml:id="ID_1782" prev="#ID_1781"> fach zur todten Manier, zur leeren Schablone, zur hohlen Schale geworden.<lb/> Man baut seine Figur auf, legt seine Falten drüber, sei es der Uniform oder<lb/> des antikisirenden Gewandes, wie man es hundertmal gesehen und in der Werk¬<lb/> statt geübt, man arrangirt sein Postament entweder so (oder ein wenig anders<lb/> hier, und da), wie es das Friedrichdenkmal vorgemacht zeigt, oder recht nüchtern<lb/> und dürftig, wie es der hilfbereite befreundete Architekt uns aufzeichnete —<lb/> und das Monument ist fertig. Für das geringe Nackte aber, das man zu ge¬<lb/> stalten selten genug genöthigt ist, reicht jene allgemeine gestempelte Natur, wie<lb/> sie der Abguß der Antike uns in die Hand giebt. Das trifft natürlich nicht<lb/> für manche jener ältern Meister zu, welche grade aus der immer neuen treu¬<lb/> lichen Naturbeobachtung und aus der Kraft der eignen reichen Phantasie ihrem<lb/> Schaffen immer wieder frisches und eigenartiges Leben zuführten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1783"> Wenn eine Schule in Gefahr steht, in fester äußerlicher traditioneller Ma¬<lb/> nier zu erstarren, so pflegt sich wohl in jüngern Talenten dann eine energische<lb/> Reaction der Ursprünglichkeit und Besonderheit zu regen und zu entwickeln,<lb/> welche der Kunst jener wieder neue Wege bricht und bahnt. Sehen wir nun,<lb/> ob und in wie weit etwas Aehnliches auch innerhalb der heutigen berliner<lb/> Bildhauerschule kundbar wird; in der berliner Architektenschule liegt es bereits<lb/> offen vor Aller Augen zu Tage.</p><lb/> <p xml:id="ID_1784" next="#ID_1785"> Schindler, Schüler Schievelbeins, ein glückliches naives Talent, das zu<lb/> schönen Hoffnungen berechtigte. Autor der ganz meisterlichen Gruppe eines<lb/> Knaben, der, zu Boden geworfen, eine Mutter-Gans von sich abwehrt, der er<lb/> ihr Junges nehmen wollte, starb leider eben von seiner italienischen Reise zu¬<lb/> rückgekehrt 1860. Gnu, Büchting, v. Medem, Rosenthal, von diesen<lb/> unmittelbaren Zöglingen der rauchschen Werkstatt hat der dritte besonders durch<lb/> sein außerordentliches Talent der Thierbildnerei, das er in den geistreichsten<lb/> Arbeiten kleinen und kolossalen Maßstabs gleich glänzend bekundete, vielen<lb/> Erfolg errungen, scheint aber seit längerer Zeit schon plötzlich „von der Bühne<lb/> verschwunden", v. Jtzenplitz (Schüler Wichmanns), Gerschow, Willgohs,<lb/> Walger, Göritz (letztere Schüler Albert Wolffs) haben sich in geschickten<lb/> Marmorausführungen, in decorativer Arbeiten, einzelnen Gestalten und Gruppen<lb/> idealen Charakters, Büsten, Statuetten, der letztgenannte besonders auch in der<lb/> ornamentalen Bildnerei verschiedenster Stilgattungen vielfach erprobt. Fräulein<lb/> Elisabeth Ney, um die Mitte des letzten Jahrzehnts in Rauchs Werkstatt,<lb/> dann unter Hagens Anleitung arbeitend, hat nicht nur durch den Umstand, daß<lb/> sie (noch vor Auerbachs Gräfin Irma?) dieser, schönen jungen Damen ferner<lb/> liegenden, Kunst sich mit voller Hingebung widmete, sondern ganz abgesehen<lb/> hiervon durch das eminente Talent, das sie bald genug in ihren Büsten kund¬<lb/> gab, damals schon viele Aufmerksamkeit auf ihre eigenthümliche Künstlererschei¬<lb/> nung gelenkt. Ein heiliger Sebastian, ein in Münster ausgeführtes großes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0544]
fach zur todten Manier, zur leeren Schablone, zur hohlen Schale geworden.
Man baut seine Figur auf, legt seine Falten drüber, sei es der Uniform oder
des antikisirenden Gewandes, wie man es hundertmal gesehen und in der Werk¬
statt geübt, man arrangirt sein Postament entweder so (oder ein wenig anders
hier, und da), wie es das Friedrichdenkmal vorgemacht zeigt, oder recht nüchtern
und dürftig, wie es der hilfbereite befreundete Architekt uns aufzeichnete —
und das Monument ist fertig. Für das geringe Nackte aber, das man zu ge¬
stalten selten genug genöthigt ist, reicht jene allgemeine gestempelte Natur, wie
sie der Abguß der Antike uns in die Hand giebt. Das trifft natürlich nicht
für manche jener ältern Meister zu, welche grade aus der immer neuen treu¬
lichen Naturbeobachtung und aus der Kraft der eignen reichen Phantasie ihrem
Schaffen immer wieder frisches und eigenartiges Leben zuführten.
Wenn eine Schule in Gefahr steht, in fester äußerlicher traditioneller Ma¬
nier zu erstarren, so pflegt sich wohl in jüngern Talenten dann eine energische
Reaction der Ursprünglichkeit und Besonderheit zu regen und zu entwickeln,
welche der Kunst jener wieder neue Wege bricht und bahnt. Sehen wir nun,
ob und in wie weit etwas Aehnliches auch innerhalb der heutigen berliner
Bildhauerschule kundbar wird; in der berliner Architektenschule liegt es bereits
offen vor Aller Augen zu Tage.
Schindler, Schüler Schievelbeins, ein glückliches naives Talent, das zu
schönen Hoffnungen berechtigte. Autor der ganz meisterlichen Gruppe eines
Knaben, der, zu Boden geworfen, eine Mutter-Gans von sich abwehrt, der er
ihr Junges nehmen wollte, starb leider eben von seiner italienischen Reise zu¬
rückgekehrt 1860. Gnu, Büchting, v. Medem, Rosenthal, von diesen
unmittelbaren Zöglingen der rauchschen Werkstatt hat der dritte besonders durch
sein außerordentliches Talent der Thierbildnerei, das er in den geistreichsten
Arbeiten kleinen und kolossalen Maßstabs gleich glänzend bekundete, vielen
Erfolg errungen, scheint aber seit längerer Zeit schon plötzlich „von der Bühne
verschwunden", v. Jtzenplitz (Schüler Wichmanns), Gerschow, Willgohs,
Walger, Göritz (letztere Schüler Albert Wolffs) haben sich in geschickten
Marmorausführungen, in decorativer Arbeiten, einzelnen Gestalten und Gruppen
idealen Charakters, Büsten, Statuetten, der letztgenannte besonders auch in der
ornamentalen Bildnerei verschiedenster Stilgattungen vielfach erprobt. Fräulein
Elisabeth Ney, um die Mitte des letzten Jahrzehnts in Rauchs Werkstatt,
dann unter Hagens Anleitung arbeitend, hat nicht nur durch den Umstand, daß
sie (noch vor Auerbachs Gräfin Irma?) dieser, schönen jungen Damen ferner
liegenden, Kunst sich mit voller Hingebung widmete, sondern ganz abgesehen
hiervon durch das eminente Talent, das sie bald genug in ihren Büsten kund¬
gab, damals schon viele Aufmerksamkeit auf ihre eigenthümliche Künstlererschei¬
nung gelenkt. Ein heiliger Sebastian, ein in Münster ausgeführtes großes
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