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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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möglich, ohne eine solche den "Helden von Gaeta" mit seiner Gattin in clas¬
sischem Jdealcostüm en rslisk im Mittelpunkt eines großen silbernen Rundes
zu sehn, auf der einen Seite von anstürmenden feindlichen Dämonenschaaren
bedrängt, welche sein tapfres Schwert wieder zur Hölle zurückstürzt, deren Herr
sie anfeuert; auf der andern von allen himmlischen Heerschaaren beschirmt, die
zu seiner Unterstützung herbeieilen? Die edle Technik der getriebnen Arbeit in
Silber ist übrigens hier einmal wieder in einer sehr tüchtigen Weise zur An¬
wendung gekommen. Schließlich ist noch der äußerst zahlreichen ornamentalen
Reliefs zu gedenken, welche der Meister in neuster Zeit für die Zwickel an
Fenster- und Thürbögen, für Simse und Krönungen an der Außenseite des
neuen berliner Rathhauses modellirt hat. Sie sind so sinnreich erfunden, so
aus dem Vollen mit anscheinend spielender Freiheit geschaffen, so glücklich für
die oft höchst unbequemen Räume componirt, die sie ohne Zwang, ohne Mager¬
keit wie ohne Ueberhäufung aufs anmuthigste erfüllen, wie es kaum von andern
ähnlichen Decorationsarbeiten moderner Plastik zu rühmen ist.

Abgesondert von dem Gros der Schule ist noch Wilhelm Wolff, der
sogenannte " Thierwolff". anzusehn. der die Specialität der plastischen Kunst,
aus welcher ihm der charakteristische Beiname geworden ist, mit viel Talent
und Glück cultivirt hat. Im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts zu Fehr-
bellin geboren, hat er die Bildhauerei eigentlich nicht zunächst als Lebensberuf
gewählt. Am berliner Gewerbsinstitut erlernte er die Gießerei und wurde von
diesem nach Paris geschickt, um dort die neueren Verbesserungen dieser Technik
zu studiren, deren Entwicklung in der Heimath noch ziemlich zurückgeblieben
war. Hier scheint er zuerst zur Modellirung von Thieren und Thiergruppen
angeregt worden zu sein, die er mit immer wachsendem Erfolg übte, auch nach¬
dem er, nach Berlin zurückgekehrt, hier seine eigne Gießerei begründet hatte.
In der Darstellung von wildem und zahmen Gethier that er es bald genug
den besten Franzosen gleich, besonders da, wo er nicht über ein gewisses Größen¬
maß hinausging. Die Gruppe der säugenden Bulldogghündin, mancherlei
Hirsch- und Bärengruppen, einzelne Hundegestalten erwarben ihm schnell einen
populären Ruhm. Die realistische Auffassung in seinen Thieren ist so weit wie
möglich getrieben; es ist nicht blos der Schein äußerlicher Wahrheit und der
Reiz sein abgelauschter momentaner Bewegung, sondern ebenso der innerste
Organismus der Thiere, dem er sein volles künstlerisches Recht werden läßt.
Zu einem mehr monumentalen Stil in der Behandlung der Thierformen erhob
er sich in den in Marmor ausgeführten Medaillonreliefs von Adlern, welche
er für die überhohen Postamente der acht Schloßbrückengruppen zu modelliren
hatte. Mehrfach ist er auch mit glücklichem Erfolg über die Darstellung ein¬
facher, wirklich beobachteter Scenen des Thierlebens zur freien bald humoristischen,
bald ernst dramatischen, poetischen Erfindung aus diesem hinausgegangen. Die


möglich, ohne eine solche den „Helden von Gaeta" mit seiner Gattin in clas¬
sischem Jdealcostüm en rslisk im Mittelpunkt eines großen silbernen Rundes
zu sehn, auf der einen Seite von anstürmenden feindlichen Dämonenschaaren
bedrängt, welche sein tapfres Schwert wieder zur Hölle zurückstürzt, deren Herr
sie anfeuert; auf der andern von allen himmlischen Heerschaaren beschirmt, die
zu seiner Unterstützung herbeieilen? Die edle Technik der getriebnen Arbeit in
Silber ist übrigens hier einmal wieder in einer sehr tüchtigen Weise zur An¬
wendung gekommen. Schließlich ist noch der äußerst zahlreichen ornamentalen
Reliefs zu gedenken, welche der Meister in neuster Zeit für die Zwickel an
Fenster- und Thürbögen, für Simse und Krönungen an der Außenseite des
neuen berliner Rathhauses modellirt hat. Sie sind so sinnreich erfunden, so
aus dem Vollen mit anscheinend spielender Freiheit geschaffen, so glücklich für
die oft höchst unbequemen Räume componirt, die sie ohne Zwang, ohne Mager¬
keit wie ohne Ueberhäufung aufs anmuthigste erfüllen, wie es kaum von andern
ähnlichen Decorationsarbeiten moderner Plastik zu rühmen ist.

Abgesondert von dem Gros der Schule ist noch Wilhelm Wolff, der
sogenannte „ Thierwolff". anzusehn. der die Specialität der plastischen Kunst,
aus welcher ihm der charakteristische Beiname geworden ist, mit viel Talent
und Glück cultivirt hat. Im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts zu Fehr-
bellin geboren, hat er die Bildhauerei eigentlich nicht zunächst als Lebensberuf
gewählt. Am berliner Gewerbsinstitut erlernte er die Gießerei und wurde von
diesem nach Paris geschickt, um dort die neueren Verbesserungen dieser Technik
zu studiren, deren Entwicklung in der Heimath noch ziemlich zurückgeblieben
war. Hier scheint er zuerst zur Modellirung von Thieren und Thiergruppen
angeregt worden zu sein, die er mit immer wachsendem Erfolg übte, auch nach¬
dem er, nach Berlin zurückgekehrt, hier seine eigne Gießerei begründet hatte.
In der Darstellung von wildem und zahmen Gethier that er es bald genug
den besten Franzosen gleich, besonders da, wo er nicht über ein gewisses Größen¬
maß hinausging. Die Gruppe der säugenden Bulldogghündin, mancherlei
Hirsch- und Bärengruppen, einzelne Hundegestalten erwarben ihm schnell einen
populären Ruhm. Die realistische Auffassung in seinen Thieren ist so weit wie
möglich getrieben; es ist nicht blos der Schein äußerlicher Wahrheit und der
Reiz sein abgelauschter momentaner Bewegung, sondern ebenso der innerste
Organismus der Thiere, dem er sein volles künstlerisches Recht werden läßt.
Zu einem mehr monumentalen Stil in der Behandlung der Thierformen erhob
er sich in den in Marmor ausgeführten Medaillonreliefs von Adlern, welche
er für die überhohen Postamente der acht Schloßbrückengruppen zu modelliren
hatte. Mehrfach ist er auch mit glücklichem Erfolg über die Darstellung ein¬
facher, wirklich beobachteter Scenen des Thierlebens zur freien bald humoristischen,
bald ernst dramatischen, poetischen Erfindung aus diesem hinausgegangen. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/540>, abgerufen am 01.07.2024.