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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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zwischen den mittleren Linden des leipziger Platzes zu Berlin aufgestellt. Der
Volkswitz, welcher seine Spitze dagegen zu kehren liebte, hat mehr Nahrung
aus der durch dies Werk gefeierten, der populären Antipathie verfallenen Sache
und aus der Tactlosigkeit der Behörde, welche dasselbe mit verschlossenem
Gitter zu schützen für gut fand, ziehen können, als aus der tüchtigen Arbeit
selbst. Bei aller Kunst und resoluter Energie, womit, dem Beispiel der letzten
rauchschen Statuen moderner Menschen getreu, hier das militärische Costüm
plastisch behandelt worden ist, scheint diese Kunst doch an den vielleicht un¬
überwindlichen "wackeren Stiefeln" dieses "sichern Mannes" in Kürassierunisorm
gescheitert zu sein. -- Ein ganz vorzügliches Zeugniß, wie wohl Hagen in die
Tiefen einer großen geistigen Persönlichkeit sich zu versenken und diese in all
ihrer charakteristischen Ganzheit im plastischen Bilde ihres beseelten Kopfes zur
Anschauung zu bringen weiß, hat der Künstler uns in seiner berühmten Büste
Beethovens geliefert. Die über das Original noch während des Lebens ge¬
nommene GipsmaSke gab ihm für sein Werk wohl einen unschätzbaren Anhalt.
Wie er diesen aber benutzt, wie er diese todte Form mit des Dargestellten
eigensten Geisteshauch "ledig" zu machen, die endlichen Züge zur reinen Jn-
carnation des erhabenen und ewigen Genies auszuprägen verstanden hat. ist
darum nicht weniger anerkennenswert!). Wie unter vielen gelungenen Büsten
von seiner Hand diese als die trefflichste gelten kann, so müssen wir unter
den freien Kompositionen, die wir von ihm kennen, als die liebenswürdigsten
Schöpfungen jene Reliefs um das Postament der Statue Thaers in Berlin
bezeichnen. Es sind bildähnliche, ganz realistisch gehaltne Darstellungen aus
des großen Landwirths und Landbaulehrers bürgerlich-ländlichem Leben, an sich
nicht besonders geeignet zu künstlerischer, am wenigsten zu plastischer Behand¬
lung. Aber Hagen hat hier, wie Drake dort in naher Nachbarschaft in den
Reliefs des Beuthdenkmals, das Geheimniß gefunden, dergleichen mit einer so
naiven Wahrheit und herzlichen Frische zu geben, daß man sich unbefangen
und rein daran erfreuen mag und die schwierige Kunst kaum merkt, welche an¬
gewandt werden mußte, um dergleichen plastisch überhaupt nur möglich und
erträglich zu machen.

Augenblicklich ist Hagen an der großen Marmorstqtue Gottfried Schadows
beschäftigt, welche sich den bereits in der Vorhalle des alten Museums ausge¬
stellten Schinkels, Rauchs, Winkelmanns anzuschließen bestimmt ist.

Eine Sonderstellung neben allen Genannten nimmt ein älterer berliner
Meister ein, indem er in weit geringerem Grade, als sie, jener berliner Schule
angehört, deren charakteristische Eigenschaften ihnen fast durchweg gemeinsam
sind. Es ist dies Ferdinand August Fischer, geboren etwa 1805. also zur
ältern Generation der Drake, Wredow u. gehörend. Von Rauchs Einwirkung
ist er nie unmittelbar berührt worden. Seinen künstlerischen Unterricht hat er


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zwischen den mittleren Linden des leipziger Platzes zu Berlin aufgestellt. Der
Volkswitz, welcher seine Spitze dagegen zu kehren liebte, hat mehr Nahrung
aus der durch dies Werk gefeierten, der populären Antipathie verfallenen Sache
und aus der Tactlosigkeit der Behörde, welche dasselbe mit verschlossenem
Gitter zu schützen für gut fand, ziehen können, als aus der tüchtigen Arbeit
selbst. Bei aller Kunst und resoluter Energie, womit, dem Beispiel der letzten
rauchschen Statuen moderner Menschen getreu, hier das militärische Costüm
plastisch behandelt worden ist, scheint diese Kunst doch an den vielleicht un¬
überwindlichen „wackeren Stiefeln" dieses „sichern Mannes" in Kürassierunisorm
gescheitert zu sein. — Ein ganz vorzügliches Zeugniß, wie wohl Hagen in die
Tiefen einer großen geistigen Persönlichkeit sich zu versenken und diese in all
ihrer charakteristischen Ganzheit im plastischen Bilde ihres beseelten Kopfes zur
Anschauung zu bringen weiß, hat der Künstler uns in seiner berühmten Büste
Beethovens geliefert. Die über das Original noch während des Lebens ge¬
nommene GipsmaSke gab ihm für sein Werk wohl einen unschätzbaren Anhalt.
Wie er diesen aber benutzt, wie er diese todte Form mit des Dargestellten
eigensten Geisteshauch „ledig" zu machen, die endlichen Züge zur reinen Jn-
carnation des erhabenen und ewigen Genies auszuprägen verstanden hat. ist
darum nicht weniger anerkennenswert!). Wie unter vielen gelungenen Büsten
von seiner Hand diese als die trefflichste gelten kann, so müssen wir unter
den freien Kompositionen, die wir von ihm kennen, als die liebenswürdigsten
Schöpfungen jene Reliefs um das Postament der Statue Thaers in Berlin
bezeichnen. Es sind bildähnliche, ganz realistisch gehaltne Darstellungen aus
des großen Landwirths und Landbaulehrers bürgerlich-ländlichem Leben, an sich
nicht besonders geeignet zu künstlerischer, am wenigsten zu plastischer Behand¬
lung. Aber Hagen hat hier, wie Drake dort in naher Nachbarschaft in den
Reliefs des Beuthdenkmals, das Geheimniß gefunden, dergleichen mit einer so
naiven Wahrheit und herzlichen Frische zu geben, daß man sich unbefangen
und rein daran erfreuen mag und die schwierige Kunst kaum merkt, welche an¬
gewandt werden mußte, um dergleichen plastisch überhaupt nur möglich und
erträglich zu machen.

Augenblicklich ist Hagen an der großen Marmorstqtue Gottfried Schadows
beschäftigt, welche sich den bereits in der Vorhalle des alten Museums ausge¬
stellten Schinkels, Rauchs, Winkelmanns anzuschließen bestimmt ist.

Eine Sonderstellung neben allen Genannten nimmt ein älterer berliner
Meister ein, indem er in weit geringerem Grade, als sie, jener berliner Schule
angehört, deren charakteristische Eigenschaften ihnen fast durchweg gemeinsam
sind. Es ist dies Ferdinand August Fischer, geboren etwa 1805. also zur
ältern Generation der Drake, Wredow u. gehörend. Von Rauchs Einwirkung
ist er nie unmittelbar berührt worden. Seinen künstlerischen Unterricht hat er


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[0537] zwischen den mittleren Linden des leipziger Platzes zu Berlin aufgestellt. Der Volkswitz, welcher seine Spitze dagegen zu kehren liebte, hat mehr Nahrung aus der durch dies Werk gefeierten, der populären Antipathie verfallenen Sache und aus der Tactlosigkeit der Behörde, welche dasselbe mit verschlossenem Gitter zu schützen für gut fand, ziehen können, als aus der tüchtigen Arbeit selbst. Bei aller Kunst und resoluter Energie, womit, dem Beispiel der letzten rauchschen Statuen moderner Menschen getreu, hier das militärische Costüm plastisch behandelt worden ist, scheint diese Kunst doch an den vielleicht un¬ überwindlichen „wackeren Stiefeln" dieses „sichern Mannes" in Kürassierunisorm gescheitert zu sein. — Ein ganz vorzügliches Zeugniß, wie wohl Hagen in die Tiefen einer großen geistigen Persönlichkeit sich zu versenken und diese in all ihrer charakteristischen Ganzheit im plastischen Bilde ihres beseelten Kopfes zur Anschauung zu bringen weiß, hat der Künstler uns in seiner berühmten Büste Beethovens geliefert. Die über das Original noch während des Lebens ge¬ nommene GipsmaSke gab ihm für sein Werk wohl einen unschätzbaren Anhalt. Wie er diesen aber benutzt, wie er diese todte Form mit des Dargestellten eigensten Geisteshauch „ledig" zu machen, die endlichen Züge zur reinen Jn- carnation des erhabenen und ewigen Genies auszuprägen verstanden hat. ist darum nicht weniger anerkennenswert!). Wie unter vielen gelungenen Büsten von seiner Hand diese als die trefflichste gelten kann, so müssen wir unter den freien Kompositionen, die wir von ihm kennen, als die liebenswürdigsten Schöpfungen jene Reliefs um das Postament der Statue Thaers in Berlin bezeichnen. Es sind bildähnliche, ganz realistisch gehaltne Darstellungen aus des großen Landwirths und Landbaulehrers bürgerlich-ländlichem Leben, an sich nicht besonders geeignet zu künstlerischer, am wenigsten zu plastischer Behand¬ lung. Aber Hagen hat hier, wie Drake dort in naher Nachbarschaft in den Reliefs des Beuthdenkmals, das Geheimniß gefunden, dergleichen mit einer so naiven Wahrheit und herzlichen Frische zu geben, daß man sich unbefangen und rein daran erfreuen mag und die schwierige Kunst kaum merkt, welche an¬ gewandt werden mußte, um dergleichen plastisch überhaupt nur möglich und erträglich zu machen. Augenblicklich ist Hagen an der großen Marmorstqtue Gottfried Schadows beschäftigt, welche sich den bereits in der Vorhalle des alten Museums ausge¬ stellten Schinkels, Rauchs, Winkelmanns anzuschließen bestimmt ist. Eine Sonderstellung neben allen Genannten nimmt ein älterer berliner Meister ein, indem er in weit geringerem Grade, als sie, jener berliner Schule angehört, deren charakteristische Eigenschaften ihnen fast durchweg gemeinsam sind. Es ist dies Ferdinand August Fischer, geboren etwa 1805. also zur ältern Generation der Drake, Wredow u. gehörend. Von Rauchs Einwirkung ist er nie unmittelbar berührt worden. Seinen künstlerischen Unterricht hat er 64 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/537>, abgerufen am 01.07.2024.