Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bereitet haben, der dahin neigenden Talenten die günstigste Entwicklung zu
geben vermöchte.

Für die Schülergruppe der Wolff, Bläser ze. kam, nachdem dieselben
zu selbständig schaffender Kunstthätigkeit übergegangen waren, ein Ersatz in
Hugo Hagen (geb. 1820 oder 1818). der bei Wichmann seine erste künstlerische
Bildung gefunden hatte. Er hat bis zu Rauchs letztem Augenblick treulich bei
ihm ausgehalten, seit er in der Mitte der vierziger Jahre in dessen Werkstatt
eintrat. Wenn der Meister, wie schon gesagt, auch nie, selbst in seinen letzten
Lebenszeiten, die Ausführung einer von ihm unternommenen Arbeit so sehr
einem andern überlassen hat, daß er auf den thätigen Antheil daran gänzlich
resignirt hätte, so war während dieser zehn Jahre Hagen doch der eigentliche
Leiter und Vertreter Rauchs in der Werkstatt, der es, wie vor ihm Albert
Wolff, vortrefflich verstand, aus der skizzenhaften Andeutung die Intention des
Meisters herauszulesen und ihre Verwirklichung durchaus in dessen Sinn im
kolossalen ausgeführten Modell zu bewerkstelligen, so daß das schließlich Vollendete
das unverkümmerte Gepräge der rauchschen Kunstweise in jedem Theile und
allen Stücken trug. Solcher Art war Hagens höchst anerkennenswerthe Thätig¬
keit an den letzten Modellen des Friedrichdenkmals, an den Statuen Uorks und
Gneisenaus, an dem Grabmonument des Königs von Hannover, an der Moses-
gruppe; bei den Gestalten Thaers und Kants konnte endlich das ganze Modell als
eigne Arbeit Hagens gelten, welchem eben nur ein rauchscher Entwurf bei
ersterm, die bekannte Neliessigur am Friedrichsdenkmal bei letzterm als Anhalt
diente. Hagens ganz eigne und freie Schöpfungen beginnen mit dem Denkmal
für das Schlachtfeld von Roßbach, das er 1836 unternahm. Es ist ein kolos¬
sales Relief aus flacher Tafel, eine Victoria mit Lorbeerkranz und Reiterpanier
in den Händen über einen am Boden sterbend hingestreckten französischen Krieger
auf wildem Roß dcchinsprengend. In der herrlich-bewegten und drapirten Ge¬
stalt der reitenden Siegesgöttin lebt derselbe hohe und doch anmuthvolle
Schönheitsgeist, welcher die rauchschen Victorien beseelte. Das jagende Roß
aber ist nicht durch die gleich treffende plastische Wiedergabe seines Organismus,
seiner wahren Bewegung und Gestalt ausgezeichnet, welche die Pferde des Meisters
und andrer seiner Schüler aufweisen können. So bleibt auch der bäumende
Pegasus etwas lahm, welchen in der von Hagen als Gegenüber der schievel-
beinschen für die Hinterseite des Museumsdachs modellirten Broncegruppe die
Grazie bändigt, während diese wieder mit allem edlen und holden Reiz ge¬
schmückt und in ihres schönen jungen Leibes Bewegung bedingt erscheint, der
sie zu ihrem Namen berechtigt.

Ein andres von Hagen selbständig geschaffenes Monumentalwerk, das er
1868 im Modell vollendete, hat heftige Anfeindungen erleiden müssen. Es ist
jene bekannte Statue des Grafen Brandenburg als Besieger der Revolution


bereitet haben, der dahin neigenden Talenten die günstigste Entwicklung zu
geben vermöchte.

Für die Schülergruppe der Wolff, Bläser ze. kam, nachdem dieselben
zu selbständig schaffender Kunstthätigkeit übergegangen waren, ein Ersatz in
Hugo Hagen (geb. 1820 oder 1818). der bei Wichmann seine erste künstlerische
Bildung gefunden hatte. Er hat bis zu Rauchs letztem Augenblick treulich bei
ihm ausgehalten, seit er in der Mitte der vierziger Jahre in dessen Werkstatt
eintrat. Wenn der Meister, wie schon gesagt, auch nie, selbst in seinen letzten
Lebenszeiten, die Ausführung einer von ihm unternommenen Arbeit so sehr
einem andern überlassen hat, daß er auf den thätigen Antheil daran gänzlich
resignirt hätte, so war während dieser zehn Jahre Hagen doch der eigentliche
Leiter und Vertreter Rauchs in der Werkstatt, der es, wie vor ihm Albert
Wolff, vortrefflich verstand, aus der skizzenhaften Andeutung die Intention des
Meisters herauszulesen und ihre Verwirklichung durchaus in dessen Sinn im
kolossalen ausgeführten Modell zu bewerkstelligen, so daß das schließlich Vollendete
das unverkümmerte Gepräge der rauchschen Kunstweise in jedem Theile und
allen Stücken trug. Solcher Art war Hagens höchst anerkennenswerthe Thätig¬
keit an den letzten Modellen des Friedrichdenkmals, an den Statuen Uorks und
Gneisenaus, an dem Grabmonument des Königs von Hannover, an der Moses-
gruppe; bei den Gestalten Thaers und Kants konnte endlich das ganze Modell als
eigne Arbeit Hagens gelten, welchem eben nur ein rauchscher Entwurf bei
ersterm, die bekannte Neliessigur am Friedrichsdenkmal bei letzterm als Anhalt
diente. Hagens ganz eigne und freie Schöpfungen beginnen mit dem Denkmal
für das Schlachtfeld von Roßbach, das er 1836 unternahm. Es ist ein kolos¬
sales Relief aus flacher Tafel, eine Victoria mit Lorbeerkranz und Reiterpanier
in den Händen über einen am Boden sterbend hingestreckten französischen Krieger
auf wildem Roß dcchinsprengend. In der herrlich-bewegten und drapirten Ge¬
stalt der reitenden Siegesgöttin lebt derselbe hohe und doch anmuthvolle
Schönheitsgeist, welcher die rauchschen Victorien beseelte. Das jagende Roß
aber ist nicht durch die gleich treffende plastische Wiedergabe seines Organismus,
seiner wahren Bewegung und Gestalt ausgezeichnet, welche die Pferde des Meisters
und andrer seiner Schüler aufweisen können. So bleibt auch der bäumende
Pegasus etwas lahm, welchen in der von Hagen als Gegenüber der schievel-
beinschen für die Hinterseite des Museumsdachs modellirten Broncegruppe die
Grazie bändigt, während diese wieder mit allem edlen und holden Reiz ge¬
schmückt und in ihres schönen jungen Leibes Bewegung bedingt erscheint, der
sie zu ihrem Namen berechtigt.

Ein andres von Hagen selbständig geschaffenes Monumentalwerk, das er
1868 im Modell vollendete, hat heftige Anfeindungen erleiden müssen. Es ist
jene bekannte Statue des Grafen Brandenburg als Besieger der Revolution


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0536" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285006"/>
          <p xml:id="ID_1763" prev="#ID_1762"> bereitet haben, der dahin neigenden Talenten die günstigste Entwicklung zu<lb/>
geben vermöchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1764"> Für die Schülergruppe der Wolff, Bläser ze. kam, nachdem dieselben<lb/>
zu selbständig schaffender Kunstthätigkeit übergegangen waren, ein Ersatz in<lb/>
Hugo Hagen (geb. 1820 oder 1818). der bei Wichmann seine erste künstlerische<lb/>
Bildung gefunden hatte.  Er hat bis zu Rauchs letztem Augenblick treulich bei<lb/>
ihm ausgehalten, seit er in der Mitte der vierziger Jahre in dessen Werkstatt<lb/>
eintrat. Wenn der Meister, wie schon gesagt, auch nie, selbst in seinen letzten<lb/>
Lebenszeiten, die Ausführung einer von ihm unternommenen Arbeit so sehr<lb/>
einem andern überlassen hat, daß er auf den thätigen Antheil daran gänzlich<lb/>
resignirt hätte, so war während dieser zehn Jahre Hagen doch der eigentliche<lb/>
Leiter und Vertreter Rauchs in der Werkstatt, der es, wie vor ihm Albert<lb/>
Wolff, vortrefflich verstand, aus der skizzenhaften Andeutung die Intention des<lb/>
Meisters herauszulesen und ihre Verwirklichung durchaus in dessen Sinn im<lb/>
kolossalen ausgeführten Modell zu bewerkstelligen, so daß das schließlich Vollendete<lb/>
das unverkümmerte Gepräge der rauchschen Kunstweise in jedem Theile und<lb/>
allen Stücken trug.  Solcher Art war Hagens höchst anerkennenswerthe Thätig¬<lb/>
keit an den letzten Modellen des Friedrichdenkmals, an den Statuen Uorks und<lb/>
Gneisenaus, an dem Grabmonument des Königs von Hannover, an der Moses-<lb/>
gruppe; bei den Gestalten Thaers und Kants konnte endlich das ganze Modell als<lb/>
eigne Arbeit Hagens gelten, welchem eben nur ein rauchscher Entwurf bei<lb/>
ersterm, die bekannte Neliessigur am Friedrichsdenkmal bei letzterm als Anhalt<lb/>
diente. Hagens ganz eigne und freie Schöpfungen beginnen mit dem Denkmal<lb/>
für das Schlachtfeld von Roßbach, das er 1836 unternahm.  Es ist ein kolos¬<lb/>
sales Relief aus flacher Tafel, eine Victoria mit Lorbeerkranz und Reiterpanier<lb/>
in den Händen über einen am Boden sterbend hingestreckten französischen Krieger<lb/>
auf wildem Roß dcchinsprengend. In der herrlich-bewegten und drapirten Ge¬<lb/>
stalt der reitenden Siegesgöttin lebt derselbe hohe und doch anmuthvolle<lb/>
Schönheitsgeist, welcher die rauchschen Victorien beseelte.  Das jagende Roß<lb/>
aber ist nicht durch die gleich treffende plastische Wiedergabe seines Organismus,<lb/>
seiner wahren Bewegung und Gestalt ausgezeichnet, welche die Pferde des Meisters<lb/>
und andrer seiner Schüler aufweisen können. So bleibt auch der bäumende<lb/>
Pegasus etwas lahm, welchen in der von Hagen als Gegenüber der schievel-<lb/>
beinschen für die Hinterseite des Museumsdachs modellirten Broncegruppe die<lb/>
Grazie bändigt, während diese wieder mit allem edlen und holden Reiz ge¬<lb/>
schmückt und in ihres schönen jungen Leibes Bewegung bedingt erscheint, der<lb/>
sie zu ihrem Namen berechtigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1765" next="#ID_1766"> Ein andres von Hagen selbständig geschaffenes Monumentalwerk, das er<lb/>
1868 im Modell vollendete, hat heftige Anfeindungen erleiden müssen. Es ist<lb/>
jene bekannte Statue des Grafen Brandenburg als Besieger der Revolution</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0536] bereitet haben, der dahin neigenden Talenten die günstigste Entwicklung zu geben vermöchte. Für die Schülergruppe der Wolff, Bläser ze. kam, nachdem dieselben zu selbständig schaffender Kunstthätigkeit übergegangen waren, ein Ersatz in Hugo Hagen (geb. 1820 oder 1818). der bei Wichmann seine erste künstlerische Bildung gefunden hatte. Er hat bis zu Rauchs letztem Augenblick treulich bei ihm ausgehalten, seit er in der Mitte der vierziger Jahre in dessen Werkstatt eintrat. Wenn der Meister, wie schon gesagt, auch nie, selbst in seinen letzten Lebenszeiten, die Ausführung einer von ihm unternommenen Arbeit so sehr einem andern überlassen hat, daß er auf den thätigen Antheil daran gänzlich resignirt hätte, so war während dieser zehn Jahre Hagen doch der eigentliche Leiter und Vertreter Rauchs in der Werkstatt, der es, wie vor ihm Albert Wolff, vortrefflich verstand, aus der skizzenhaften Andeutung die Intention des Meisters herauszulesen und ihre Verwirklichung durchaus in dessen Sinn im kolossalen ausgeführten Modell zu bewerkstelligen, so daß das schließlich Vollendete das unverkümmerte Gepräge der rauchschen Kunstweise in jedem Theile und allen Stücken trug. Solcher Art war Hagens höchst anerkennenswerthe Thätig¬ keit an den letzten Modellen des Friedrichdenkmals, an den Statuen Uorks und Gneisenaus, an dem Grabmonument des Königs von Hannover, an der Moses- gruppe; bei den Gestalten Thaers und Kants konnte endlich das ganze Modell als eigne Arbeit Hagens gelten, welchem eben nur ein rauchscher Entwurf bei ersterm, die bekannte Neliessigur am Friedrichsdenkmal bei letzterm als Anhalt diente. Hagens ganz eigne und freie Schöpfungen beginnen mit dem Denkmal für das Schlachtfeld von Roßbach, das er 1836 unternahm. Es ist ein kolos¬ sales Relief aus flacher Tafel, eine Victoria mit Lorbeerkranz und Reiterpanier in den Händen über einen am Boden sterbend hingestreckten französischen Krieger auf wildem Roß dcchinsprengend. In der herrlich-bewegten und drapirten Ge¬ stalt der reitenden Siegesgöttin lebt derselbe hohe und doch anmuthvolle Schönheitsgeist, welcher die rauchschen Victorien beseelte. Das jagende Roß aber ist nicht durch die gleich treffende plastische Wiedergabe seines Organismus, seiner wahren Bewegung und Gestalt ausgezeichnet, welche die Pferde des Meisters und andrer seiner Schüler aufweisen können. So bleibt auch der bäumende Pegasus etwas lahm, welchen in der von Hagen als Gegenüber der schievel- beinschen für die Hinterseite des Museumsdachs modellirten Broncegruppe die Grazie bändigt, während diese wieder mit allem edlen und holden Reiz ge¬ schmückt und in ihres schönen jungen Leibes Bewegung bedingt erscheint, der sie zu ihrem Namen berechtigt. Ein andres von Hagen selbständig geschaffenes Monumentalwerk, das er 1868 im Modell vollendete, hat heftige Anfeindungen erleiden müssen. Es ist jene bekannte Statue des Grafen Brandenburg als Besieger der Revolution

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/536
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/536>, abgerufen am 01.07.2024.