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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Die berliner Bildhauerschule.
s.

Von den Mitarbeitern an dem großen Cyklus der Schloßbrückengruppen
ist. wenn wir den Urheber der schwächsten unter allen, Emil Wolff in Rom,
ausnehmen, welcher durch künstlerischen Bildungsgang und dauernden Aufent¬
halt in Italien von dem Thema dieser Aufsätze, der berliner Bildhauerschule,
eigentlich ausgeschlossen ist, noch einer bisher von mir unerwähnt geblieben.
Karl Möller. 1814 oder Is geboren, längere Zeit in Rauchs Werkstatt
arbeitend und an den Monumenten, die in derselben während der vierziger
Jahre entstanden, mitwirkend, tritt er in jener Zeit selbständig schaffend auf
mit zwei sehr populär gewordenen Gruppen, einem Knaben mit einer Bull-
dogge und einem Mädchen mit einem Neufundländer Hunde, etwas später mit
der Gestalt eines jugendlichen die Harfe spielenden David, für Friedrich
Wilhelm den Vierten in Marmor ausgeführt. Möller erwies sich als ge¬
schickten, soliden und emsigen Arbeiter darin; in den Hunden und den Kinder¬
körpern als einen treuen, fleißigen Beobachter und Nachbildner einer bestimmten
Natur. Von eigentlicher Poesie der Erfindung, wie von der Erhebung zur
freien plastischen Schönheit haben wir hier wie überhaupt bei den Arbeiten dieses
tüchtigen Künstlers nichts zu bemerken. In der Schloßbrückengruppe (der dritten
der Reihe rechts von den Linden her) trat dann freilich die Nöthigung an ihn
heran. sich zu einer höhern, idealem Gestaltungsweise aufzuschwingen. Er hat
mit vieler Energie diese Probe in einer ganz respectabeln Weise bestanden.
Das ihm gebotne Sujet war keins von den glücklichsten und bot der Bearbeitung
keine geringe Schwierigkeit: Pallas überreicht dem Jüngling das Schwert zum
Ernsikampf. Für die Action. wie für den Ausdruck giebt der Gegenstand
nur wenig gute Motive. Möller brachte ein achtbares Werk zu Stande.
Seine Pallas ist mehr trocken und langweilig als hoheitsvoll ruhig gerathen.
Dem jungen nackten Krieger verleiht er dafür ein etwas theatralisch aufgeregtes
Pathos in Haltung und Bewegung, womit er nach dem dargereichten Schwert
langt und die andre Hand betheuernd auf die Brust legt. Der kräftige, mehr
als nöthig männlich reife Körper ist mit Kenntniß des Nackten und vielem
Geschick behandelt. Griechischer Geist und classische Anmuth, wie sie uns in
so mancher der umgebenden Gruppen erfreuen, suchen wir freilich hier ver¬
gebens. Die Formen haben eine Derbheit, das Ganze eine gewisse Nüchtern¬
heit, mit welcher sich jene beiden nicht vereinigen würden. -- Es sind seit der


Die berliner Bildhauerschule.
s.

Von den Mitarbeitern an dem großen Cyklus der Schloßbrückengruppen
ist. wenn wir den Urheber der schwächsten unter allen, Emil Wolff in Rom,
ausnehmen, welcher durch künstlerischen Bildungsgang und dauernden Aufent¬
halt in Italien von dem Thema dieser Aufsätze, der berliner Bildhauerschule,
eigentlich ausgeschlossen ist, noch einer bisher von mir unerwähnt geblieben.
Karl Möller. 1814 oder Is geboren, längere Zeit in Rauchs Werkstatt
arbeitend und an den Monumenten, die in derselben während der vierziger
Jahre entstanden, mitwirkend, tritt er in jener Zeit selbständig schaffend auf
mit zwei sehr populär gewordenen Gruppen, einem Knaben mit einer Bull-
dogge und einem Mädchen mit einem Neufundländer Hunde, etwas später mit
der Gestalt eines jugendlichen die Harfe spielenden David, für Friedrich
Wilhelm den Vierten in Marmor ausgeführt. Möller erwies sich als ge¬
schickten, soliden und emsigen Arbeiter darin; in den Hunden und den Kinder¬
körpern als einen treuen, fleißigen Beobachter und Nachbildner einer bestimmten
Natur. Von eigentlicher Poesie der Erfindung, wie von der Erhebung zur
freien plastischen Schönheit haben wir hier wie überhaupt bei den Arbeiten dieses
tüchtigen Künstlers nichts zu bemerken. In der Schloßbrückengruppe (der dritten
der Reihe rechts von den Linden her) trat dann freilich die Nöthigung an ihn
heran. sich zu einer höhern, idealem Gestaltungsweise aufzuschwingen. Er hat
mit vieler Energie diese Probe in einer ganz respectabeln Weise bestanden.
Das ihm gebotne Sujet war keins von den glücklichsten und bot der Bearbeitung
keine geringe Schwierigkeit: Pallas überreicht dem Jüngling das Schwert zum
Ernsikampf. Für die Action. wie für den Ausdruck giebt der Gegenstand
nur wenig gute Motive. Möller brachte ein achtbares Werk zu Stande.
Seine Pallas ist mehr trocken und langweilig als hoheitsvoll ruhig gerathen.
Dem jungen nackten Krieger verleiht er dafür ein etwas theatralisch aufgeregtes
Pathos in Haltung und Bewegung, womit er nach dem dargereichten Schwert
langt und die andre Hand betheuernd auf die Brust legt. Der kräftige, mehr
als nöthig männlich reife Körper ist mit Kenntniß des Nackten und vielem
Geschick behandelt. Griechischer Geist und classische Anmuth, wie sie uns in
so mancher der umgebenden Gruppen erfreuen, suchen wir freilich hier ver¬
gebens. Die Formen haben eine Derbheit, das Ganze eine gewisse Nüchtern¬
heit, mit welcher sich jene beiden nicht vereinigen würden. — Es sind seit der


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[0533] Die berliner Bildhauerschule. s. Von den Mitarbeitern an dem großen Cyklus der Schloßbrückengruppen ist. wenn wir den Urheber der schwächsten unter allen, Emil Wolff in Rom, ausnehmen, welcher durch künstlerischen Bildungsgang und dauernden Aufent¬ halt in Italien von dem Thema dieser Aufsätze, der berliner Bildhauerschule, eigentlich ausgeschlossen ist, noch einer bisher von mir unerwähnt geblieben. Karl Möller. 1814 oder Is geboren, längere Zeit in Rauchs Werkstatt arbeitend und an den Monumenten, die in derselben während der vierziger Jahre entstanden, mitwirkend, tritt er in jener Zeit selbständig schaffend auf mit zwei sehr populär gewordenen Gruppen, einem Knaben mit einer Bull- dogge und einem Mädchen mit einem Neufundländer Hunde, etwas später mit der Gestalt eines jugendlichen die Harfe spielenden David, für Friedrich Wilhelm den Vierten in Marmor ausgeführt. Möller erwies sich als ge¬ schickten, soliden und emsigen Arbeiter darin; in den Hunden und den Kinder¬ körpern als einen treuen, fleißigen Beobachter und Nachbildner einer bestimmten Natur. Von eigentlicher Poesie der Erfindung, wie von der Erhebung zur freien plastischen Schönheit haben wir hier wie überhaupt bei den Arbeiten dieses tüchtigen Künstlers nichts zu bemerken. In der Schloßbrückengruppe (der dritten der Reihe rechts von den Linden her) trat dann freilich die Nöthigung an ihn heran. sich zu einer höhern, idealem Gestaltungsweise aufzuschwingen. Er hat mit vieler Energie diese Probe in einer ganz respectabeln Weise bestanden. Das ihm gebotne Sujet war keins von den glücklichsten und bot der Bearbeitung keine geringe Schwierigkeit: Pallas überreicht dem Jüngling das Schwert zum Ernsikampf. Für die Action. wie für den Ausdruck giebt der Gegenstand nur wenig gute Motive. Möller brachte ein achtbares Werk zu Stande. Seine Pallas ist mehr trocken und langweilig als hoheitsvoll ruhig gerathen. Dem jungen nackten Krieger verleiht er dafür ein etwas theatralisch aufgeregtes Pathos in Haltung und Bewegung, womit er nach dem dargereichten Schwert langt und die andre Hand betheuernd auf die Brust legt. Der kräftige, mehr als nöthig männlich reife Körper ist mit Kenntniß des Nackten und vielem Geschick behandelt. Griechischer Geist und classische Anmuth, wie sie uns in so mancher der umgebenden Gruppen erfreuen, suchen wir freilich hier ver¬ gebens. Die Formen haben eine Derbheit, das Ganze eine gewisse Nüchtern¬ heit, mit welcher sich jene beiden nicht vereinigen würden. — Es sind seit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/533>, abgerufen am 01.07.2024.