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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Vollendung dieser Gruppe noch eine Reihe von Monume-ntalflguren für die
Fayade des königsberger Universitätsgebäudes, für die berliner Börse und manche
Concurrenzskizzen und Denkmcilsentwürse aus Möllers Werkstatt hervorgegangen.
Wir können uns eines nähern Eingehens auf diese Arbeiten um so eher ent¬
halten, als eine neue Seite seiner Künstlerschaft darin sich nicht kundgiebt, die
Art dieser letztern sich vielmehr vollständig in den geschilderten ausgesprochen
zeigt.

Zwei andre namhafte Schüler Rauchs, Achtermann und Steinhäuser,
welche um die Zeit des Eintritts Albert Wolffs in die Werkstatt dieselbe be¬
reits verließen, sind hier kaum mit aufzuführen. Sie nahmen ihren dauernden
Aufenthalt in Rom, und ihre ganze Kunstrichtung ist durch so mannigfaltige
fremdartige Einflüsse dort bedingt und-in ihre späteren Bahnen gelenkt worden,
daß auch sie nicht füglich zur berliner Schule zu rechnen sind.

Als Rauch 1838 zur Aufstellung des Dürerdenkmals nach Nürnberg kam,
fand er dort eine Ausstellung von Arbeiten der städtischen Kunst- und Gewerbe-
schüler. Unter denselben erregten besonders die sinnreichen und geschickten
Leistungen eines jungen Klempners seine Aufmerksamkeit, die auf ein höheres
künstlerisches Talent hinwiesen, als es sich in diesen ins Fach des Goldschmieds
einschlagenden Metallarbeiten voll auszuprägen Gelegenheit finden konnte. Er
ließ sich den jungen Mann, Afinger war sein Name, vorstellen, und er¬
muntert und angeregt von dem mit einer Art heiliger Scheu verehrten Meister,
finden wir ihn bald darauf in Berlin in der großen Mutterwerkstatt im Lager¬
hause, modellirend nach der Natur und Antike, nicht lange danach an Rauchs
Arbeiten mitthätig; wie sein großes Kunstmuster, welchem er schon als Hand¬
werker nachzustreben getrachtet hatte, Benvenuto, sich vom Metalltreiben, Orna¬
ment- und Gesäßbilden zur strengern, reineren Bildhauerkunst erhebend. Afinger
ist mit sehr feinem Auge für das Individuellste der Menschengestalt und be¬
sonders des Menschenantlitzes begabt; nicht die großen monumentalen Kom¬
positionen oder Schöpfungen eines reinen Jdealcharal'ters sind ihm daher die
naturgemäßesten Aufgaben. In weit höherem Grade bewährt sich sein Talent
der einzelnen wirklichen Persönlichkeit gegenüber. Portrcitreliess und Statuetten
waren es denn auch, welche hier zuerst und zumeist die öffentliche Aufmerksam¬
keit auf ihn lenkten. Es ist in diesen kleinen Arbeiten Asingers eine ganz eminente
Gabe des Eindringens in das Physiognomische der wiederzugebenden Erscheinung
ersichtlich. Mit Recht sind jene meisterhaften Neliefmedaillons der Köpfe Rauchs,
Cornelius, Humboldts, Kaulbachs berühmt geworden, die in vergeistigen Fein¬
heit ihrer Auffassung, der Delikatesse und Lebendigkeit ihrer Modellirung ganz
unübertrefflich sind. Ebenso bekannt ist Asingers Statue der Rahel, die er, als-
sie hier um 18S0 ig, cour et la, ville entzückte, sür Friedrich Wilhelm den
Vierten in halber Lebensgröße in Marmor darzustellen beauftragt wurde.


Vollendung dieser Gruppe noch eine Reihe von Monume-ntalflguren für die
Fayade des königsberger Universitätsgebäudes, für die berliner Börse und manche
Concurrenzskizzen und Denkmcilsentwürse aus Möllers Werkstatt hervorgegangen.
Wir können uns eines nähern Eingehens auf diese Arbeiten um so eher ent¬
halten, als eine neue Seite seiner Künstlerschaft darin sich nicht kundgiebt, die
Art dieser letztern sich vielmehr vollständig in den geschilderten ausgesprochen
zeigt.

Zwei andre namhafte Schüler Rauchs, Achtermann und Steinhäuser,
welche um die Zeit des Eintritts Albert Wolffs in die Werkstatt dieselbe be¬
reits verließen, sind hier kaum mit aufzuführen. Sie nahmen ihren dauernden
Aufenthalt in Rom, und ihre ganze Kunstrichtung ist durch so mannigfaltige
fremdartige Einflüsse dort bedingt und-in ihre späteren Bahnen gelenkt worden,
daß auch sie nicht füglich zur berliner Schule zu rechnen sind.

Als Rauch 1838 zur Aufstellung des Dürerdenkmals nach Nürnberg kam,
fand er dort eine Ausstellung von Arbeiten der städtischen Kunst- und Gewerbe-
schüler. Unter denselben erregten besonders die sinnreichen und geschickten
Leistungen eines jungen Klempners seine Aufmerksamkeit, die auf ein höheres
künstlerisches Talent hinwiesen, als es sich in diesen ins Fach des Goldschmieds
einschlagenden Metallarbeiten voll auszuprägen Gelegenheit finden konnte. Er
ließ sich den jungen Mann, Afinger war sein Name, vorstellen, und er¬
muntert und angeregt von dem mit einer Art heiliger Scheu verehrten Meister,
finden wir ihn bald darauf in Berlin in der großen Mutterwerkstatt im Lager¬
hause, modellirend nach der Natur und Antike, nicht lange danach an Rauchs
Arbeiten mitthätig; wie sein großes Kunstmuster, welchem er schon als Hand¬
werker nachzustreben getrachtet hatte, Benvenuto, sich vom Metalltreiben, Orna¬
ment- und Gesäßbilden zur strengern, reineren Bildhauerkunst erhebend. Afinger
ist mit sehr feinem Auge für das Individuellste der Menschengestalt und be¬
sonders des Menschenantlitzes begabt; nicht die großen monumentalen Kom¬
positionen oder Schöpfungen eines reinen Jdealcharal'ters sind ihm daher die
naturgemäßesten Aufgaben. In weit höherem Grade bewährt sich sein Talent
der einzelnen wirklichen Persönlichkeit gegenüber. Portrcitreliess und Statuetten
waren es denn auch, welche hier zuerst und zumeist die öffentliche Aufmerksam¬
keit auf ihn lenkten. Es ist in diesen kleinen Arbeiten Asingers eine ganz eminente
Gabe des Eindringens in das Physiognomische der wiederzugebenden Erscheinung
ersichtlich. Mit Recht sind jene meisterhaften Neliefmedaillons der Köpfe Rauchs,
Cornelius, Humboldts, Kaulbachs berühmt geworden, die in vergeistigen Fein¬
heit ihrer Auffassung, der Delikatesse und Lebendigkeit ihrer Modellirung ganz
unübertrefflich sind. Ebenso bekannt ist Asingers Statue der Rahel, die er, als-
sie hier um 18S0 ig, cour et la, ville entzückte, sür Friedrich Wilhelm den
Vierten in halber Lebensgröße in Marmor darzustellen beauftragt wurde.


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[0534] Vollendung dieser Gruppe noch eine Reihe von Monume-ntalflguren für die Fayade des königsberger Universitätsgebäudes, für die berliner Börse und manche Concurrenzskizzen und Denkmcilsentwürse aus Möllers Werkstatt hervorgegangen. Wir können uns eines nähern Eingehens auf diese Arbeiten um so eher ent¬ halten, als eine neue Seite seiner Künstlerschaft darin sich nicht kundgiebt, die Art dieser letztern sich vielmehr vollständig in den geschilderten ausgesprochen zeigt. Zwei andre namhafte Schüler Rauchs, Achtermann und Steinhäuser, welche um die Zeit des Eintritts Albert Wolffs in die Werkstatt dieselbe be¬ reits verließen, sind hier kaum mit aufzuführen. Sie nahmen ihren dauernden Aufenthalt in Rom, und ihre ganze Kunstrichtung ist durch so mannigfaltige fremdartige Einflüsse dort bedingt und-in ihre späteren Bahnen gelenkt worden, daß auch sie nicht füglich zur berliner Schule zu rechnen sind. Als Rauch 1838 zur Aufstellung des Dürerdenkmals nach Nürnberg kam, fand er dort eine Ausstellung von Arbeiten der städtischen Kunst- und Gewerbe- schüler. Unter denselben erregten besonders die sinnreichen und geschickten Leistungen eines jungen Klempners seine Aufmerksamkeit, die auf ein höheres künstlerisches Talent hinwiesen, als es sich in diesen ins Fach des Goldschmieds einschlagenden Metallarbeiten voll auszuprägen Gelegenheit finden konnte. Er ließ sich den jungen Mann, Afinger war sein Name, vorstellen, und er¬ muntert und angeregt von dem mit einer Art heiliger Scheu verehrten Meister, finden wir ihn bald darauf in Berlin in der großen Mutterwerkstatt im Lager¬ hause, modellirend nach der Natur und Antike, nicht lange danach an Rauchs Arbeiten mitthätig; wie sein großes Kunstmuster, welchem er schon als Hand¬ werker nachzustreben getrachtet hatte, Benvenuto, sich vom Metalltreiben, Orna¬ ment- und Gesäßbilden zur strengern, reineren Bildhauerkunst erhebend. Afinger ist mit sehr feinem Auge für das Individuellste der Menschengestalt und be¬ sonders des Menschenantlitzes begabt; nicht die großen monumentalen Kom¬ positionen oder Schöpfungen eines reinen Jdealcharal'ters sind ihm daher die naturgemäßesten Aufgaben. In weit höherem Grade bewährt sich sein Talent der einzelnen wirklichen Persönlichkeit gegenüber. Portrcitreliess und Statuetten waren es denn auch, welche hier zuerst und zumeist die öffentliche Aufmerksam¬ keit auf ihn lenkten. Es ist in diesen kleinen Arbeiten Asingers eine ganz eminente Gabe des Eindringens in das Physiognomische der wiederzugebenden Erscheinung ersichtlich. Mit Recht sind jene meisterhaften Neliefmedaillons der Köpfe Rauchs, Cornelius, Humboldts, Kaulbachs berühmt geworden, die in vergeistigen Fein¬ heit ihrer Auffassung, der Delikatesse und Lebendigkeit ihrer Modellirung ganz unübertrefflich sind. Ebenso bekannt ist Asingers Statue der Rahel, die er, als- sie hier um 18S0 ig, cour et la, ville entzückte, sür Friedrich Wilhelm den Vierten in halber Lebensgröße in Marmor darzustellen beauftragt wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/534>, abgerufen am 01.07.2024.