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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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der Ebene kommen. Hier und da finden wir Briefe ehemaliger Zöglinge, welche
jedoch meist nichts als fromme Redensarten enthalten. Daneben stehen in den
Miscellen Notizen über alles mögliche Wissenswerthe, Anekdoten, fromme Sen¬
tenzen, "Verbrechen und Unglücksfälle", ganz vereinzelte politische Angaben und,
damit nichts fehle, steht im Jahrgang IV. S. 61 f. auch ein Artikel über
die große Seeschlange.

Wenn wir nun noch daran erinnern, daß die meisten Nummern mit einem
(durchschnittlich besser gemeinten als gelungenen) geistlichen Liede schließen, so
werden unsere Leser einen Begriff von dem Jnhaltsreichthum dieses Blattes
bekommen> welches den Nestorianern den Stoff zuführen soll, der bei uns in
zahllosen Büchern und periodischen Schriften zerstreut ist. Zwar finden wir in den
"Lichtstrahlen" mitunter Artikel von einheimischen Verfassern, aber bei weitem
die meisten sind offenbar von den 2 oder 3 Leitern des ganzen Missionswerkes
selbst geschrieben. Dieser Umstand macht eS erklärlich, daß manche Nummern trotz
der weiten Grenzen des Gebietes , welches die Zeitschrift umfaßt, etwas dürftigen
Inhalts sind. Bei einer großen Geschäftslast sind die Herausgeber eben nicht
immer im Stande, ein zweckmäßiges Material herbeizuschaffen und gehörig zu
bearbeiten. Daher erklärt es sich auch, daß mitunter dieselben Sachen an ver¬
schiedenen Stellen der Zeitschrift wiederholt vorkommen und daß der letzte Band
im Ganzen etwas matter ist, als die früheren.

Wenn wir zum Schluß die Frage aufwerfen, welche Aussichten auf dauern¬
den Erfolg wohl die Wirksamkeit der Missionäre, wie sie sich in der Zeitschrift
am besten widerspiegelt, haben möge, so wagen wir durchaus keine bestimmte
Antwort zu geben. Ein wirklicher Erfolg in un serem Sinne würde doch nur
der sein, daß hier eine Pflanzstätte europäischer Bildung fest gegründet würde,
von der aus die finstere asiatische Welt Licht und Leben empfangen könnte.
Erwägen wir die gewaltige Schwierigkeit des Verkehrs zwischen Europa und
der Ebene von Arenia. welche unmittelbar von dem fast unzugänglichen Berg¬
lande begrenzt wird, die Mißlichkeit des Versuchs, europäische Bildung in ein
solches Volk zu verpflanzen, ohne es den Weg durchlaufen zu lasten, auf dem
jene selbst emporgekommen ist, besonders mit gänzlicher Vernachlässigung der
wichtigsten Wurzel unserer Cultur, der classischen Bildung, serner die Sprödigkeit.
mit der sich die Muslime, unter denen jene Syrer leben, gegen alle wahrhaften
Cultureinflüsse Europas abschließen, so werden allerdings die Ansichten weniger
rosig erscheinen, als sie sich vielleicht auf den ersten Blick darstellen. Dennoch
wollen wir damit durchaus nicht die Möglichkeit einer günstigeren Entwicklung
leugnen. Die Gesetze der Culturgeschichte sind noch wenig ergründet, und jeden¬
falls kennt unsere Zeit in vielen Dingen weit raschere Entwicklungen, als die
Vorzeit. Vielleicht erweist die" bis dahin in seiner Armuth kümmerlich


der Ebene kommen. Hier und da finden wir Briefe ehemaliger Zöglinge, welche
jedoch meist nichts als fromme Redensarten enthalten. Daneben stehen in den
Miscellen Notizen über alles mögliche Wissenswerthe, Anekdoten, fromme Sen¬
tenzen, „Verbrechen und Unglücksfälle", ganz vereinzelte politische Angaben und,
damit nichts fehle, steht im Jahrgang IV. S. 61 f. auch ein Artikel über
die große Seeschlange.

Wenn wir nun noch daran erinnern, daß die meisten Nummern mit einem
(durchschnittlich besser gemeinten als gelungenen) geistlichen Liede schließen, so
werden unsere Leser einen Begriff von dem Jnhaltsreichthum dieses Blattes
bekommen> welches den Nestorianern den Stoff zuführen soll, der bei uns in
zahllosen Büchern und periodischen Schriften zerstreut ist. Zwar finden wir in den
„Lichtstrahlen" mitunter Artikel von einheimischen Verfassern, aber bei weitem
die meisten sind offenbar von den 2 oder 3 Leitern des ganzen Missionswerkes
selbst geschrieben. Dieser Umstand macht eS erklärlich, daß manche Nummern trotz
der weiten Grenzen des Gebietes , welches die Zeitschrift umfaßt, etwas dürftigen
Inhalts sind. Bei einer großen Geschäftslast sind die Herausgeber eben nicht
immer im Stande, ein zweckmäßiges Material herbeizuschaffen und gehörig zu
bearbeiten. Daher erklärt es sich auch, daß mitunter dieselben Sachen an ver¬
schiedenen Stellen der Zeitschrift wiederholt vorkommen und daß der letzte Band
im Ganzen etwas matter ist, als die früheren.

Wenn wir zum Schluß die Frage aufwerfen, welche Aussichten auf dauern¬
den Erfolg wohl die Wirksamkeit der Missionäre, wie sie sich in der Zeitschrift
am besten widerspiegelt, haben möge, so wagen wir durchaus keine bestimmte
Antwort zu geben. Ein wirklicher Erfolg in un serem Sinne würde doch nur
der sein, daß hier eine Pflanzstätte europäischer Bildung fest gegründet würde,
von der aus die finstere asiatische Welt Licht und Leben empfangen könnte.
Erwägen wir die gewaltige Schwierigkeit des Verkehrs zwischen Europa und
der Ebene von Arenia. welche unmittelbar von dem fast unzugänglichen Berg¬
lande begrenzt wird, die Mißlichkeit des Versuchs, europäische Bildung in ein
solches Volk zu verpflanzen, ohne es den Weg durchlaufen zu lasten, auf dem
jene selbst emporgekommen ist, besonders mit gänzlicher Vernachlässigung der
wichtigsten Wurzel unserer Cultur, der classischen Bildung, serner die Sprödigkeit.
mit der sich die Muslime, unter denen jene Syrer leben, gegen alle wahrhaften
Cultureinflüsse Europas abschließen, so werden allerdings die Ansichten weniger
rosig erscheinen, als sie sich vielleicht auf den ersten Blick darstellen. Dennoch
wollen wir damit durchaus nicht die Möglichkeit einer günstigeren Entwicklung
leugnen. Die Gesetze der Culturgeschichte sind noch wenig ergründet, und jeden¬
falls kennt unsere Zeit in vielen Dingen weit raschere Entwicklungen, als die
Vorzeit. Vielleicht erweist die» bis dahin in seiner Armuth kümmerlich


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[0502] der Ebene kommen. Hier und da finden wir Briefe ehemaliger Zöglinge, welche jedoch meist nichts als fromme Redensarten enthalten. Daneben stehen in den Miscellen Notizen über alles mögliche Wissenswerthe, Anekdoten, fromme Sen¬ tenzen, „Verbrechen und Unglücksfälle", ganz vereinzelte politische Angaben und, damit nichts fehle, steht im Jahrgang IV. S. 61 f. auch ein Artikel über die große Seeschlange. Wenn wir nun noch daran erinnern, daß die meisten Nummern mit einem (durchschnittlich besser gemeinten als gelungenen) geistlichen Liede schließen, so werden unsere Leser einen Begriff von dem Jnhaltsreichthum dieses Blattes bekommen> welches den Nestorianern den Stoff zuführen soll, der bei uns in zahllosen Büchern und periodischen Schriften zerstreut ist. Zwar finden wir in den „Lichtstrahlen" mitunter Artikel von einheimischen Verfassern, aber bei weitem die meisten sind offenbar von den 2 oder 3 Leitern des ganzen Missionswerkes selbst geschrieben. Dieser Umstand macht eS erklärlich, daß manche Nummern trotz der weiten Grenzen des Gebietes , welches die Zeitschrift umfaßt, etwas dürftigen Inhalts sind. Bei einer großen Geschäftslast sind die Herausgeber eben nicht immer im Stande, ein zweckmäßiges Material herbeizuschaffen und gehörig zu bearbeiten. Daher erklärt es sich auch, daß mitunter dieselben Sachen an ver¬ schiedenen Stellen der Zeitschrift wiederholt vorkommen und daß der letzte Band im Ganzen etwas matter ist, als die früheren. Wenn wir zum Schluß die Frage aufwerfen, welche Aussichten auf dauern¬ den Erfolg wohl die Wirksamkeit der Missionäre, wie sie sich in der Zeitschrift am besten widerspiegelt, haben möge, so wagen wir durchaus keine bestimmte Antwort zu geben. Ein wirklicher Erfolg in un serem Sinne würde doch nur der sein, daß hier eine Pflanzstätte europäischer Bildung fest gegründet würde, von der aus die finstere asiatische Welt Licht und Leben empfangen könnte. Erwägen wir die gewaltige Schwierigkeit des Verkehrs zwischen Europa und der Ebene von Arenia. welche unmittelbar von dem fast unzugänglichen Berg¬ lande begrenzt wird, die Mißlichkeit des Versuchs, europäische Bildung in ein solches Volk zu verpflanzen, ohne es den Weg durchlaufen zu lasten, auf dem jene selbst emporgekommen ist, besonders mit gänzlicher Vernachlässigung der wichtigsten Wurzel unserer Cultur, der classischen Bildung, serner die Sprödigkeit. mit der sich die Muslime, unter denen jene Syrer leben, gegen alle wahrhaften Cultureinflüsse Europas abschließen, so werden allerdings die Ansichten weniger rosig erscheinen, als sie sich vielleicht auf den ersten Blick darstellen. Dennoch wollen wir damit durchaus nicht die Möglichkeit einer günstigeren Entwicklung leugnen. Die Gesetze der Culturgeschichte sind noch wenig ergründet, und jeden¬ falls kennt unsere Zeit in vielen Dingen weit raschere Entwicklungen, als die Vorzeit. Vielleicht erweist die» bis dahin in seiner Armuth kümmerlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/502>, abgerufen am 01.07.2024.