Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einzusehn und so einen mächtigen Trieb zur Thätigkeit in Bewegung zu
setzen.

Die Abtheilung "Wissenschaft" ist eine ziemlich bunte. Wir haben da
meistens naturwissenschaftliche Gegenstände in der Weise, wie sie in einer guten
Volksschule behandelt werden. Einzelne Capitel aus der Physik, Chemie.
Astronomie, Zoologie, Botanik und Geologie werden in einfach klarer Weise
abgehandelt. Daneben kommt wohl einmal etwas aus der Geographie oder
Geschichte vor, jedoch seltner, da man diese Fächer mehr systematisch treibt.
Wenn der mündliche Unterricht in ungefähr derselben Weise ertheilt wird, wie
die hier erscheinenden "wissenschaftlichen" Proben, so müssen die Zöglinge der
Amerikaner nicht üble Kenntnisse in einigen naturwissenschaftlichen Fächern er¬
langen. Die Hauptschule (zu Sire, ungefähr eine deutsche Meile von Arenia)
besitzt sogar einige physikalische Apparate (z. B. eine Luftpumpe), und ich zweifle
nicht, daß der Unterricht auf diesem Gebiet wohl die besten Erfolge erzielen
wird. Theologische Vorurtheile greifen hier nur selten störend ein. und wenn
z. B. die Lehren der Geologie mit der biblischen Schöpfungsgeschichte durch
-das -- wer sollte das bei unsern frommen Amerikanern erwarten! -- ratio¬
nalistische Hilfsmittel, die Schöpfungstage als Weltperioden zu fassen, ausgeglichen
werden, so wird das für die eben erst beginnende Erziehung der Nestorianer
nicht schaden.

Das Fach "Miscellen" ist seinem Namen gemäß noch viel bunter; dazu
muß man bedenken, daß mancherlei Gegenstände, die unter andern Abtheilungen
stehen, ebenso gut unter "Miscellen" gesetzt werden könnten, wie denn überhaupt
die Einteilung durchaus keine scharfe und consequente ist. Wir haben hier ein
Gewicht interessanter und langweiliger, wichtiger und bedeutungsloser Artikel
und Bemerkungen. Für uns haben die Artikel am meisten Werth, welche über
die Zustände dieser Länder und die Bestrebungen, sie zu bessern, handeln.
Namentlich sind einige Briefe einheimischer Zöglinge der Missionäre über ihre
Reise zu den noch in der Finsterniß schmachtenden Brüdern im Gebirge von
Wichtigkeit. Den wichtigsten und ausführlichsten Bericht dieser Art (der übrigens
unter der Abtheilung "Religion" steht) werde ich vielleicht demnächst einmal in
deutscher Uebersetzung veröffentlichen. Das Gebirge ist den Misstonären gegen¬
über noch ein ganz unabhängiges Gebiet, das sie kaum auszukundschaften, ge-
schweige denn unter ihre geistige Oberherrschaft zu bringen wagen. Im Jahre
1853 bestand im Herzen des kurdischen Berglandes eine einzige Schule, in der
ein junger Geistlicher aus der Schule der Amerikaner 20 Knaben und 5 Mädchen
das ABC beibrachte. Natur und Menschen sind hier noch zu wild, als daß
man sich vor der Hand bedeutende Erfolge versprechen könnte. Es ist schon
viel, daß einzelne Kinder beiderlei Geschlechts aus dem Gebirge nach den Schulen


Grenzboten I. 1866. , 60

einzusehn und so einen mächtigen Trieb zur Thätigkeit in Bewegung zu
setzen.

Die Abtheilung „Wissenschaft" ist eine ziemlich bunte. Wir haben da
meistens naturwissenschaftliche Gegenstände in der Weise, wie sie in einer guten
Volksschule behandelt werden. Einzelne Capitel aus der Physik, Chemie.
Astronomie, Zoologie, Botanik und Geologie werden in einfach klarer Weise
abgehandelt. Daneben kommt wohl einmal etwas aus der Geographie oder
Geschichte vor, jedoch seltner, da man diese Fächer mehr systematisch treibt.
Wenn der mündliche Unterricht in ungefähr derselben Weise ertheilt wird, wie
die hier erscheinenden „wissenschaftlichen" Proben, so müssen die Zöglinge der
Amerikaner nicht üble Kenntnisse in einigen naturwissenschaftlichen Fächern er¬
langen. Die Hauptschule (zu Sire, ungefähr eine deutsche Meile von Arenia)
besitzt sogar einige physikalische Apparate (z. B. eine Luftpumpe), und ich zweifle
nicht, daß der Unterricht auf diesem Gebiet wohl die besten Erfolge erzielen
wird. Theologische Vorurtheile greifen hier nur selten störend ein. und wenn
z. B. die Lehren der Geologie mit der biblischen Schöpfungsgeschichte durch
-das — wer sollte das bei unsern frommen Amerikanern erwarten! — ratio¬
nalistische Hilfsmittel, die Schöpfungstage als Weltperioden zu fassen, ausgeglichen
werden, so wird das für die eben erst beginnende Erziehung der Nestorianer
nicht schaden.

Das Fach „Miscellen" ist seinem Namen gemäß noch viel bunter; dazu
muß man bedenken, daß mancherlei Gegenstände, die unter andern Abtheilungen
stehen, ebenso gut unter „Miscellen" gesetzt werden könnten, wie denn überhaupt
die Einteilung durchaus keine scharfe und consequente ist. Wir haben hier ein
Gewicht interessanter und langweiliger, wichtiger und bedeutungsloser Artikel
und Bemerkungen. Für uns haben die Artikel am meisten Werth, welche über
die Zustände dieser Länder und die Bestrebungen, sie zu bessern, handeln.
Namentlich sind einige Briefe einheimischer Zöglinge der Missionäre über ihre
Reise zu den noch in der Finsterniß schmachtenden Brüdern im Gebirge von
Wichtigkeit. Den wichtigsten und ausführlichsten Bericht dieser Art (der übrigens
unter der Abtheilung „Religion" steht) werde ich vielleicht demnächst einmal in
deutscher Uebersetzung veröffentlichen. Das Gebirge ist den Misstonären gegen¬
über noch ein ganz unabhängiges Gebiet, das sie kaum auszukundschaften, ge-
schweige denn unter ihre geistige Oberherrschaft zu bringen wagen. Im Jahre
1853 bestand im Herzen des kurdischen Berglandes eine einzige Schule, in der
ein junger Geistlicher aus der Schule der Amerikaner 20 Knaben und 5 Mädchen
das ABC beibrachte. Natur und Menschen sind hier noch zu wild, als daß
man sich vor der Hand bedeutende Erfolge versprechen könnte. Es ist schon
viel, daß einzelne Kinder beiderlei Geschlechts aus dem Gebirge nach den Schulen


Grenzboten I. 1866. , 60
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284971"/>
          <p xml:id="ID_1621" prev="#ID_1620"> einzusehn und so einen mächtigen Trieb zur Thätigkeit in Bewegung zu<lb/>
setzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1622"> Die Abtheilung &#x201E;Wissenschaft" ist eine ziemlich bunte. Wir haben da<lb/>
meistens naturwissenschaftliche Gegenstände in der Weise, wie sie in einer guten<lb/>
Volksschule behandelt werden. Einzelne Capitel aus der Physik, Chemie.<lb/>
Astronomie, Zoologie, Botanik und Geologie werden in einfach klarer Weise<lb/>
abgehandelt. Daneben kommt wohl einmal etwas aus der Geographie oder<lb/>
Geschichte vor, jedoch seltner, da man diese Fächer mehr systematisch treibt.<lb/>
Wenn der mündliche Unterricht in ungefähr derselben Weise ertheilt wird, wie<lb/>
die hier erscheinenden &#x201E;wissenschaftlichen" Proben, so müssen die Zöglinge der<lb/>
Amerikaner nicht üble Kenntnisse in einigen naturwissenschaftlichen Fächern er¬<lb/>
langen. Die Hauptschule (zu Sire, ungefähr eine deutsche Meile von Arenia)<lb/>
besitzt sogar einige physikalische Apparate (z. B. eine Luftpumpe), und ich zweifle<lb/>
nicht, daß der Unterricht auf diesem Gebiet wohl die besten Erfolge erzielen<lb/>
wird. Theologische Vorurtheile greifen hier nur selten störend ein. und wenn<lb/>
z. B. die Lehren der Geologie mit der biblischen Schöpfungsgeschichte durch<lb/>
-das &#x2014; wer sollte das bei unsern frommen Amerikanern erwarten! &#x2014; ratio¬<lb/>
nalistische Hilfsmittel, die Schöpfungstage als Weltperioden zu fassen, ausgeglichen<lb/>
werden, so wird das für die eben erst beginnende Erziehung der Nestorianer<lb/>
nicht schaden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1623" next="#ID_1624"> Das Fach &#x201E;Miscellen" ist seinem Namen gemäß noch viel bunter; dazu<lb/>
muß man bedenken, daß mancherlei Gegenstände, die unter andern Abtheilungen<lb/>
stehen, ebenso gut unter &#x201E;Miscellen" gesetzt werden könnten, wie denn überhaupt<lb/>
die Einteilung durchaus keine scharfe und consequente ist. Wir haben hier ein<lb/>
Gewicht interessanter und langweiliger, wichtiger und bedeutungsloser Artikel<lb/>
und Bemerkungen. Für uns haben die Artikel am meisten Werth, welche über<lb/>
die Zustände dieser Länder und die Bestrebungen, sie zu bessern, handeln.<lb/>
Namentlich sind einige Briefe einheimischer Zöglinge der Missionäre über ihre<lb/>
Reise zu den noch in der Finsterniß schmachtenden Brüdern im Gebirge von<lb/>
Wichtigkeit. Den wichtigsten und ausführlichsten Bericht dieser Art (der übrigens<lb/>
unter der Abtheilung &#x201E;Religion" steht) werde ich vielleicht demnächst einmal in<lb/>
deutscher Uebersetzung veröffentlichen. Das Gebirge ist den Misstonären gegen¬<lb/>
über noch ein ganz unabhängiges Gebiet, das sie kaum auszukundschaften, ge-<lb/>
schweige denn unter ihre geistige Oberherrschaft zu bringen wagen. Im Jahre<lb/>
1853 bestand im Herzen des kurdischen Berglandes eine einzige Schule, in der<lb/>
ein junger Geistlicher aus der Schule der Amerikaner 20 Knaben und 5 Mädchen<lb/>
das ABC beibrachte. Natur und Menschen sind hier noch zu wild, als daß<lb/>
man sich vor der Hand bedeutende Erfolge versprechen könnte. Es ist schon<lb/>
viel, daß einzelne Kinder beiderlei Geschlechts aus dem Gebirge nach den Schulen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1866.  , 60</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0501] einzusehn und so einen mächtigen Trieb zur Thätigkeit in Bewegung zu setzen. Die Abtheilung „Wissenschaft" ist eine ziemlich bunte. Wir haben da meistens naturwissenschaftliche Gegenstände in der Weise, wie sie in einer guten Volksschule behandelt werden. Einzelne Capitel aus der Physik, Chemie. Astronomie, Zoologie, Botanik und Geologie werden in einfach klarer Weise abgehandelt. Daneben kommt wohl einmal etwas aus der Geographie oder Geschichte vor, jedoch seltner, da man diese Fächer mehr systematisch treibt. Wenn der mündliche Unterricht in ungefähr derselben Weise ertheilt wird, wie die hier erscheinenden „wissenschaftlichen" Proben, so müssen die Zöglinge der Amerikaner nicht üble Kenntnisse in einigen naturwissenschaftlichen Fächern er¬ langen. Die Hauptschule (zu Sire, ungefähr eine deutsche Meile von Arenia) besitzt sogar einige physikalische Apparate (z. B. eine Luftpumpe), und ich zweifle nicht, daß der Unterricht auf diesem Gebiet wohl die besten Erfolge erzielen wird. Theologische Vorurtheile greifen hier nur selten störend ein. und wenn z. B. die Lehren der Geologie mit der biblischen Schöpfungsgeschichte durch -das — wer sollte das bei unsern frommen Amerikanern erwarten! — ratio¬ nalistische Hilfsmittel, die Schöpfungstage als Weltperioden zu fassen, ausgeglichen werden, so wird das für die eben erst beginnende Erziehung der Nestorianer nicht schaden. Das Fach „Miscellen" ist seinem Namen gemäß noch viel bunter; dazu muß man bedenken, daß mancherlei Gegenstände, die unter andern Abtheilungen stehen, ebenso gut unter „Miscellen" gesetzt werden könnten, wie denn überhaupt die Einteilung durchaus keine scharfe und consequente ist. Wir haben hier ein Gewicht interessanter und langweiliger, wichtiger und bedeutungsloser Artikel und Bemerkungen. Für uns haben die Artikel am meisten Werth, welche über die Zustände dieser Länder und die Bestrebungen, sie zu bessern, handeln. Namentlich sind einige Briefe einheimischer Zöglinge der Missionäre über ihre Reise zu den noch in der Finsterniß schmachtenden Brüdern im Gebirge von Wichtigkeit. Den wichtigsten und ausführlichsten Bericht dieser Art (der übrigens unter der Abtheilung „Religion" steht) werde ich vielleicht demnächst einmal in deutscher Uebersetzung veröffentlichen. Das Gebirge ist den Misstonären gegen¬ über noch ein ganz unabhängiges Gebiet, das sie kaum auszukundschaften, ge- schweige denn unter ihre geistige Oberherrschaft zu bringen wagen. Im Jahre 1853 bestand im Herzen des kurdischen Berglandes eine einzige Schule, in der ein junger Geistlicher aus der Schule der Amerikaner 20 Knaben und 5 Mädchen das ABC beibrachte. Natur und Menschen sind hier noch zu wild, als daß man sich vor der Hand bedeutende Erfolge versprechen könnte. Es ist schon viel, daß einzelne Kinder beiderlei Geschlechts aus dem Gebirge nach den Schulen Grenzboten I. 1866. , 60

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/501
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/501>, abgerufen am 01.07.2024.